# taz.de -- Nach dem rassistischen Attentat: Der Hanauer Junge | |
> Ferhat Unvar ist tot. „Wir sind deutsch“, sagt Cousin Ali Unvar. Und sein | |
> Bruder Agit Unvar fügt hinzu: „Wir dürfen uns nicht separieren.“ | |
Bild: Trauerkundgebung nach den rassistischen Morden in Hanau | |
Am Heumarkt flattert am Freitag das rot-weiße Polizeiband, das die Midnight | |
Bar weiträumig absperrt. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat | |
Tobias R. neun Menschen erschossen, die nicht in sein rassistisches | |
Weltbild passten. Sein Angriff begann hier, gegen 22 Uhr. Jetzt liegen am | |
Tatort Rosen, rote und weiße, Tulpen, in Gelb und Rosa, weiße Lilien, rote | |
Grablichter und Bilder von den Toten. Seit dem Terroranschlag in der | |
Shishabar sichert die Polizei den Tatort. Seitdem stehen hier Trauernde. | |
Morgens, mittags, abends, nachts – wie stumme Beobachter*innen des | |
Geschehens. | |
Ferhat Unvar, Mercedes K., Sedat G., Gökhan G., Hamza K., Kalojan W., Vili | |
Viorel P., Said Nesar H., Fatih S. Das sind die Namen der Opfer. | |
Newroz Duman vom Bündnis „Solidarität statt Spaltung“ hat am | |
Freitagnachmittag zu einer Kundgebung aufgerufen, bei der die Tatorte | |
gemeinsam mit Freund*innen und Angehörigen besucht werden sollen. Am Tag | |
zuvor haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerpräsident | |
Volker Bouffier (CDU) und Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) am | |
Marktplatz Blumen niedergelegt und ihr Beileid ausgesprochen. | |
Politiker*innen sind heute nicht dabei. | |
Newroz Duman, 30 Jahre alt, schiebt sich durch die Menge. Die kleine Frau | |
mit den dunklen lockigen Haaren ist immer in Bewegung, sie spricht mal hier | |
und dort mit Menschen, auf Deutsch, auf Kurdisch, auf Türkisch. Sie | |
telefoniert, gleich geht die Kundgebung los. Auf ihrem Smartphone klebt ein | |
Sticker mit der Aufschrift Yalla, Yalla, Migrantifa – Auf geht’s, | |
Migrantifa, ein Wort, zusammengesetzt aus Migrant und Antifa. Seit dem | |
Anschlag versucht sie mit ihren Mitstreiter*innen, Angehörige zu treffen, | |
versucht diese Kundgebung und die Demonstration auf die Beine zu stellen. | |
Newroz Duman in ihrer olivfarbenen Funktionsjacke hat kaum geschlafen, aber | |
sie funktioniert. | |
Hanau, das ist auch ihre Stadt. Und was sie bewegt, das ist vielleicht auch | |
ihre eigene Geschichte und die ihrer Eltern, die vor 18 Jahren als Kurden | |
aus der Türkei geflohen sind. Seit Jahren ist Duman politisch aktiv, setzt | |
sich für Geflüchtete ein. „Wir wissen: Das alles ist nicht vom Himmel | |
gefallen“, sagt sie. „Wir haben einen Innenminister, der die Migration die | |
Mutter aller Probleme genannt hat. Wir hatten den NSU, Lübcke, Halle, | |
Thüringen.“ | |
Es gibt immer diesen Punkt. Etwas passiert. Der Name einer Stadt wird zu | |
einem Synonym. Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Solingen stehen für Höhepunkte | |
rassistischer Gewalt in den neunziger Jahren. Und nun, im 21. Jahrhundert, | |
schreiben neue Städtenamen die Geschichte des Rassismus der Bundesrepublik | |
fort. Heidenau, Chemnitz, Kassel, Halle – und Hanau. | |
„Hanau ist die Stadt der Migration“, sagt Newroz Duman, „dass so eine Tat | |
in dieser Stadt passiert ist, macht uns alle unfassbar wütend, unfassbar | |
traurig.“ In Hanau leben rund 96.000 Menschen, 26 Prozent der Bürger*innen | |
haben keine deutsche Staatsangehörigkeit und 50 Prozent einen sogenannten | |
Migrationshintergrund. Migrantisch zu sein ist keine Ausnahme, es gehört | |
zur Normalität in dieser Industriestadt, die im Zweiten Weltkrieg in großen | |
Teilen zerstört wurde. | |
Manchmal schlägt sich Bitterkeit in der Stimme von Duman nieder. Manchmal | |
muss auch sie um Fassung ringen. „Betroffen sind wir jetzt vielleicht alle, | |
ermordet werden am Ende aber die Migranten und diejenigen, die als nicht | |
zugehörig gesehen werden“, sagt sie vor den vielen Kameras. | |
## Wie lange bleibt ein Mensch ein Migrant? | |
Wir, ihr, sie. Wie lange bleibt ein Mensch ein Migrant? Oder ein | |
Flüchtling? Wer ist deutsch und wer nicht? Eigentlich soll es nicht zählen, | |
ob man blonde oder schwarze Haare hat. Woran wir glauben oder nicht, wen | |
wir lieben oder nicht. Aber Hanau zeigt, dass die Realität eine andere ist. | |
Vom Heumarkt aus braucht man mit dem Auto knapp zehn Minuten bis zum | |
Gebäude des kurdischen Kulturvereins. Das ist ein vergleichsweise langer | |
Weg in einer Stadt von der Größe Hanaus. Trotzdem ist dies der Ort, zu dem | |
die Familie von Ferhat Unvar am Donnerstagmorgen kommt, nachdem ihnen der | |
Tod ihres Verwandten bestätigt wird. Ferhat Unvar, das ist der 23-jährige | |
bullige Hanauer Junge, dessen Foto überall in der Stadt hängt, das Foto, | |
auf dem er eine schwarze Schiebermütze und ein lachsfarbenes Shirt trägt. | |
Warum ins kurdische Vereinsheim? „Rückzugsort“, antwortet der Cousin Ali | |
Unvar am Samstagnachmittag. Der 27-Jährige Bauingenieur hat kaum ein Auge | |
zugetan in den letzten Tagen, aber er sieht sortiert aus: weißes Hemd unter | |
weinrotem Pullover, die Haare akkurat zurückgegelt. | |
Als er am späten Mittwochabend von dem Anschlag erfahren hat, habe er | |
vergeblich versucht, Ferhat zu erreichen, erzählt er. Auch dessen Eltern | |
und Geschwister seien nicht ans Telefon gegangen. Dann sei er einfach | |
losgefahren, aus Butzbach, 50 Kilometer von Hanau entfernt. Dort mussten | |
die Angehörigen mehrere Stunden lang in einer Polizeiwache warten – bis sie | |
Gewissheit hatten. | |
Hätte es einen gemeinsamen Ort mit und für die anderen Opferangehörigen | |
gegeben, mit Seelsorgern, man wäre dort hingegangen. So etwas habe man | |
ihnen in der Wache aber nicht angeboten, sagt Ali Unvar. | |
Jetzt trauert Familie Unvar im kurdischen Vereinsheim. Sie sitzen zusammen, | |
trinken Tee, sprechen, weinen. Ali Unvar hat für die Familie das Wort | |
übernommen, weil die Geschwister und Eltern selbst nicht sprechen können. | |
Sie sind zu sehr gefangen in ihrer Trauer. | |
An den weißen Wänden des Vereinsheims hängt die kurdische Flagge, es sind | |
dort Porträts des Gründer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah | |
Öcalan, zu sehen, und Bilder verstorbener PKK-Mitglieder. Darunter hängt | |
ein schwarzes Transparent mit den Fotos der Hanauer Opfer, das die | |
Angehörigen tags zuvor beim Trauermarsch vom Stadtteil Kesselstadt zu | |
Ferhat Unvars Todesort getragen haben. Bei der Demonstration am Nachmittag | |
werden Angehörige in der ersten Reihe mitlaufen und dieses Transparent | |
tragen. | |
Auf einem Tisch sind Teelichter zu einem Vornamen geordnet: Ferhat. Ein | |
Bild von ihm zeigt ihn im Profil, in der Hocke, die Arme verschränkt, sein | |
Blick zwischen hart und melancholisch. Angehörige gehen hier in die Knie, | |
sie weinen, manchmal so laut, dass es schwer ist, sich am anderen Ende des | |
Raumes zu unterhalten. | |
Neben Ali Unvar sitzen sein älterer Bruder Agit, ein Anlagenmechaniker von | |
Beruf, und seine jüngere Schwester Mizgin Unvar, die Zahnarzthelferin. | |
Obwohl die drei Geschwister in Butzbach wohnen, haben sie ihren Cousin oft | |
gesehen. „Er war wie ein Bruder für uns. Eigentlich waren wir gestern, | |
Freitag, verabredet“, sagt Ali Unvar. „Wir hätten einfach gesessen, | |
geredet, gelacht. Wir wären abends vielleicht rausgegangen. Wahrscheinlich | |
in eine Shishabar“, sagt Ali Unvar. | |
Wenn die drei Geschwister von Ferhat Unvar erzählen, lächeln sie, auch wenn | |
an diesem Ort gerade nichts entfernter sein könnte als ein Lächeln. Ferhat | |
habe alle zum Lachen gebracht. Er sei ein ehrgeiziger Lehrling gewesen, der | |
an seinen freien Tagen seinen Cousin Agit zu Aufträgen begleitet habe, um | |
zu lernen. Erst vor zwei Wochen hatte Unvar seine Ausbildung zum | |
Heizungsinstallateur abgeschlossen. Mizgin sagt: „Ich habe mit ihm oft über | |
Politik gestritten, ich bin sehr politisch, er nicht, weil er denkt, das | |
würde die Menschen spalten.“ | |
## Der Spalt zwischen den Menschen | |
Ferhat Unvars Tod und der Mord an acht weiteren, mehrheitlich jungen | |
migrantischen Menschen öffnet nun aber einen Spalt – eine Kluft zwischen | |
jenen, die aufgrund ihrer Herkunft potenzielle Ziele rassistischer Gewalt | |
sind, und jenen, auf die dies nicht zutrifft. Ohne eigenes Zutun fühlen | |
viele Menschen mit Migrationshintergrund jetzt diese Spaltung. Auch Ferhats | |
Familie. Sie ist schmerzhaft. Deshalb gibt es auch für Ali, Agit und Mizgin | |
Unvar ein Leben vor Hanau und eines danach. Aber sie kämpfen dagegen an. | |
„Wir sind deutsch“, sagt Ali Unvar. „Unser Deutsch ist besser als unser | |
Kurdisch“, sagt Mizgin Unvar. Agit Unvar sagt: „Wir dürfen uns nicht | |
separieren.“ Die Geschwister wiederholen immer wieder, dass es keinen | |
Unterschied mache, ob die Gewalt nun von rechts oder von links ausgehe. Der | |
Anschlag von Hanau sei vor allem ein Akt gegen die Menschlichkeit. Warum | |
diese Gleichsetzung, obwohl in den letzten Jahrzehnten ausschließlich von | |
rechts so viele Menschen getötet wurden? | |
„Wir trennen uns von den Deutschen, wenn wir so etwas sagen“, sagt Ali | |
Unvar. „Dann machen wir das, was von denen gewollt ist, dass wir uns | |
abkapseln, abtrennen, dass wir uns anders sehen.“ Man dürfe jetzt nicht | |
fragen, ob Deutsche genauso trauern wie Migranten. Bei diesen Worten klopft | |
Ali Unvar auf den Tisch. Dann sagt er, dass es vielleicht „hart“ klinge, | |
dass er aber Hoffnung habe, dass sein Cousin nicht umsonst gestorben sei. | |
„Ich hoffe, dass wir zusammenwachsen.“ Über dem Bild von Ferhat Unvar hän… | |
ein Transparent mit einem Satz, auf Kurdisch und auf Türkisch: „Für große | |
Ziele zu sterben bedeutet, für immer zu leben“. | |
Wie man weiterlebt nach dem Tod eines geliebten Menschen, das ist eine | |
Frage, die viele in dieser Stadt beschäftigt. Am Freitag lesen die | |
Trauernden am Heumarkt die Namen der Ermordeten vor. Immer wieder. Damit | |
die Opfer nicht vergessen werden. Damit ihre Namen in Erinnerung bleiben | |
und nicht der des Täters. Aber zwei Tage nach dem Anschlag ist vieles noch | |
unklar. Die Behörden haben zu diesem Zeitpunkt die Identität der Ermordeten | |
noch nicht offiziell bekannt gegeben. Ein Name, der auf der Kundgebung | |
genannt wird, stellt sich am Tag darauf als falsch heraus. Dafür fehlt ein | |
anderer. | |
Eigentlich wollten bei der Kundgebung auch die Eltern und Geschwister von | |
Ferhat Unvar sprechen. Sie sagen ab. Sie sind psychisch nicht in der Lage. | |
Aber die Cousins Ali, Mizgin und Agit sind gekommen, und seine Freunde und | |
Freundinnen. Sie halten Bilder von Ferhat in den Händen. | |
## Der Trauermarsch | |
Nach der Kundgebung zieht ein Trauermarsch vom ersten zum zweiten Tatort, | |
vom Heumarkt in Richtung Kesselstadt. Die Menschen gehen leise. Manche | |
unterhalten sich über die Mordtaten. Auf dem Weg kommen immer mehr Menschen | |
dazu. Ein älterer weißer Mann mit Tränen in den Augen, ein Kind mit | |
türkischem Name, eine Schwarze Studentin. Nach Polizeiangaben sind es | |
sechshundert, die da unterwegs sind nach Kesselstadt, vorbei an | |
Spielhallen, Bäckern und Imbissen, am Main entlang, vorbei an prachtvollen | |
alten Wohnhäusern und dem Barockschloss Philippsruhe. | |
Kesselstadt hat knapp 11.000 Einwohner*innen. Der Stadtteil teilt sich auf. | |
In Alt-Kesselstadt, wo Gründerzeithäuser stehen, und in die Weststadt, wo | |
der Kurt-Schumacher-Platz liegt. Die Weststadt ist migrantisch und prekär, | |
die Arbeitslosenquote ist hoch, junge Menschen haben hier wenige | |
Möglichkeiten. Auch Ferhat Unvar hat in Kesselstadt gewohnt. | |
Der Trauermarsch dorthin verläuft ohne Parolen. Die Flugzeuge, die vom | |
Frankfurter Airport über Hanau langsam an Höhe gewinnen, bestimmen das | |
Grundrauschen. Die Sonne geht hinter dem Schloss unter, und sie färbt den | |
Himmel orange. | |
Anders als am Heumarkt in der Innenstadt ist der zweite Tatort am | |
Kurt-Schumacher-Platz nicht abgesperrt. Die Blumen, Kerzen und Bilder, die | |
in einem kleinen Durchgang neben der Eingangstür der Arenabar stehen, | |
erinnern an die Toten. Die Bar befindet sich im Untergeschoss eines | |
Hochhauses, von denen es hier viele gibt, umgeben von einem türkischen | |
Supermarkt, einem Imbiss und einem Friseur. Die Bar gilt als beliebter | |
Treffpunkt für die Menschen im Viertel. Jetzt klebt ein Zettel an der Tür: | |
Es ist eine Siegelmarke des Bundeskriminalamts. Wie schon am ersten Tatort | |
werden hier die Namen der Opfer vorgetragen, die Menge wiederholt sie und | |
schreit sie in die Dämmerung. | |
Nur wenige Hundert Meter von hier entfernt befindet sich das Juz, das | |
Jugendzentrum von Kesselstadt. Auf dem Weg vom zweiten Tatort in diese | |
Richtung hat der mutmaßliche Täter Tobias R. offenbar den Namen seiner | |
Homepage auf den Boden gesprüht. | |
## Das Jugendzentrum | |
Im Juz gibt es abgesessene Sofas, einen Billardtisch, Tischtennisplatten | |
und ein Kicker. Braune Kacheln auf dem Boden, Pokale und Fotos von | |
gemeinsamen Freizeiten an den Wänden. Es ist kein schicker, aber ein | |
gemütlicher Ort. 60 bis 80 Kinder und Jugendliche kommen hier täglich | |
vorbei. Am Samstagabend eilt der Sozialarbeiter Günter Kugler zum Tresen, | |
holt Schokolade und Fanta, lässt sich kurz in eines der Sofas sinken. | |
„Alle, die in der Arenabar gestorben sind, waren auch mal hier. Manche vor | |
Jahren. Ferhat Unvar bis zuletzt jeden Tag“, sagt er. Am Tag des Anschlags, | |
berichtet Kugler, sei Ferhat Unvar als Letzter gegangen, um kurz nach zehn | |
Uhr am Abend. „Ich habe ihm noch eine Wurst in die Hand gedrückt, bevor er | |
hier losgegangen ist. Wäre er zehn Minuten später gegangen, hätte es jemand | |
anderen getroffen. Ich konnte es nicht glauben, als ein Anruf kam, dass er | |
tot sein soll.“ | |
An diesem Abend ist es ruhig im Juz: Jugendliche sitzen in Ecken und | |
unterhalten sich. Sie reden über den Terroranschlag. Sie umarmen sich. | |
Niemand spielt, niemand lacht. „Hamza ist hier quasi groß geworden. Nesar | |
hat hier einen Schwimmkurs gemacht“, sagt Kugler über zwei weitere Opfer | |
des Anschlags. | |
Kugler und eine Kollegin sind für die Kinder und Jugendlichen da, aber sie | |
scheinen die Morde selbst noch nicht wirklich realisiert zu haben. Die Tat | |
bringt die Mitarbeiter*innen an ihre Grenzen. Trotzdem sagt Kugler: „Ich | |
bin lieber hier als zu Hause.“ Mehr Unterstützung von der Stadt hätte er | |
sich gewünscht, sagt er, auch wenn diese Einrichtung einen kirchlichen | |
Träger hat. Er arbeitet schon seit 1999 im Juz und berichtet, wie schlecht | |
es um diese Jugendarbeit in Hanau bestellt sei. | |
Seine Kollegin Antje Heigel, 51, lehnt sich an den Billardtisch, sie sieht | |
erschöpft aus und nestelt nervös an den Kugeln herum. „Ich war mit zwölf | |
Jahren selbst hier im Jugendzentrum.“ Heute arbeitet sie als | |
Sozialarbeiterin, mit den Kindern macht sie sozialpädagogisch betreutes | |
Boxen. Beim Boxen lerne man viel, über sich selbst, über Respekt, über | |
seine Grenzen, erzählt sie. Gerade würde nicht so viel gespielt, manche | |
wollen reden, manche schweigen. „Nächste Woche könnten wir vielleicht | |
wieder Boxen, oder?“, fragt sie einen der Jugendlichen. „Lieber Boxen als | |
Yoga“, lautet die Antwort. Kämpfen – das tun gerade viele hier. | |
Am Freitagabend, in der zweiten Nacht nach der Tat, um halb elf Uhr nachts, | |
stehen junge Männer am Brüder-Grimm-Nationaldenkmal auf dem Hanauer | |
Marktplatz. „Den Brüdern Grimm Das Deutsche Volk“ steht auf dem | |
Bronzesockel, der hier 1896 enthüllt wurde. 2020 stellt sich die Frage: Wer | |
ist dieses deutsche Volk? Am Donnerstagabend hat der Bundespräsident hier | |
einen Kranz niedergelegt, Hanauerinnen und Hanauer haben die Stufen am | |
Denkmal mit Blumen, Botschaften und Kerzen geschmückt. Hier haben am | |
Freitagmittag 200 Menschen eine Menschenkette gebildet. Und jetzt um halb | |
elf nachts stehen am Marktplatz vier junge Männer, die türkisch sprechen. | |
Zwei von ihnen beugen sich nieder und zünden diejenigen Kerzen an, die | |
erloschen sind. Einer der Männer sagt zu dem anderen, dass er sich schlecht | |
fühle. Ein anderer antwortet, dass man nicht ungeschehen machen könne, was | |
passiert ist. Der dritte geht und sagt: „Passt auf, ja?“ | |
23 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
Volkan Ağar | |
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