# taz.de -- Nach Angriff im Regionalzug: Mit KI gegen Messerattacken | |
> Hamburg zieht Konsequenzen aus dem tödlichen Angriff bei Brokstedt. Aus | |
> U-Haft Entlassene sollen betreut werden und Behörden besser | |
> kommunizieren. | |
Bild: Vorwärtsverteidigung: Innensenator Grote und Justizsenatorin Gallina ste… | |
HAMBURG taz | Direkt vor einer eigens anberaumten Sitzung des Hamburger | |
Justizausschusses zum Messerangriff von Brokstedt hat der Senat versucht, | |
in die Vorhand zu kommen. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) und | |
Innensenator Andy Grote (SPD) stellten die Maßnahmen vor, mit denen sie | |
Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen wollen. | |
[1][Bei der Attacke am 25. Januar hatte ein offenbar staatenloser | |
Palästinenser zwei Menschen umgebracht] und vier weitere verletzt. Zwei | |
davon liegen noch immer im Krankenhaus, schweben aber nicht mehr in | |
Lebensgefahr. Der Angreifer Ibrahim A. war erst eine Woche zuvor nach | |
einjähriger Haft aus dem Hamburger Untersuchungsgefängnis Billwerder | |
entlassen worden. Die Entlassung war rechtlich zwingend, weil er auch bei | |
einer Verurteilung nicht länger hätte einsitzen müssen. | |
In der Anhörung des Justizausschusses kam auch eine Äußerung von | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Sprache, nach der Ibrahim A. | |
unter bestimmten Umständen hätte abgeschoben werden können. „Wir haben | |
versucht, an ihn ranzukommen, und hätten wir gewusst, dass er in U-Haft | |
sitzt, hätten wir ihn anhören und dann abschieben können“, sagte Faeser der | |
dpa. | |
Wie Frank Schimmelpfennig vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge | |
(Bamf) bestätigte, hätte seine Behörde wissen müssen, wo sich Ibrahim A. | |
aufhielt, um überhaupt tätig werden zu können. Einer Abschiebung hätten | |
dann aber noch einige Hürden entgegengestanden, weil A. an verschiedenen | |
Stellen hätte vor Gericht ziehen können. | |
Warum das Bamf den Aufenthaltsort nicht kannte, ist unklar. Schimmelpfennig | |
zufolge hatte es im Januar 2022 zumindest Unterlagen zu Ibrahim A. in Kiel | |
angefordert. Zudem war das Bamf nach Aussage von Justizsenatorin Gallina | |
durch die Kieler Ausländerbehörde im Verteiler. | |
## Kommunikation soll besser werden | |
Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Behörden der Länder und des | |
Bundes ließ in dem Fall allgemein zu wünschen übrig. Das lag auch daran, | |
dass E-Mails zum Teil nicht beantwortet wurden, komplett untergingen oder | |
jedenfalls nicht in Akten erfasst wurden. „Lediglich die Mitteilung des | |
Hamburger Landgerichts nach der Messerattacke ist bei uns aktenkundig“, | |
sagte der Kieler Stadtrat Christian Zierau. | |
Ebenso wie die Staatssekretärin im schleswig-holsteinischen | |
Sozialministerium, Marjam Samadzade, wies er darauf hin, dass der formlose, | |
gesprächsartige Austausch per E-Mail fehleranfällig sei. Das liege auch | |
daran, dass die Einwanderungs- und Ausländerbehörde überlastet sei. „Wir | |
sind am Limit“, sagte Zierau. Umso wichtiger sei es, den gesetzlich | |
vorgeschriebenen Weg förmlicher Mitteilungen zu wählen. | |
Eine bessere Kommunikation zwischen den Behörden gehört deshalb auch zu den | |
Maßnahmen des Senats. Dabei soll klarer gefasst werden, welche | |
Ausländerbehörde zuständig ist und sichergestellt werden, dass sie alle | |
relevanten Informationen erhält. | |
Sofort wollen die Hamburger Behörden alle gewalttätigen | |
Untersuchungsgefangenen, die psychisch auffällig, aggressiv oder | |
drogenabhängig sind, im Rahmen von Fallkonferenzen einschätzen, um Gefahren | |
vorbeugen zu können. Sämtliche Hinweise auf extremistische Haltungen sollen | |
an den Verfassungs- und den Staatsschutz weitergegeben werden. [2][Ibrahim | |
A. hatte einem Justizbediensteten gesagt: „Es gibt nicht nur einen Anis | |
Amri, es gibt mehrere, ich bin auch einer.“] Das war aber als nicht | |
bedeutsam eingestuft worden. | |
Mit Blick auf Untersuchungsgefangene versprach Gallina einen | |
Paradigmenwechsel. „Wir haben uns vorgenommen, stärker am Menschen entlang | |
zu arbeiten“, sagte sie. Anders als Strafgefangene erhalten U-Häftlinge bei | |
ihrer Entlassung bisher kaum Hilfen – schließlich sind sie ja nicht | |
verurteilt. Gallina will deshalb das Hamburgische [3][Resozialisierungs- | |
und Opferhilfegesetz] überarbeiten. Im Zuge dessen will sie | |
„Übergangscoaches“ in der U-Haft einführen, die die Gefangenen begleiten. | |
Der rot-grüne Senat will auch dafür sorgen, dass mehr ausländische | |
Straftäter abgeschoben werden. Dazu soll es mehr Abkommen mit den | |
Herkunftsstaaten geben. Zudem empfiehlt der Senat sein Modell der | |
Gemeinsamen Ermittlungs- und Rückführungsgruppe ausländischer Straftäter, | |
bei dem verschiedenen Behörden eng zusammenarbeiteten. | |
Um Vorfälle wie bei Brokstedt künftig zu verhindern, schlug Innensenator | |
Grote vor, [4][auch Regional- und Fernzüge in Zukunft standardmäßig per | |
Video zu überwachen]. Die Bilder sollten in Echtzeit mit Hilfe künstlicher | |
Intelligenz (KI) auffällige Bewegungsmuster erfassen und ein Eingreifen | |
ermöglichen. | |
16 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburg-diskutiert-Messerattacke/!5909563 | |
[2] /Ausschuss-debattiert-ueber-Messerangriff/!5911067 | |
[3] https://www.hamburg.de/contentblob/9878522/8bec2983c74a8aaa2b481ebef74700d7… | |
[4] /Nach-Messerattacke-bei-Brokstedt/!5911050 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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