# taz.de -- NS-Kontinuitäten in deutschen Behörden: Regierung will Kanzleramt… | |
> Kulturstaatsministerin Monika Grütters will keine eigene | |
> HistorikerInnenkommission zur NS-Aufarbeitung. Dabei hätte gerade das | |
> Kanzleramt es nötig. | |
Bild: Adenauer und sein engster Vertrauter Globke, Staatssekretär im Kanzleram… | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung will die NS-Kontinuitäten des | |
Bundeskanzleramts nicht durch eine eigenständige HistorikerInnenkommission | |
aufarbeiten lassen. Das geht aus der Antwort von Kulturstaatsministerin | |
Monika Grütters (CDU) auf eine kleine Anfrage der Linkspartei hervor, die | |
sie Ende Juli gestellt hat. | |
Danach beabsichtigt das Bundeskanzleramt, nur ein „ressortübergreifendes | |
Forschungsprogramm auszuschreiben“. Damit sollen „Forschungslücken zu | |
bislang nicht näher untersuchten zentralen deutschen Behörden – | |
einschließlich des Bundeskanzleramts – geschlossen und ressortübergreifende | |
Querschnittsprojekte initiiert werden“, heißt es in dem Schreiben Grütters, | |
das der taz vorliegt. | |
Insgesamt 4 Millionen Euro will die Regierung dafür bis zum Jahr 2020 | |
bereitstellen. Das Programm solle „als Ergänzung neben die bislang übliche | |
Forschung in und zu den einzelnen Ressorts“ treten. Über die genaue | |
konzeptionelle und inhaltliche Ausgestaltung seien „aktuell keine | |
abschließenden Aussagen möglich“, so Grütters. | |
Damit setzt sich die Staatsministerin über das einhellige Votum der | |
Sachverständigen hinweg, die Anfang Juni vom Kulturausschuss des Bundestags | |
angehört wurden. Alle geladenen HistorikerInnen hatten sich dafür | |
ausgesprochen, dass die Geschichte des Bundeskanzleramts aufgrund seiner | |
zentralen Bedeutung gerade in der Adenauer-Ära eigenständig erforscht | |
werden sollte. | |
In den vergangenen Jahren haben siebzehn Ministerien und oberste | |
Bundesbehörden HistorikerInnenkommissionen eingesetzt, um ihre Geschichte | |
aufarbeiten zu lassen. Selbst der Bundesnachrichtendienst hat sich | |
durchleuchten lassen. Davon ausgenommen ist allerdings bislang ausgerechnet | |
das Bundeskanzleramt. | |
Dabei wurde es zwischen 1953 und 1963 von Hans Josef Maria Globke geleitet. | |
Adenauers mächtiger Staatssekretär ist eine der schillerndsten Personalien | |
in den Anfängen der Bundesrepublik. Der Name des Kommentators der | |
Nürnberger Rassegesetze, der bis 1945 in Hitlers Reichsinnenministerium | |
gearbeitet hatte, steht wie kein anderer für die Kontinuität | |
nationalsozialistischer Funktionseliten, die in der Bundesrepublik ihre | |
Karrieren fortsetzen konnten. | |
Die Linksfraktion hatte deswegen vor zwei Jahren einen Antrag zur | |
Einrichtung einer eigenen HistorikerInnenkommission für das | |
Bundeskanzleramt eingebracht, über den das Parlament aber noch nicht | |
entschieden hat. „Das Kanzleramt war von Anfang an die Schaltzentrale der | |
bundesdeutschen Politik“, sagt der Linksparteiabgeordnete Jan Korte. Die | |
zentrale politische Verantwortung für die Rückkehr der alten Eliten in die | |
Schaltstellen der Macht dürfe nicht vernebelt werden. „Seine Rolle muss | |
daher umfassend und nicht nur unter ferner liefen untersucht werden.“ | |
Deswegen hält der Linksparteiler auch wenig von dem von der Bundesregierung | |
präferierten Forschungsprogramm. „Hinter dem erst einmal gut klingenden | |
‚ressortübergreifenden Ansatz‘ steckt der Versuch einer gewollten | |
geschichtspolitischen Verwässerung“, kritisiert Korte. | |
29 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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