# taz.de -- Meinungsfreiheit in Hongkong: Sicherheitsgesetz verschärft | |
> Eine ganze Generation demonstrierte in Hongkong gegen das Gesetz. Nun | |
> wurde es verabschiedet – zu Lasten der Meinungsfreiheit. | |
Bild: Blick über den Victoria-Hafen in Hongkong | |
Peking taz | Schon einmal wollte Hongkongs Regierung ein ähnlich scharfes | |
Sicherheitsgesetz durchdrücken. Doch im Jahr 2003 zogen hunderttausende | |
Bewohner auf die Straße, ihr Widerstand definierte eine ganze Generation. | |
Nun jedoch – nachdem Peking bereits die Opposition und die | |
Zivilgesellschaft der Finanzmetropole mit Repressionen ausgeschaltet hat – | |
konnte Hongkongs Legislativrat das Sicherheitsgesetz am Dienstag im | |
Eiltempo verabschieden. Die Wahl fiel einstimmig aus: Sämtliche der 89 | |
anwesenden Politiker stimmten dafür – eine Machtdemonstration. | |
Der mittlerweile im britischen Exil lebende Demokratieaktivist [1][Nathan | |
Law], einst jüngster Abgeordneter Hongkongs, fühlt sich von der Prozedur an | |
die Wahl Xi Jinpings in Peking erinnert: „Ein einstimmiger Beschluss ohne | |
Einwände – was für ein Witz. Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, | |
dass es in der Gesellschaft eine Menge Widerstand gegen ein so umstrittenes | |
Gesetz geben muss“. Die Regierung würde dies jedoch nicht stören, weil sie | |
das Volk gar nicht mehr vertrete. | |
Deren Oberhaupt John Lee sah dies freilich ganz anders. Voller Pathos trat | |
der 66-Jährige vor die Presse, um das Gesetz zu preisen: „Heute ist ein | |
historischer Moment in Hongkong, ein historischer Moment, auf den wir 26 | |
Jahre, acht Monate und 19 Tage gewartet haben“, so der Peking-Loyalist. | |
„Wir werden den Erwartungen der Zentralregierung unseres Landes gerecht“. | |
Bei dem Gesetz geht es de facto um eine Verschärfung des nationalen | |
Sicherheitsgesetzes, welches die Zentralregierung in Peking bereits 2020 | |
für Hongkong beschlossen hatte. Neu hinzu kommen nun mehrere Tatbestände, | |
darunter Verrat, Aufruhr, Diebstahl von Staatsgeheimnissen und Spionage. | |
Diese können mit bis zu lebenslänglicher Haft geahndet werden. Das Perfide | |
daran: Die Gesetze sind derart vage formuliert, dass etwa auch kritische | |
Recherchen von Journalisten potenziell als Verstoß gegen Staatsgeheimnisse | |
definiert werden können. Das Gesetz soll bereits am Samstag in Kraft | |
treten. | |
## „Ein weiterer großer Nagel im Sarg“ | |
Von den Vertretern des Pekinger Verbindungsbüros in Hongkong kamen | |
lobpreisende Glückwunschbotschaften. Hongkong sei weiterhin „ein Paradies | |
für Unternehmensgründungen“, welches in Zukunft noch mehr Talente und | |
Investitionen anziehen werde, hieß es in einer Stellungnahme. | |
Doch in den meisten Teilen der Welt fiel das Urteil deutlich kritischer | |
aus. So haben dutzende Parlamentarier und Intellektuelle von Südkorea über | |
Malaysia bis hin zur europäischen Union ihr Entsetzen über das | |
Sicherheitsgesetz zum Ausdruck gebracht. | |
Die vielleicht schärfsten, aber auch emotionalsten Worte fand Chris Patten, | |
letzter Gouverneur Hongkongs unter britischer Herrschaft: „Ein weiterer | |
großer Nagel im Sarg gegen die Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit | |
in Hongkong“, so der 79-Jährige. Und: „Warum sollte irgendjemand den | |
Versprechungen des totalitären Regimes von Xi Jinping auch nur irgendetwas | |
glauben? Regierungen und Parlamente auf der ganzen Welt werden das zur | |
Kenntnis nehmen, ebenso wie internationale Investoren“. | |
Die Abkehr westlicher Firmen lässt sich bereits seit 2020 beobachten, doch | |
hat nun noch einmal Fahrt aufgenommen. „Es schmerzt mich das zu sagen, aber | |
Hongkong ist vorüber“, lautete ein erst kürzlich ein in der Financial Times | |
erschienener Gastbeitrag von Stephen Roach, Lehrbeauftragter an der | |
Yale-Universität und ehemaliger Chefvolkswirt von Morgan Stanley. Der | |
Investor verteidigte lange Zeit die Attraktivität Hongkongs, doch sieht | |
diese nun aufgrund der politischen Repressionen von Peking zerstört. | |
## Aktienmarkt dümpelt auf einem Niveau wie vor 27 Jahren | |
Die [2][Kurse] des Aktienmarktes scheinen eine breite Zustimmung zu seinem | |
Urteil zu zeigen: Der Hang Seng Index dümpelt derzeit auf einem ähnlichen | |
Niveau herum wie bereits vor 27 Jahren, als die Briten ihre ehemalige | |
Kronkolonie an Festlandchina übergaben. | |
Was Peking für die [3][Zukunft Hongkongs] vorschwebt, ist eine engere | |
Eingliederung der internationalen Finanzmetropole an die | |
Perlflussdelta-Region rund um Shenzhen und Guangzhou. Doch ohne weitgehende | |
Autonomie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit droht Hongkong seinen | |
besonderen Status zu verlieren und zu einer weiteren, gewöhnlichen | |
chinesischen Metropole zu verkommen. | |
„Es ist ein Rückschlag, aber nicht das Ende“, kommentiert die im Exil | |
lebende Menschenrechtsaktivistin Yaqiu Wang von der Zivilorganisation | |
Freedom House die Lage: „Der Kampf für die Freiheit wird weitergehen“. | |
19 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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