# taz.de -- Linke in der Bundeswehr: Kritische Soldaten gehen aus | |
> Im „Darmstädter Signal“ engagieren sich Soldaten gegen Atomwaffen und | |
> Auslandseinsätze. Am Freitag könnte sich der Arbeitskreis auflösen. | |
Bild: Im Panzer für den Frieden? Die Mitglieder des Darmstädter Signals kämp… | |
Berlin taz | Gäbe es einen Preis für die unbequemste Soldatenvereinigung, | |
mit denen sich deutsche Verteidigungsminister je herumschlagen mussten, | |
dann wäre das Darmstädter Signal (DS) ein heißer Kandidat. Ein Mitglied | |
weigerte sich einst, den Tornado-Einsatz in Afghanistan zu unterstützen und | |
wurde versetzt. Ein anderes Mitglied ignorierte in Kabul | |
völkerrechtswidrige Befehle und bekam eine Disziplinarstrafe. Und ein | |
drittes Mitglied stellte seine Mitarbeit an einer Logistik-Software der | |
Bundeswehr ein, weil deutsche Soldaten US-Kasernen bewachten, während die | |
Amerikaner im Irak einfielen. Den Major schickten die Vorgesetzten für eine | |
Woche in die Psychiatrie. | |
Als Arbeitskreis kritischer Soldaten versteht sich das DS, das zu den | |
interessantesten Gruppierungen der Friedensbewegung gehört: Eine Handvoll | |
Offiziere gründeten das Forum 1983, als die Nato gerade neue Atomraketen in | |
Deutschland stationierte. Seitdem engagiert sich das DS [1][gegen | |
Atomwaffen], Rüstungsexporte und Auslandseinsätze, zeitweise mit über | |
hundert aktiven Bundeswehrangehörigen. Am Freitag könnte damit aber Schluss | |
sein – und das gegen den Willen einiger altgedienter Mitglieder. | |
Das Problem: Dem Arbeitskreis fehlt, genau wie vielen Gruppen der | |
herkömmlichen Friedensbewegung, der Nachwuchs. „Der Großteil der Mitglieder | |
ist überaltert und beteiligt sich nicht an der Arbeit. Im Vorstand sind | |
keine aktiven Soldaten mehr vertreten“, sagt Vorstandssprecher Florian | |
Kling. „Die Kernidee eines Forums für kritische Staatsbürger in Uniform | |
erfüllen wir nicht mehr.“ Kling selbst, Sozialdemokrat, 32 Jahre alt und | |
ehemaliger Jugendoffizier, war der letzte aktive Soldat im Vorstand. Er | |
schied im vergangenen Jahr aus der Armee aus. | |
Die Nachwuchssorgen sind lange bekannt. Schon 2018 warnte Kling intern, | |
dass es so wie bisher nicht weitergehen könne. Weil sich die Situation | |
trotzdem nicht geändert hat, wird er der Mitgliederversammlung des | |
Arbeitskreises an diesem Freitag einen Vorschlag unterbreiten: Das DS | |
selbst soll sich auflösen. Der dazugehörige Förderverein, der bislang die | |
Aktivitäten finanzierte, soll neue Aufgaben bekommen. Er soll die | |
Geschichte des DS dokumentieren und als Förderer bereitstehen, falls sich | |
irgendwann doch wieder aktive Soldaten zusammenschließen. | |
## Ein Generationenkonflikt? | |
Warum es so weit kommen musste? Die Gründe für die Nachwuchsprobleme sieht | |
Kling unter anderem in der Aussetzung der Wehrpflicht. Wer heute zur | |
Bundeswehr gehe, wolle dort Karriere machen und das nicht gefährden, indem | |
er einem kritischen Arbeitskreis beitrete. Dieser Logik zufolge hat die | |
Wehrpflicht früher mehr kritische Geister in die Bundeswehr gespült, die | |
zum Teil über ihren Wehrdienst hinaus hängenblieben. | |
Zudem sieht Kling einen Generationenkonflikt. „Viele der Älteren im | |
Darmstädter Signal kommen mit der heutigen Bundeswehr nicht zurecht und | |
wollen die Rückkehr zu einer Armee der Landesverteidigung. Es war nicht | |
möglich, die Grundposition anzupassen und damit kritische Offiziere | |
jüngeren Alters anzusprechen, die [2][völkerrechtskonforme | |
Auslandseinsätze] nicht ablehnen“, sagt er. In internen Diskussionen ist | |
die Rede vom „Dominanzgebahren“ älterer Mitglieder, die potenzielle | |
Neumitglieder abgeschreckt hätten. | |
Jürgen Rose gehört zu den Älteren in der Vereinigung. Er kam 1977 in die | |
Bundeswehr, legte nach zehn Wochen erstmals Beschwerde gegen seine | |
Vorgesetzten ein und wurde Jahre später zwangsversetzt, weil er sich mit | |
dem Verteidigungsminister Volker Rühe anlegte, indem er öffentlich die | |
Wehrpflicht kritisierte. | |
Den Generationenkonflikt sieht auch er: Die älteren Mitglieder seien | |
während des Kalten Kriegs unter der Voraussetzung in die Bundeswehr | |
eingetreten, dass diese für die Landes- und Bündnisverteidigung da sei. | |
Jüngere Soldaten seien anders sozialisiert und hätten kein generelles | |
Problem mit Auslandseinsätzen. Im Arbeitskreis sind beide Seiten offenbar | |
nicht zusammengekommen. | |
## „Wir sind keine Wattebäuschchenwerfer.“ | |
„Im Darmstädter Signal sitzt ein Haufen alter Veteranen. Die geben allein | |
durch ihre Überzahl die Linie vor. Es kann sein, dass das junge Leute | |
verunsichert“, sagt Rose. „Wir sind keine Wattebäuschchenwerfer.“ Dazu | |
kämen allgemeine Probleme, zum Beispiel, dass junge Menschen heute | |
seltener bereit seien, sich zur Mitarbeit in festen Strukturen zu | |
verpflichten. | |
Trotzdem will er das DS noch nicht aufgeben. Auf der Mitgliederversammlung | |
wird er dafür werben, das Forum weiterzuführen. Den Vorstand von | |
Förderverein und Arbeitskreis wollen er und ein Major a. D. übernehmen. | |
Ihr Argument: Es gebe doch noch eine Chance, an Nachwuchs zu kommen – durch | |
Werbung in den Kasernen. Plakate innerhalb von Bundeswehreinrichtungen | |
seien dem DS bisher selten genehmigt worden. Kürzlich habe sein Mitstreiter | |
aber erstmals Flyer in der Münchner Bundeswehr-Universität aufhängen | |
dürfen. „Mal sehen, wie die Resonanz ist. Vielleicht gibt es einen | |
Schneeballeffekten, wenn einmal Interessenten zu unseren Veranstaltungen | |
kommen und das dann weitererzählen“, sagt Rose. | |
Und immerhin: Eine aktive Soldatin habe der Major a. D. inzwischen | |
geworben. Sie wäre in Zukunft dabei. | |
17 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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