# taz.de -- Kramp-Karrenbauer in Mali: Der „asymmetrische Krieg“ | |
> Die Bundesverteidigungsministerin besucht die Bundeswehr in Mali in einem | |
> aufgeheizten Klima. Malis Armee ist in der Defensive gegen Islamisten. | |
Bild: AKK trägt sich ins Gästebuch der malischen Armee ein | |
BERLIN taz | Für den Besuch einer Bundesverteidigungsministerin bei der | |
Bundeswehr im Ausland gibt es bessere Rahmenbedingungen als die, die | |
Annegret Kramp-Karrenbauer dieser Tage in Mali vorgefunden hat. Ihr | |
Antrittsbesuch beim [1][derzeit größten deutschen Auslandseinsatz] wurde | |
vom größten islamistischen Angriff auf Malis Armee seit Jahren | |
überschattet. | |
Über 60 Soldaten starben nach Regierungsangaben, 85 nach Angaben der für | |
den Angriff verantwortlich zeichnenden Rebellengruppe [2][JNIM] (Gruppe für | |
die Unterstützung des Islams und der Muslime), als zwei Militärbasen im | |
Zentrum des Landes Anfang vergangener Woche überfallen wurden. | |
Es war nicht nur ein Überfall, sondern eine mehrtägige Schlacht. Hauptziel | |
war in der Nacht zum 30. September der Militärstützpunkt Boulkessy, eine | |
Basis der regionalen Eingreiftruppe [3][G5-Sahel]. 100 Kilometer weiter | |
westlich wurde die Armeebasis Mondoro angegriffen. Die Islamisten besetzten | |
beide Basen. | |
Erst am Dienstagmorgen eroberten Spezialkräfte Mondoro zurück, Boulkessy | |
sogar erst am Dienstagabend. Die meisten der dort stationierten Soldaten | |
waren da schon tot, verwundet, entführt oder geflohen. An diesem Montag | |
bekannte sich JNIM zu den Angriffen und verkündete, sie habe große Mengen | |
Rüstungsmaterial erbeutet. | |
„Wir befinden uns im Krieg“, erklärte Malis Präsident Ibrahim Boubacar | |
Keita – in Mali IBK genannt – in einer Traueransprache auf seinem Amtssitz | |
in der Hauptstadt Bamako am Samstag und betonte, dass die Regierung diesen | |
Krieg momentan nicht gewinne. „Boulkessy war eine unserer am besten | |
geschützten Basen“, so der Präsident. „Dass wir uns im Krieg befinden, | |
heißt, dass das, was in Boulkessy geschehen ist, leider nochmal geschehen | |
kann.“ | |
IBK sprach, wie aus der in malischen Medien wiedergegebenen Abschrift der | |
Rede hervorgeht, düster von einem „asymmetrischen Krieg“, ein „Krieg geg… | |
den Antichrist, ein Krieg aus vorprophetischen Zeiten, wo der zufällige Tod | |
nicht auf dem Schlachtfeld eintritt wie beim trojanischen Krieg oder den | |
anderen – wir haben es mit der Herrschaft der Finsternis zu tun, wo der Tod | |
das Ziel ist. In dieser Lage sind unsere Mittel begrenzt.“ | |
## Wie vor dem Putsch von 2012 | |
Diese Worte warfen in der Öffentlichkeit die Frage auf, ob Mali noch eine | |
zurechnungsfähige Regierung hat. Der „asymmetrische Krieg“, so die Zeitung | |
Info-Matin, wüte schließlich schon seit sechs Jahren. Manche Kommentatoren | |
erinnern an den Vorlauf des Militärputsches von 2012, als der damalige | |
Präsident Amadou Toumani Touré (genannt ATT) [4][vom Militär gestürzt] | |
wurde und Mali im Chaos versank. Auch da hatte die Armee zuvor Niederlagen | |
gegen Rebellen erlebt und Soldaten hatten offen Unmut geäußert. | |
ATT, der im Senegal im Exil lebt, war früher selbst General. Seine | |
politische Karriere hatte 1990 mit einem vom Volk bejubelten Putsch gegen | |
einen brutalen Diktator begonnen. Jetzt, rein zufällig, hat er seine | |
Rückkehr nach sieben Jahren Exil angekündigt. | |
Es werde aber keinen neuen Putsch geben, versicherte IBK am Samstag in | |
seiner Ansprache. Er verstehe die Erregung der jungen Soldaten, aber das | |
Land brauche jetzt „Solidarität und Zusammenhalt und kein Geschwafel von | |
Putschnostalgikern“, wie er es ausdrückte. „Kein Militärputsch irgendeiner | |
Art wird in Mali Erfolg haben.“ | |
Der Präsident steht unter Druck. Er wurde [5][2018 wiedergewählt], aber das | |
politische Klima ist seitdem aufgeheizt. Eine Korruptionsaffäre jagt die | |
andere, und die Opposition boykottiert einen „Nationalen Dialog“, den der | |
Präsident ausgerufen hat. | |
Für die meiste Empörung sorgt Korruption im Militär, zumal eine | |
[6][EU-Trainingsmission mit Bundeswehrbeteiligung] eigentlich Malis | |
Streitkräfte professionalisieren soll – wie auch Kramp-Karrenbauer jetzt | |
erneut hervorhob. | |
Mali kaufte vor zwei Jahren zwei Puma-Kampfhubschrauber, aber sie waren | |
noch nie flugfähig. Einer, so sagen in Zeitungsberichten zitierte | |
Oppositionelle, wurde von einem Gebrauchtwarenhändler in Irland gekauft, | |
bar bezahlt und fliegt nicht. Der andere funktioniert auch nicht, obwohl | |
ständig Ersatzteile gekauft werden. Beim Angriff auf Boulkessy konnten sie | |
nicht zum Einsatz kommen, weil der eine flugunfähig herum stand, der andere | |
mit leerem Tank. | |
Vor vier Jahren, so die Opposition weiter, kaufte die Regierung für 88,7 | |
Millionen US-Dollar sechs Kampfflugzeuge in Brasilien – aber nur vier | |
wurden geliefert, ohne Ausstattung und daher nicht einsetzbar. Die nötige | |
Ausbildung von 15 Piloten wurde zu den zehnfachen Kosten verbucht. | |
Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll nun Licht in diese Dinge | |
bringen. | |
8 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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