| # taz.de -- Debatte Bundeswehreinsatz in Mali: Versagen in Bamako | |
| > Das westafrikanische Mali zerfällt immer weiter. Der Einsatz der | |
| > Bundeswehr und finanzielle Versprechen der EU ändern nichts daran. Im | |
| > Gegenteil. | |
| Bild: Ein deutscher Blauhelmsoldat während einer Patrouille in der Stadt Gao i… | |
| Wer durch Malis Hauptstadt Bamako fährt, steckt ständig im Stau. Daran | |
| ändert auch die dritte Brücke, die 2011 eingeweiht wurde, nichts: Verkehr, | |
| Staub und Ruß sind zu Stoßzeiten unerträglich geworden. Bamako dehnt sich | |
| in die Fläche aus. Grund dafür ist nicht nur das Bevölkerungswachstum, das | |
| jährlich bei mehr als drei Prozent liegt. Aufgrund der Krise im Zentral- | |
| und Nordmali drängen zahlreiche Menschen in die Stadt, die weiterhin als | |
| sehr viel sicherer als der Norden, aber auch als Zentralmali gilt. | |
| Dort sind für Terror und Überfälle nicht unbedingt islamistische | |
| Gruppierungen wie al-Qaida und deren Ableger, die vorwiegend im Norden | |
| aktiv sind, verantwortlich. In Mali kommt es wie in zahlreichen anderen | |
| westafrikanischen Staaten vermehrt zu Kämpfen zwischen Ackerbauern und | |
| Viehhirten. Letztere gehören in der Regel der ethnischen Gruppe der Fulani | |
| an. Die Kämpfe eskalieren auch deshalb, weil seit den 2000er Jahren, vor | |
| allem seit dem Zerfall Libyens, unzählige Kleinwaffen in der Region | |
| zirkulieren. | |
| Darüber hinaus entstehen neue lokale Gruppierungen wie die Befreiungsfront | |
| Macina (FLM), deren Anhängerschaft zwar nur auf maximal 200 Kämpfer | |
| geschätzt wird. Dennoch gelingt es diesen, auf lokaler Ebene Anschläge zu | |
| verüben, vor allem aber zu destabilisieren. Darunter mischen sich | |
| bewaffnete Banditen, die Straßen blockieren und Überfälle verüben. | |
| Menschenrechtler gehen davon aus, dass alleine im Jahr 2016 bei mindestens | |
| 385 Anschlägen 332 Personen ums Leben gekommen sind. Davon waren knapp zwei | |
| Drittel Zivilisten. Dabei war bereits im Vorjahr das Friedensabkommen von | |
| Algier unterzeichnet worden. | |
| All das geschieht ausgerechnet in dem Land, in dem der aktuell größte | |
| Einsatz der Bundeswehr stattfindet. Im Rahmen des Minusa-Einsatzes, für den | |
| die Soldaten überwiegend in der Stadt Gao im Norden stationiert sind, kann | |
| diese bis zu 1.000 Soldaten schicken. In Koulikoro, 60 Kilometer nördlich | |
| von Bamako, können für die europäische Trainingsmission (EUTM) weitere 300 | |
| stationiert werden. EUTM läuft bereits seit April 2013 und hatte bis | |
| November 2017 insgesamt 11.419 malische Soldaten trainiert. | |
| ## EU-Nothilfefonds | |
| Bei militärischer Unterstützung alleine bleibt es nicht. Nach einer | |
| folgenschweren Tuareg-Revolution, einem Staatsstreich im März 2012 und der | |
| neunmonatigen Besetzung des Nordens durch verschiedene islamistische | |
| Gruppierungen fließen seit der Wahl von Ibrahim Boubacar Keïta zum | |
| Präsidenten wieder Millionen in das Land. In den Europäischen | |
| Entwicklungsfonds wurden 610 Millionen Euro eingezahlt. Mali ist zudem eins | |
| der fünf Länder, mit denen die EU eine Migrationspartnerschaft hat. Neun | |
| weitere Projekte zur Stabilisierung des Landes werden mit 156,5 Millionen | |
| Euro über den EU-Nothilfefonds finanziert. Laut EU-Informationen habe das | |
| bereits 13.486 Arbeitsplätze geschaffen. | |
| Wer jedoch im Land unterwegs ist, merkt davon nichts. Mali – bis zum Putsch | |
| im März 2012 gerne als „westafrikanische Musterdemokratie“ bezeichnet – | |
| entwickelt sich rückwärts. Selbst laut Weltbank hat die Zahl jener, die | |
| unterhalb der Armutsgrenze leben, von 2010 bis 2013 wieder zugenommen. | |
| Aktuelle zuverlässige Statistiken gibt es nicht, zu spüren ist das in | |
| Bamako aber allerorts. Vor allem junge Menschen sind enttäuscht bis | |
| verbittert. Selbst wer eine Geschäftsidee hat, die nur wenig Anfangskapital | |
| erfordert, findet keine Unterstützung. Vielen jungen Männern gelingt es | |
| nicht einmal mehr, sich als Tagelöhner durchzuschlagen. | |
| Jetzt drängen zusätzlich die Rückkehrer aus Europa und Nordafrika auf den | |
| Markt. Präsident Keïta sagte der Wochenzeitschrift Jeune Afrique kürzlich, | |
| dass alleine aus Libyen 11.000 Menschen zurückgekehrt sind. Dabei gibt es | |
| schon für alle, die geblieben sind, keine Arbeit. Nun bleiben auch die | |
| Rücküberweisungen aus, von denen zahlreiche Familien gelebt haben. Junge | |
| Malier auf der anderen Seite haben aber heute so gut wie keine Chance mehr, | |
| auf offiziellem Weg nach Europa zu kommen, um dort zu studieren oder zu | |
| arbeiten. | |
| ## Staatsverfall | |
| In Mali lässt sich gerade besonders krass der Staatsverfall mit ansehen. | |
| EUTM kann noch so viele Soldaten ausbilden – statistisch gesehen dürfte | |
| mittlerweile wohl jeder Soldat einmal in Koulikoro gewesen sein: Wenn ihnen | |
| das Material, weitere Schulungen und der Armee anschließend das Geld | |
| fehlen, dann wird auch der Kampf gegen die Terroristen nicht gelingen. Wenn | |
| es weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen kommt, wie von verschiedenen | |
| NGOs dokumentiert, dann werden die Soldaten auch weiterhin keine | |
| ausreichende Unterstützung in der Bevölkerung erleben. | |
| Gleiches gilt für die riesigen Summen, die vorwiegend aus der Europäischen | |
| Union nach Mali fließen. Bisher kommen diese bei der Masse der Bevölkerung | |
| nicht an, was viele Bewohner zunehmend verärgert und den Eindruck erweckt, | |
| dass Europa wieder einmal nur redet, aber kein echtes Interesse hat. | |
| In der Verantwortung ist letztendlich aber vor allem die malische | |
| Regierung. IBK, wie der Präsident meist genannt wird, ist heute 72 Jahre | |
| alt und war bei der eilig vorbereiteten Wahl im August 2013 nur eine | |
| Notlösung. Eigene Akzente hat er seit seinem Amtseintritt nicht gesetzt, im | |
| Gegenteil. Gerade ist sein vierter Premierminister zurückgetreten, und | |
| seine Regierung gilt stets als extrem instabil. | |
| Nur selten wird über seinen Vorgänger, den im März 2012 gestürzten Amadou | |
| Toumani Touré, gesprochen, oder über den Putschisten-Führer Amadou Sanogo. | |
| Der sitzt zwar in Haft, doch sein Prozess wird regelmäßig vertagt. | |
| Aufarbeitung, so wirkt es, hat es bisher nur gegeben, wenn es um die | |
| zerstörten Manuskripte in Timbuktu geht, was weltweit für Entsetzen sorgte. | |
| Internationale Gelder und Einsätze können nur begleiten. Die eigentlichen | |
| Änderungen müssen vor Ort geschehen. | |
| 13 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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