# taz.de -- Putsch in Mali: Soldaten übernehmen selbst | |
> Soldaten in Mali haben genug von der Unfähigkeit des Staates, die Tuareg | |
> und Islamisten zu befrieden. Jetzt haben sie offenbar geputscht. | |
Bild: In Bamako werden die Soldaten freudig begrüßt. | |
BERLIN taz | In Mali, wo Tuareg-Rebellen und bewaffnete Islamisten die | |
Armee immer stärker in Bedrängnis bringen und Kämpfe viele Menschen in die | |
Flucht treiben, haben unzufriedene Soldaten offenbar geputscht. | |
Nach heftigen Schusswechseln in der Hauptstadt Bamako am Mittwochabend und | |
der Besetzung des Präsidentenpalasts trat am Donnerstagmorgen ein Leutnant | |
namens Amadou Konaré umgeben von weiteren Uniformierten im Staatsfernsehen | |
auf und verkündete, die Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré sei | |
gestürzt. | |
Ein „Nationalkomitee zur Aufrechterhaltung der Demokratie und zur | |
Wiederherstellung des Staates“ (CNRDRE), geführt von Armeeleutnant Amadou | |
Konaré, habe seine „Verantwortung wahrgenommen“ und die Macht übernommen, | |
hieß es. Die Junta verhängte wenig später in einer zweiten Erklärung eine | |
Ausgangssperre. | |
Das Schicksal des Präsidenten Touré war am frühen Morgen unklar. | |
Außenminister Soumeylou Boubeye Maiga und andere Regierungsmitglieder waren | |
in Haft, erklärten die Putschisten. Berichten zufolge befand sich der | |
Präsident nicht im Palast, als dieser trotz heftiger Gegenwehr seitens der | |
Präsidialgarde in der Nacht an die Meuterer fiel. | |
Die neue Junta erklärte, sie sei in Aktion getreten, weil die alte | |
Regierung das Land nicht gegen bewaffnete Rebellen und Terroristen | |
geschützt habe. Man wolle aber nicht selbst an der Macht bleiben, sondern | |
eine Regierung der nationalen Einheit bilden. Die Verkündung des Putsches | |
war eigentlich schon für den späten Mittwoch abend geplant, aber die | |
Technik im Staatsfernsehen funktionierte zunächst nicht und die ganze Nacht | |
blieb in Bamako völlig unklar, was eigentlich los war. | |
## Stützt der Präsident die Revolte? | |
Bevor sie den Präsidentenpalast besetzten, liefen die Meuterer in Bamako | |
schießend durch die Straßen und erklärten, sie wollten Waffen und Munition, | |
um gegen die Rebellen kämpfen zu können. Man habe die Nase voll von der | |
Unfähigkeit des Staates, hieß es. | |
Dass Malis Armee, der der Präsident entstammt, nicht in der Lage ist, das | |
Staatsgebiet gegen ein paar [1][Hundert Bewaffnete in der | |
Tuareg-Rebellenarmee MNLA (Nationalbefreiung zur Befreiung von Azawad) und | |
den Islamisten der al-Qaida] im Islamischen Maghreb (AQMI) zu verteidigen, | |
weckt bei ATTs Gegnern immer wieder den Verdacht, der Präsident selbst | |
stütze die Revolte. Schon in vergangenen Jahren wurde Malis Präsident immer | |
wieder von Algerien und Mauretanien beschuldigt, die Präsenz von | |
AQMI-Kämpfern auf malischem Gebiet zu dulden. | |
„Die MNLA ist auf Anweisung des Präsidenten einmarschiert“, behauptet zum | |
Beispiel in ihrer heutigen Ausgabe die malische Tageszeitung Le Matin. In | |
einem Kommentar, der sich wie eine Vorlage zum Putsch liest, wirft das | |
Blatt dem Präsidenten vor, sich mit der Rekrutierung von Arbeitslosen als | |
Soldaten zu begnügen, die dann nicht vernünftig ausgebildet würden. | |
Es gebe nicht einmal genug Leute im Militär, die Autos fahren könnten, von | |
Piloten ganz zu schweigen; von der Front aus könne man meist den | |
Generalstab nicht telefonisch erreichen, und der Kampf gegen die Rebellen | |
sei weitgehend die Sache einer Handvoll auf sich gestellter Offiziere. | |
Aufgrund dieser Lage würden zunehmend lokale Selbstverteidigungsmilizen die | |
Initiative ergreifen. | |
Tatsächlich haben Ausschreitungen gegen Tuareg im Süden Malis, | |
Demonstrationen zorniger Angehöriger von Soldaten und die Flucht von knapp | |
200.000 Menschen inner- und außerhalb des Landes haben in den vergangenen | |
Wochen immer wieder den Eindruck erzeugt, Mali stünde kurz vor dem | |
Zusammenbruch. | |
Letzte Woche fiel die Garnisonsstadt Tessalit an die Rebellen. In der Stadt | |
Gao demonstrierten daraufhin wütende Jugendliche gegen die „Teilung des | |
Landes“. Am Montag gab die MNLA bekannt, 28 gewählte Amtsträger und | |
hochrangige Soldaten hätten sich der Rebellion angeschlossen, weil sie „die | |
Massaker der Armee an der friedlichen Bevölkerung von Azawad“ nicht mehr | |
mit ansehen könnten. Sie veröffentlichte die Namensliste auf ihrer Webseite | |
und sagte, viele weitere Namen würden folgen. Das erzeugte im Militär wohl | |
den Eindruck, die Rebellion habe den Staat so weit infiltriert, dass man | |
zum Handeln gezwungen sei. | |
22 Mar 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Konflikt-zwischen-Tuareg-und-Islamisten/!90069/ | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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