# taz.de -- Anschläge und Unruhen in Westafrika: Gaddafis Waffen überall | |
> In Mali rebellieren die Tuareg, in Nigeria bomben Islamisten. Die | |
> Schockwellen des Libyenkonflikts haben sich auf halb Westafrika | |
> ausgeweitet. | |
Bild: Der Boko Haram hat im Dezember 2011 seine blutigste Anschlagsserie in Nig… | |
BERLIN taz | Als die malischen Regierungstruppen am Mittwoch früh in den | |
kleinen Ort Aguelhok vordrangen, machten sie eine makabre Entdeckung: In | |
der verlassenen Militärkaserne befand sich ein Massengrab, darin lagen die | |
Leichen von 41 Soldaten. | |
Die Tuaregkämpfer der Rebellenbewegung MNLA (Nationale Befreiungsbewegung | |
von Azawad) hatten sich in der Nacht aus dem Ort zurückgezogen, den sie | |
einen Tag lang besetzt gehalten hatten, und eine blutige Botschaft | |
hinterlassen. Dann besetzten sie Anderamboukane, ein Dorf nahe der Grenze | |
zu Niger. Die Armeegarnison dort ergriff kampflos die Flucht. So wie am | |
selben Tag in Léré, am anderen Ende von Mali an der Grenze zu Mauretanien. | |
Die Rückzüge seien "taktisch", behauptete ein Militärsprecher. | |
Die MNLA ist die jüngste der immer zahlreicheren bewaffneten Gruppen, die | |
Westafrikas Sahelzone von Mauretanien über Mali bis Niger und den Norden | |
Nigerias unsicher machen. Sie kämpft nach eigenen Angaben für einen eigenen | |
Staat "Azawad" des Wüstenvolks der Tuareg. | |
In Erscheinung trat sie zuerst am 17. Januar mit einem Angriff auf die | |
Stadt Menaka - dort, wo 1990 erstmals Tuareg rebellierten. Damals wurden | |
sie von Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi unterstützt. Heute | |
sind Malis Tuaregrebellen größtenteils Heimkehrer aus dem libyschen | |
Bürgerkrieg, in dem sie für Gaddafi kämpften. | |
## 420.000 Rückkehrer aus Libyen | |
Die Schockwellen des Libyenkonflikts haben sich auf halb Westafrika | |
ausgeweitet. Viele Waffen aus Gaddafis Rüstungsarsenalen, davon sind die | |
Regierungen der Region überzeugt, gelangten zu den islamistischen Gruppen | |
Boko Haram im Norden Nigerias und Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) im | |
Norden Malis und angrenzenden Teilen Mauretaniens, Algeriens und Nigers. | |
Dass Boko Haram in Nigeria zu Weihnachten 2011 seine bisher blutigste | |
Anschlagsserie begann, mit weit über 200 Todesopfern, hängt möglicherweise | |
mit dem Erwerb moderner Waffen aus Libyen zusammen, berichtete eine | |
UN-Kommission am Donnerstag dem UN-Sicherheitsrat in New York. | |
"Boko Haram hat Verbindungen zu AQMI geknüpft, und manche Mitglieder | |
erhielten im Sommer 2011 Ausbildung in AQMI-Lagern in Mali", steht im | |
Bericht der UN-Kommission, der dem Rat vorgelegt wurde. Waffenbestände aus | |
Gaddafis Arsenalen "sind vermutlich in der Wüste versteckt und können an | |
AQMI, Boko Haram oder andere kriminelle Vereinigungen verkauft werden". | |
Erschwerend komme hinzu, dass die Länder der Sahelregion über 420.000 | |
Rückkehrer aus Libyen aufnehmen müssten, zumeist junge Männer ohne Arbeit | |
und Perspektive, und es keinerlei finanzielle Unterstützung für sie gebe. | |
Kein Wunder, dass neuerdings gemeldet wird, Boko Haram rekrutiere in Niger | |
und Tschad. Und AQMI arbeitet auch mit den aus Libyen nach Mali | |
zurückgekehrten Tuaregkämpfern zusammen, berichten Augenzeugen in Orten, wo | |
die MNLA angegriffen hat. | |
Im Sahel gebe es "4.000 Exkämpfer im freien Feld, die sich AQMI andienen | |
könnten", warnte der einstige Tuaregrebellenchef Kaocen Maiga aus Niger | |
diese Woche auf einer Sicherheitskonferenz in Mauretanien. Auf einer | |
anderen Konferenz in Marokko hieß es, Grenzpolizisten in Ländern wie Mali | |
oder Niger verdienten umgerechnet 400 Euro im Jahr und seien daher leicht | |
zu kaufen, damit sie ein Auge zudrücken. | |
27 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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