# taz.de -- Ugandas Hauptstadt im Generalstreik: Afrikanischer Flächenbrand | |
> Inspiriert von Nigeria wollen Ugandas Händler per Generalstreik | |
> niedrigere Zinsen und Strompreise erzwingen. Misswirtschaft und | |
> Korruption sind allgegenwärtig. | |
Bild: Die Hauptgeschäftsstraße in Kampala ist normalerweise stets überfüllt. | |
KAMPALA taz | Edward Baguma sitzt in seinem Auto vor seinem Laden. Sonst | |
verkauft der Händler Mehl, Zucker und Salz in großen Säcken. Jetzt ist sein | |
Geschäft in der ugandischen Hauptstadt geschlossen. "Wir streiken, um die | |
Regierung unter Druck zu setzen, wie in Nigeria", sagt er entschlossen. | |
"Diese Misswirtschaft und Korruption bringt uns sonst noch an den Rand des | |
Bankrotts." | |
Dann zählt er auf, welche Preise sich in Uganda in den vergangenen Monaten | |
alles erhöht haben: für Strom, Benzin, Lebensmittel, Mieten - und zuletzt | |
die Zinsen für Bankkredite. | |
Fast alle Geschäfte in Kampala sind seit Mittwoch zu. Die sonst so belebten | |
Einkaufsstraßen in der Innenstadt sind verwaist, die Läden mit | |
Vorhängeschlössern verrammelt. Die Lastwagen, die sonst Waren aus der | |
Hauptstadt in alle Landesteile liefern, stehen leer in den engen Gassen. | |
Fernfahrer, Geschäftsinhaber und Angestellte hocken gelangweilt vor den | |
Schaufenstern, spielen Karten und debattieren. So wie in Kampala sieht es | |
derzeit ist fast allen Städten Ugandas aus. | |
Den Streik, der zunächst drei Tage dauern sollte, hat der Händlerverband | |
Kacita (Städtischer Händlerverband Kampala) organisiert. Auslöser war der | |
Entschluss der Zentralbank, die Zinsen auf Kredite auf 23 Prozent | |
anzuheben, um der Inflation Einhalt zu gebieten, die mit derzeit rund 30 | |
Prozent so hoch ist wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr. Im Juli 2010 | |
lagen die Zinsen noch bei 13 Prozent. | |
## Enormes Verlustgeschäft für Kreditnehmer | |
Das Problem: Die Zinsen werden nun nachwirkend auch auf bestehende Kredite | |
erhöht. Da die meisten Händler ihre Investitionen mit Krediten | |
vorfinanzieren, bedeutet dies für sie ein enormes Verlustgeschäft. "Wir | |
verlangen von der Regierung, dass sie diese Zinsen senkt", erklärt Manafa | |
Rashid von Kacita. | |
Am Freitag kam eine zweite Forderung dazu: "Die Regierung muss die | |
Stromprobleme in den Griff bekommen", sagt Rashid. Denn just am zweiten Tag | |
des Streiks hob die Strombehörde ERA die Preise um 36 Prozent an, da die | |
Regierung ihr die Subventionen gestrichen hat. Dabei sind Ugandas | |
Strompreise bereits die zweithöchsten in Ostafrika und die Versorgung ist | |
unzuverlässig. | |
Zwischen geschlossenen Geschäften hat auf Kampalas Hauptstraße Jonny | |
Kagembe seine Tür geöffnet. In seiner Bude sind an einem Mehrfachstecker | |
Handys eingesteckt: "Es gibt Strom, da kann ich es mir nicht leisten, | |
meinen Laden zuzumachen", sagt er. Seinen Hauptumsatz macht er mit dem | |
Aufladen von Telefonen. Da es jedoch in Kampala jeden zweiten Tag für rund | |
12 Stunden keinen Strom gibt, "bin ich mittlerweile so arm, dass ich kaum | |
die Schulgebühren für meine Kinder bezahlen kann", seufzt er. | |
## Nicht alle Haushalte bekommen gleichzeitig Strom | |
Bereits im Dezember waren Ugandas Händler auf die Straßen gegangen, um | |
gegen die ständigen Stromausfälle zu protestieren. Sie lieferten sich | |
tagelang Straßenschlachten mit der Polizei. Uganda produziert derzeit so | |
wenig Elektrizität, dass der Netzbetreiber nicht alle Haushalte | |
gleichzeitig beliefern kann. | |
Mittlerweile bemüht sich Präsident Yoweri Museveni höchstpersönlich, die | |
Händler zu beschwichtigen. Sechs Stunden verhandelte er am Donnerstag mit | |
dem Händlerverband Kacita. Für Samstag ist wieder ein Treffen anberaumt. | |
"Der Streik und die Verwirrung wird unserer Wirtschaft schaden", warnte er. | |
Er forderte schon am Donnerstag die Händler auf, ihre Läden zu öffnen. Doch | |
sie blieben zu. | |
Museveni hatte bereits vergangenes Jahr Proteste der Opposition gegen | |
steigende Preise niederschlagen lassen. Doch es scheint, als hätten die | |
Ausschreitungen in Folge des Generalstreiks in Nigeria Museveni davor | |
zurückschrecken lassen, jetzt wieder die Polizei auf die Straßen zu | |
schicken. Denn der Ausstand macht Schule: Professoren der Universität haben | |
sich den streikenden Händlern angeschlossen. | |
Weitere Berufsverbände überlegen, ebenfalls die Arbeit niederzulegen. Ein | |
Generalstreik in Uganda würde auch die regionale Wirtschaft lahmlegen, da | |
viele Kongolesen und Südsudanesen ihre Geschäfte über Kampala abwickeln. | |
13 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Uganda | |
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