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# taz.de -- Energieversorgung in Uganda: Fernseher kaufen lohnt noch nicht
> Der Energiebedarf in Uganda steigt stetig, die Stromversorgung ist
> schlecht. Darunter leidet die Wirschaft. Der Bujagali-Damm soll helfen –
> doch so einfach ist das nicht.
Bild: Vor wenigen Wochen ging die erste 50-Megawatt-Turbine am Bujagali-Staudam…
KAMPALA/BUJAGALI taz | Der Flachbildschirm, den Morley Beykkiaso begeistert
von allen Seiten begutachtet, kostet 2,6 Millionen ugandische Schilling,
umgerechnet über 800 Euro. „So ein Fernseher war schon immer mein Traum“,
schwärmt er.
Der 45-jährige Ugander steht in einer der zahlreichen Shopping-Malls, die
jüngst in der Hauptstadt Kampala eröffnet haben. Er ist Fußballtrainer und
typisch für Ugandas rasant wachsende Mittelklasse, die hier ihre
Einkaufswagen volllädt: Wasserkocher, Toaster, Staubsauger, Kühlschränke,
Waschmaschinen, DVD-Player. Beykkiaso ist mit seinem Mittelklasseauto
gekommen, um den gigantischen Flachbildschirm in sein Vorstadtreihenhaus zu
fahren.
Doch er ist unschlüssig: „Ich weiß nicht, ob sich die Anschaffung lohnt –
bei all den Stromausfällen.“ Schließlich geht er mit leeren Händen davon:
„Vielleicht warte ich, bis der Staudamm genug Strom produziert und ich
endlich zu Hause Fußball gucken kann“, sagt er.
## Keine Klimaanlage
In Kneipen und im Parlament wird über die ständigen Stromausfälle
gestritten, es gibt Streiks und Krawall. Internetcafés, Restaurants oder
Elektroläden müssen sich Generatoren zulegen.
Die Regierung sei sich der brenzligen Situation durchaus bewusst, sagt
Energiestaatsminister Simon Dujanga: „Die Energieknappheit bremst unser
Wirtschaftswachstum gewaltig.“ Der große Mann reißt in seinem Büro in der
Mittagshitze die Fenster auf. Auch in seinem Ministerium entlang der
staugeplagten Hauptstraße gibt es an diesem Tag keinen Strom. Die
Klimaanlage bleibt aus, der Computer funktioniert nur mittels einer
Back-up-Batterie. Die Situation ist schwierig, sagt Dujanga: Der reale
Energiebedarf des Landes liege bei rund 450 Megawatt. Die beiden Staudämme
am Nil produzierten jedoch derzeit gerade einmal 120 Megawatt.
Vor knapp sieben Jahren hatte die Regierung die britische Firma Aggreko
angeheuert, die binnen zwei Wochen Dieselgeneratoren installierte. Sie
liefern 100 Megawatt. Die Regierung übernahm 60 Prozent der Kosten. Als
jedoch der Ölpreis in die Höhe schnellte, war klar: Uganda kann sich die
Subvention dieser Generatoren nicht länger leisten. Doch das Land steckt in
einem Dilemma: „Jede paar Wochen steigt der reale Energiebedarf um knapp
fünf Megawatt“, sagt der Minister.
Im Januar erhöhte die Energiebehörde ERA auf einen Schlag die Stromtarife
um 36 Prozent. Ugandas Händlerverband, ohnehin frustriert über steigende
Zinsen für Kredite, rief zum Streik auf. Drei Tage lang waren alle
Geschäfte in den Großstädten geschlossen.
Jetzt hat das Land eine neue Hoffnung: Der Bujagali-Staudamm unterhalb der
Nilquelle des Victoriasees im Herzen Afrikas, rund 100 Meter östlich von
Kampala, liefert seit Kurzem Elektrizität. Vor 16 Jahren hatte die
Regierung beschlossen, das Wasserkraftwerk zu bauen. Vor wenigen Wochen
ging die erste 50-Megawatt-Turbine endlich ans Netz. Wo einst
Wildwasserkanuten und Rafter durch die Stromschnellen des Nils brausten,
steht nun ein 30 Meter hoher Betonwall.
## Das größte Wasserreservoir der Welt
Mit Schutzhelm und orangener Weste bekleidet, stapft Chefingenieur Glenn
Gaydar in Bujagali den Kiesweg entlang, der auf die Staumauer hinaufführt.
Dem US-Ingenieur steht die Begeisterung ins Gesicht geschrieben: Rechter
Hand tost unter ihm der gewaltige Fluss durch die noch offenen Schotten des
Damms. Gischt spritzt auf. Regenbogen glitzern in der Mittagshitze. Linker
Hand schwappt das ruhige Wasser vom Victoriasee her gegen die Staumauer.
„Wir haben hier das größte Wasserreservoir der Welt“, lacht der Amerikaner
und blickt auf den aufgestauten See hinaus. Im Juli sollen alle fünf
Turbinen installiert sein. Dann könnte der Damm bis zu 250 Megawatt
produzieren.
Über diese Zahlen wird beinhart diskutiert. Das Projekt war schon immer
umstritten: Bereits in den 90er Jahren verhandelte Ugandas Regierung mit
ausländischen Firmen über den Bau des Kraftwerks. Nach Skandalen um die
Ausschreibung zog die Weltbank sich 2002 zurück.
Drei Jahre später lag das Projekt erneut auf dem Tisch. Dieses Mal vergab
die Regierung den Auftrag an ein internationales Konsortium: Die Bujagali
Energy (BEL) soll das Projekt 30 Jahre lang betreiben und dann der
Regierung überschreiben. Es ist der erste Damm in Afrika, der von
Privatfirmen errichtet und betrieben wird.
## Problem Wasserknappheit
Doch bei Umweltschützern und Nichtregierungsorganisationen ist der Damm
umstritten – trotz der internationalen Expertise. Dickens Kamugisha, Chef
von Afiego (Afrika Institut für Regierungsführung in Energiefragen) sitzt
in seinem Büro in der Hauptstadt vor einem Stapel von Berichten über
Ugandas Energiesektor. Öl, Solarenergie, Thermogas – die Optionen seien
vielfältig, sagt er. Der Energieexperte blättert durch den jüngsten
Untersuchungsbericht und deutet auf die Unterschriften: Präsident Yoweri
Musevenis jüngerer Bruder, Salim Saleh, hat die Recherche geleitet. „Ein
eindeutiger Beweis, dass das Energieproblem als höchste Chefsache behandelt
wird.“
Der Bericht zeigt große Mängel auf: 36 Prozent der produzierten Strommenge
gingen auf dem Weg zum Endverbraucher verloren, steht da. Grund: Das
Stromnetz ist veraltet. Zudem wird viel Strom illegal abgezapft. „Wir
können hunderte Dämme bauen und würden dennoch stets 30 Prozent der
gewonnenen Energie verlieren“, klagt Kamugisha. Die Regierung müsse zuerst
Korruption und Missmanagement reduzieren, fordert er. Wie andere auch
bezweifelt Kamugisha, dass der Damm jemals die versprochenen 250 Megawatt
leisten kann: „Vielleicht gerade einmal die Hälfte“, schätzt er.
Unzufrieden ist auch Frank Muramuzi, Direktor der Umweltschutzorganisation
Nape (Verband Professioneller Ökologen): Er sitzt im Schatten der Bäume im
Garten des Bürohauses von Nape. Schweiß läuft über seine Wangen. Es ist
heiß und staubig. Wochenlang hat es wieder nicht geregnet. „Der
Wasserspiegel des Victoriasees sinkt seit vielen Jahren stetig“, sagt der
Umweltschützer.
## Das Wasser reicht nicht
Der Damm verschlimmere die Situation noch. Grund: Um 250 Megawatt zu
produzieren, müsse man 1.500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die
Turbinen jagen. Der natürliche Wasserabfluss aus dem See liegt jedoch bei
nur rund 800 Kubikmeter pro Sekunde, berichtet Muramuzi. Also muss der See
zusätzlich angezapft werden.
Bei seinem Spaziergang auf der Staumauer wischt Chefingenieur Gaydar die
Kritik vom Tisch. „Wir steuern die Kapazität je nach Bedarf“, erklärt er
und zeigt auf die Schotten unter ihm. „Nachts benötigen die Ugander wenig
Strom, weil sie schlafen“, sagt Gaydar. „Dann reduzieren wir die Produktion
auf 60 bis 80 Megawatt.“ Tagsüber und vor allem in den frühen Abendstunden,
wenn es am Äquator gegen 19 Uhr dunkel wird, sei der Bedarf höher:
„Zwischen 19 Uhr und Mitternacht können wir die Turbinen auf Maximum laufen
lassen, um die dann benötigten 250 Megawatt zu produzieren.“
Gaydar zeigt auf den Stausee: Bei voller Turbinenleistung sinke der
Wasserstand um zwei Meter, bei niedriger Leistung steige er wieder. „Der
Stausee ist wie eine Batterie, die sich stets wieder auffüllt“, sagt er und
fügt hinzu: „Wir haben dieses Phänomen wohl nicht ausreichend kommuniziert,
deswegen gehen die Gerüchte herum, der Damm produziere nur 120 bis 150
Megawatt. Dabei ist das der tägliche Durchschnittswert.“
Allerdings, räumt auch er ein, sind der Wasserkraft Grenzen gesetzt:
„Uganda muss sich nach Alternativen umsehen“.
Das hören Präsident Yoweri Museveni und die Technokraten im
Energieministerium gar nicht gern. In Ugandas Schaltzentralen der Macht
wird bereits an einem neuen Dammprojekt gefeilt: an den Karuma-Wasserfällen
in Norduganda. Sogar Ugandas berühmteste Touristenattraktion, die
Murchinson-Fälle, steht zur Disposition. Es muss schnell gehen. Die
Regierung rechnet mit einem realen Energiebedarf von 3.500 Megawatt bereits
in drei Jahren. „Sonst“, so Energieminister Dujanga, „gehen in Uganda
wieder die Lichter aus.“
25 Apr 2012
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Uganda
Uganda
Uganda
Schwerpunkt Klimawandel
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