# taz.de -- Kolumne Nebensachen: Weihnachtszeit ist Diebeszeit | |
> Wenn in Kampala Gewaltverbrecher zuschlagen, obwohl nebenan ein General | |
> wohnt, kann die Polizei natürlich nichts machen. Sonst auch nicht. | |
Bild: Nicht immer ist es sicher in den Straßen von Kampala. | |
Meine Wohngegend in Ugandas Hauptstadt Kampala galt bislang als sicher: ein | |
Multikulti-Studentenviertel neben der Internationalen Universität. Mein | |
Nachbar ist General in der Armee, bewaffnete Leibwächter patrouillieren. | |
Doch seit Wochen liegt das Viertel nachts im Dunkeln, weil die Stromfirma | |
sich Zeit lässt mit der Reparatur. | |
Weihnachtszeit ist Hochsaison für Kriminelle. Im Advent werden vermehrt | |
Handtaschen geklaut, wird in Häuser eingebrochen, werden Geschäfte | |
überfallen – arbeitslose Jugendliche machen ihr Weihnachtsgeschäft. Die | |
Polizei drückt entweder ein Auge zu, um einen Anteil zu kassieren, oder | |
heuert die Diebesbanden selbst an. Ihre Gehälter wurden seit Monaten nicht | |
ausbezahlt. | |
Nie hätte ich mir träumen lassen, Opfer der Weihnachtskriminalität zu | |
werden. Zu hoch ist das Risiko, hatte ich gedacht, von den Soldaten nebenan | |
erwischt zu werden. Die haben Schießbefehl. Bis mich direkt vor dem Hoftor | |
ein Mann mit einem Messer angriff und meine Handtasche klaute. Die | |
Leibwächter waren nicht da. Pech, Zufall oder Absicht? | |
## Nicht das erste Opfer | |
Ich fuhr zur örtlichen Polizeistation, zeigte meine Wunden, wollte Anzeige | |
erstatten. Die Beamten schickten mich weg. Es war 23 Uhr, ich solle am | |
nächsten Tag wiederkommen. Am nächsten Morgen musste ich einem Beamten | |
„Benzingeld“ geben, damit er sich den Tatort ansah. Er stellte fest, man | |
kenne die Bande, ich sei nicht das erste Opfer: Eine Nachbarin wurde | |
vergewaltigt, ein Nachbar bewusstlos geschlagen und ausgeraubt, ein anderer | |
hatte ein Messer an der Kehle. | |
Die Anzeige kostete mich umgerechnet fast 50 Euro. Die auszufüllenden | |
Formulare musste ich selbst kopieren. Ermittlungen, Täterbeschreibung – | |
Fehlanzeige. Meine Anzeige verschwand in einem verstaubten Archivschrank, | |
und ich traute mich wochenlang nach Einbruch der Dunkelheit kaum hinaus, | |
während weiter Diebe unterwegs waren. | |
## Stacheldraht um den Hals | |
So wie in der Nacht, in der ich von schimpfenden und grölenden Menschen | |
geweckt wurde. Ein Mann schrie so laut, als würde er zu Tode gequält. | |
Männer aus der Nachbarschaft hatten einen Dieb in flagranti erwischt. Sie | |
traten und schlugen ihn mit Stöcken. Er gestand zahlreiche Diebstähle und | |
auch die Vergewaltigung. Der Mob würgte ihn mit Stacheldraht, bewarf ihn | |
mit Steinen – bis er starb. Den Stacheldraht um seine blutende Kehle | |
geschnürt, zerrten sie ihn am nächsten Morgen durch die Nachbarschaft: eine | |
Warnung an Diebe, ein Triumphzug der Selbstjustiz. | |
Wieder ging ich zur Polizei. Eine Beamtin gähnte und sagte: „Was wollen Sie | |
denn noch, Madame? Das Viertel ist doch wieder sicher. Da wird sich jetzt | |
kein Dieb mehr reintrauen.“ | |
24 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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