# taz.de -- Flüchtlingselend in Uganda: Von "Klein-Kigali" nach "Neu-Kongo" | |
> Ab 2012 erkennt die UNO geflohene Ruander nicht mehr kollektiv als | |
> Flüchtlinge an. Ruandische Bewohner des UN-Lagers Nakivale in Uganda | |
> müssen gehen. | |
Bild: Ein Hutu-Junge aus Ruanda in einem Flüchtlingslager in Uganda im Jahr 19… | |
NAKIVALE taz | "Klein-Kigali" besteht aus Hunderten kleinen Lehmhütten mit | |
Stroh- oder Wellblechdächern entlang einer staubigen Straße. Dazwischen | |
grasen Rinder und Ziegen, junge Männer zerlegen ein kaputtes Motorrad in | |
Einzelteile. Sie diskutieren auf Kinyarwanda, die Sprache der Ruander. In | |
dieser Siedlung im hintersten Winkel von Ugandas größtem Flüchtlingslager | |
Nakivale, benannt nach Ruandas Hauptstadt Kigali, leben seit bis zu 17 | |
Jahren Tausende ruandische Flüchtlinge, mehrheitlich Hutu. | |
Ende des Jahres läuft der vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR | |
garantierte Flüchtlingsstatus für Ruander aus. Für die knapp 12.000 Ruander | |
in Ugandas Lagern bedeutet dies: Sie haben bis spätestens 30. Juni 2012 | |
Zeit, ihre Habseligkeiten zu packen und zurück in ihre Heimat zu gehen. | |
Dies haben die ruandischen und ugandischen Flüchtlingsminister mit dem | |
UNHCR entschieden. | |
Der Grund: Die über 200.000 Flüchtlinge aus den konfliktreichen | |
Nachbarländern wie Kongo und Sudan sind für Uganda einfach zu teuer. 75 | |
Millionen kostet deren Versorgung jährlich, so UNHCR. Ruanda gilt als | |
vergleichsweise stabil, deswegen sollen die Ruander jetzt nach Hause. | |
Nun herrscht Panik in Klein-Kigali. Theoneste Muhire macht ein besorgtes | |
Gesicht. Der Verkäufer steht in seinem kleinen Laden hinter dem Tresen, | |
über ihm hängen Plastiktüten voller Gebäck von einer Wäscheleine, neben ihm | |
stapeln sich Säcke mit Salz, Zucker, Mehl und Mais. "Ich habe Angst, | |
zurückzugehen", gibt der Vater von fünf Kindern zu. | |
Der Sohn eines Tutsi-Vaters und einer Hutu-Mutter verließ seine Heimat nach | |
dem Völkermord an bis zu 800.000 Tutsi 1994. Bis 2001 lebte er in einem | |
Flüchtlingscamp in Tansania. Dann kehrte er nach Ruanda zurück. "Dort | |
beschuldigte mich die Regierung, mit den Hutu-Rebellen im Kongo zu tun zu | |
haben, weil mein Bruder im Kongo lebt", berichtet Muhire. So packte er | |
wieder seine Sachen und ging nach Tansania zurück. | |
## Zu Fuß nach Uganda | |
Als Tansania 2009 alle burundischen und ruandischen Flüchtlinge aus dem | |
Land warf, marschierte Muhire zu Fuß über die Grenze nach Uganda. "Ich | |
würde alles dafür tun, nicht nach Ruanda zu müssen", sagt er. "In Ruanda | |
gibt es keine Menschenrechte." | |
Die Frauen vor Muhires Gemischtwarenladen nicken zustimmend. Die meisten | |
sind Hutu, doch auch einige Tutsi sind darunter. "Wir kommen hier im Lager | |
gut miteinander aus", erklären sie. "Wir gehen lieber in den Ostkongo als | |
in unsere Heimat zurück. Erst wenn die Regierung wechselt, können wir nach | |
Ruanda zurück." Unter dem autoritären Regime von Präsident Paul Kagame | |
würden sie sich nicht sicher fühlen, sagen sie und berichten von Gerüchten | |
über Folter und unmenschlichen Zuständen in den Gefängnissen. | |
Im Juli 2010 sollten die Ruander von Nakivale schon einmal nach Hause. | |
Ugandas Polizei kam in Begleitung von ruandischen Soldaten mit | |
Militärtransportern. Sie befahlen 1.700 Ruandern, auf die Lastwagen zu | |
steigen. Es kam zur Massenpanik. Warnschüsse wurden abgefeuert. Kinder | |
verloren im Chaos ihre Mütter. Unter Zwang wurden die Flüchtlinge über die | |
Grenze nach Ruanda gebracht. Zwei Männer versuchten, vom fahrenden | |
Lastwagen zu springen und starben an ihren Verletzungen. | |
Das soll sich nicht wiederholen, aber Solange Mukamana ist vorsorglich von | |
Klein-Kigali in die benachbarte Siedlung "Neu-Kongo" umgezogen. Dort lebt | |
die Ruanderin unter kongolesischen Flüchtlingen. Die 20-jährige Tutsi war | |
während des Völkermordes 1994 als Kind mit ihren Eltern in den Ostkongo | |
geflüchtet, lebte dort jahrelang in der Kleinstadt Rutshuru. | |
Dann überfielen 2010 die ruandischen Hutu-Rebellen der FDLR (Demokratische | |
Kräfte zur Befreiung Ruandas) die Gegend. Mukamana floh erneut, nach | |
Uganda, und gab sich beim UNHCR als Kongolesin aus. "Ich will einfach nie | |
wieder nach Ruanda zurück und die Kongolesen werden ja wegen des Krieges | |
vorerst nicht weggeschickt", erklärt sie. | |
29 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
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