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# taz.de -- Bestechungsaffäre in Uganda: Ein Schmierenstück der Extraklasse
> Mit 100 Millionen Dollar soll eine britische Ölfirma drei Minister in
> Uganda bestochen haben. Deren Kontoauszüge werden im Parlament
> präsentiert. Und im TV.
Bild: Verliert aktuell wohl drei Favoriten auf seine Nachfolge: Ugandas Präsid…
KAMPALA taz | Es war ein bisschen wie eine Schockstarre, in welcher die
Ugander in den vergangenen Tagen in Straßencafés und Kneipen gebannt auf
den Fernseher stierten. Was dort live vom staatlichen Fernsehsender
übertragen wurde, war einfach ungeheuerlich: Ein junger unabhängiger
Abgeordneter steht am Rednerpult des Parlaments und wedelt mit Dokumenten.
Gerald Karuhanga, Jugendvertreter aus Westuganda - den bislang fast niemand
kannte –, redet voller Selbstvertrauen und klagt drei der mächtigsten
Männer des Landes der Korruption an. Rigoros verlangt er deren Rücktritt.
Vor ihm sitzen eben diese gestandenen Minister: Außenminister Sam Kutesa,
Premierminister Amama Mbabazi und Exenergieminister und jetziger
Innenminister Hillary Onek – alle drei bislang unantastbare Schwergewichte,
enge Vertraute von Präsident Yoweri Museveni und dessen aussichtsreichste
potenzielle Nachfolger.
Doch Kutesa schwitzt, als Karuhanga die Beweise auf den Tisch legt: Auszüge
von Kutesas Konto bei der African Development Bank, an welcher dieser auch
Anteile hält, vom Juni und Juli 2010. Die eingehenden Summen sind horrend:
500.000 Euro am 4. Juni, 1,5 Millionen an 10. Juni, weitere 1,5 Millionen
am 21. Juni, 5 Millionen Euro am 6. Juli, 3,5 Millionen Euro am 8. Juli.
Die Aufzählung geht in einem fort.
Insgesamt 17,5 Millionen Euro soll der Außenminister als Schmiergeld von
der an der Londoner Börse gelisteten Ölfirma Tullow erhalten haben.
Ex-Ölminister Onek sei mit 5,6 Millionen bestochen worden. Insgesamt, so
die Anschuldigung, habe Tullow bis zu 100 Millionen Dollar Bestechung
bezahlt, um im vergangenen Jahr die Erschließungslizenzen der kanadischen
Firma Heritage zu übernehmen.
## Erste Hinweise auf Wikileaks
Dass Ugandas Öldeals mit Zuwendungen in private Taschen abgewickelt wurden,
das war fast jedem klar. Immerhin wurde um die Verträge jahrelang ein
Geheimnis gemacht. Selbst die Abgeordneten im Energieausschuss hatten
bislang keinen Einblick. Präsident Museveni hatte die Ölgeschäfte zur
Chefsache erklärt. Doch bereits Wikileaks hatte im Dezember 2010 erste
Hinweise auf Schmiergelder im Ölgeschäft an den damaligen Innenminister
Mbabazi geliefert, der nach den Wahlen im Februar 2011 zum Premierminister
aufstieg.
Ugandas Ölvorkommen sind noch nicht ganz erschlossen. Seit 2006 finden im
Albertinen-Graben an der Grenze zur DR Kongo Probebohrungen statt. Auf zwei
Milliarden Barrel werden die Vorräte dort geschätzt. Damit würde Uganda
unter die 50 ölproduzierenden Staaten aufsteigen. Die irische Firma Tullow
hat seit der umstrittenen Lizenz-Übernahme von Heritage im
Albertinen-Graben im vergangenen Jahr drei Blöcke für Probebohrungen zur
Verfügung.
Tullow äußert sich zunächst nicht zu den Anschuldigungen. Mbabazi verlas
jedoch zu seiner eigenen Verteidigung im Parlament einen Brief des
Tullow-Chefs Aidan Heavey: "Die Anschuldigungen sind falsch und scheinen
von einem Missverständnis herzurühren, wie die globale Öl- und Gasindustrie
arbeitet." Tatsächlich zählte Tullow bislang eher zu den "Saubermännern" in
der Ölbranche. Jetzt aber ermittelt Scotland Yard gegen Tullow.
Tatsächlich stellt sich in Uganda die Frage, wie die erschütternden Beweise
in die Hand eines jungen unabhängigen Abgeordneten gelangten, der bislang
als Nobody galt. Die Gerüchteküche brodelt: Sind die Kontoauszüge
gefälscht, um potenzielle Museveni-Nachfolger kaltzustellen? Sind sie
original und wurden Karuhanga absichtlich von jemandem zugespielt? Wie auch
immer dieser Skandal zutage kam, er ist ein Wendepunkt in Ugandas Politik
und das politische Aus für gleich drei potenzielle Nachfolger von Museveni,
der seit 26 Jahren regiert und sich aus diesem Skandal geschickt
heraushält.
Nach zwei Tagen hitziger Debatte beschloss Ugandas Parlament schließlich,
alle anstehenden Verkaufsverhandlungen zwischen Tullow, Chinas CNOOC und
Total auszusetzen, bis die Sache geklärt ist. Es dürfen keine neuen
Geschäfte abgewickelt werden, bis das ausstehende Öl-Gesetz in Kraft ist.
Ein Untersuchungsausschuss soll eingesetzt werden. Minister Onek hat seinen
Rücktritt eingereicht. Ugandas Öl-Blase scheint erst einmal geplatzt. Aber
immerhin, es war großartiges Reality-TV!
12 Oct 2011
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Journalismus
Uganda
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