# taz.de -- Informationsfreiheit in Uganda: Der die schlafenden Hunde weckt | |
> Der Journalist Edward Sekyewa berichtet über Korruption in Uganda. Für | |
> seine Enthüllungen hat er schon dutzende Behörden verklagt. | |
Bild: „Sie wollen mich frustrieren“: Ronald Sekyewa steht im Gerichtssaal, … | |
KAMPALA taz | Als Edward Sekyewa das Gericht betritt, muss er viele Hände | |
schütteln. Der ugandische Journalist geht in dem alten Kolonialgebäude | |
mitten im Herzen der Hauptstadt Kampala fast täglich ein und aus. Ob | |
Staatsanwälte, Richter, Verteidiger, oder Gerichtshilfen – sie alle kennen | |
mittlerweile den 39-Jährigen mit der Brille und dem stetigen Lachen. Denn | |
was Journalist Sekyewa hier jeden Tag treibt, das hat ihn mittlerweile in | |
Kampala jenseits der Juristenzirkel bekannt gemacht. | |
Sekyewa wagt, was sich in Uganda noch keiner getraut hat: Er verklagt eine | |
staatliche Behörde nach der anderen, um Informationen zu erhalten, die | |
niemals in der Öffentlichkeit erscheinen sollten. Er will herausfinden, in | |
welchen schwarzen Löchern Steuer- und Hilfsgelder versacken. Er will die | |
enorme Korruption innerhalb des Staatsapparats aufdecken. Ein riskantes | |
Unterfangen. | |
Es herrscht das übliche Durcheinander in dem alten Gerichtsgebäude im | |
Stadtteil Mengo in Kampala. Sekyewa zwängt sich durch die Menschentraube | |
vor zum schwarzen Brett, wo die Termine aushängen. Doch da kleben noch | |
immer die Aushänge vom vergangenen Tag. „Das ist mal wieder typisch – das | |
totale Chaos hier“, flucht der Ugander auf Deutsch. Er hat 16 Jahre in | |
Berlin gelebt, an der Freien Universität Journalistik studiert, nachts in | |
einem Jugendhostel am Alexanderplatz gejobbt. 2008 war seine | |
Aufenthaltserlaubnis abgelaufen, und er kehrte nach Uganda zurück. Dass er | |
in seiner Heimat den Staat vor Gericht zerren würde – das hätte er sich bei | |
seiner Ankunft nie vorstellen können. | |
Jetzt ist es so weit: „Der Fall Edward Sekyewa gegen die Nationale | |
Forstbehörde in Gerichtssaal 3, bitte“, ruft die Gerichtsprotokollantin. | |
Sekyewa horcht auf. „Das sind wir“, sagt er und erblickt einen seiner | |
Anwälte in der Menschentraube. Noch bevor er diesen grüßen kann, fällt | |
erneut sein Name: „Der Fall Sekyewa gegen die staatliche Universität, auch | |
in Saal 3“. Der Journalist guckt überrascht: „Ach, dass der Fall heute auch | |
ansteht, das hatte ich schon fast vergessen“, sagt er und lacht. | |
## Stetig verschlimmert sich die Korruption | |
Sekyewa ist immer ein fröhlicher Mensch. Man merkt ihm an, dass er mit | |
Leidenschaft dabei ist. Bei knapp 60 Fällen, die Sekyewa derzeit | |
bestreitet, kann man schon mal einen vergessen. | |
Uganda liegt auf dem Korruptionsindex der Organisation Transparency | |
International derzeit auf Platz 142 von 175 – und rutscht jährlich stetig | |
nach unten. | |
Als Sekyewa 2008 nach Uganda zurückkehrte, wurden gerade die ersten | |
Ölbohrungen im Westen des Landes unternommen. Internationale Konzerne | |
erhielten Lizenzen. | |
Gerüchte kursierten: Hochrangige aus der Regierung hätten heimlich genau | |
die Ländereien erstanden, wofür die Konzerne Entschädigungen bezahlen | |
sollten. Korruption in großem Stil. | |
Doch Sekyewa war auch entsetzt über das Ausmaß der Korruption innerhalb der | |
Behörden. „Es ist scheinbar normal, dass ich jemanden bestechen muss, wenn | |
ich ein Nummernschild für mein Auto will oder eine Baugenehmigung für mein | |
Haus“, sagt er und schüttelt ungläubig den Kopf. Noch viel schlimmer fand | |
er, dass „die Bürger das einfach hinnehmen und sich mitschuldig machen“. | |
Das wollte er ändern. | |
## Monatliches Protokoll | |
Sekyewa gründete mit Kollegen ein unabhängiges Monatsmagazin, den Kampala | |
Dispatch, der sich auf Korruptionsfälle spezialisierte. Geprägt durch sein | |
Berliner Studium, stürzte er sich in die Skandale und fing an zu | |
recherchieren. Ugandas relativ freie Medienlandschaft ließ zwar ein | |
gewisses Maß an investigativem Journalismus zu, doch um die Betrugsfälle | |
hart zu kriegen, mangelte es an handfesten Beweisen. Sekyewa stellte | |
Anfragen beim Katasteramt, bei der Umweltbehörde, beim Straßenbauamt – doch | |
nie bekam er genau diese Informationen, nach denen er suchte. Sie | |
ignorierten die Anfragen absichtlich. „Es kam mir so vor, als wollte keiner | |
schlafende Hunde wecken“, sagt Sekyewa. | |
Ugandas Verfassung sieht vor, dass jeder Bürger das Recht habe, | |
Informationen von Behörden und staatlichen Organen einzufordern, solange | |
diese nicht die Sicherheit des Staates oder die einer anderen Person | |
gefährden. Dieses Gesetz war 2006 in Kraft getreten – doch das kommt nach | |
Sekyewas Erfahrung nur selten zur Anwendung. Als Journalist hatte er sich | |
immer wieder darauf berufen. | |
Anfang 2014 war er zum ersten Mal vor Gericht gezogen: Er wollte wissen, | |
wer die Grundstücke gekauft hatte, auf denen Ölbohrtürme errichtet wurden. | |
Damals bezog er sich auf ein Gesetz von 2002, das alle Staatsangestellten | |
verpflichtet, ihr Vermögen und das ihrer Angehörigen zu erklären. Doch | |
seine Anfragen beim Generalinspektor waren daran gescheitert, dass die | |
vorgesehenen Formulare, womit sich die Auskünfte einholen lassen sollen, | |
nie gedruckt worden waren. Daraufhin hatte er den Generalinspektor | |
verklagt. „Das Verfahren ist eingefroren, sie wollen mich frustrieren, | |
damit ich aufgebe“, sagt Sekyewa. | |
Der Journalist weiß: Das ist Teil der Strategie. Und deswegen gibt er nicht | |
auf. Im Gegenteil: Aus dieser Erfahrung heraus ist die Idee entstanden, ein | |
Thinktank zu gründen – den Hub für Investigative Medien, kurz: HIM, das ihn | |
mit der nötigen Infrastruktur, Mitarbeitern und Geld ausstattet, um all die | |
Klagen bis zum Ende durchzuziehen. | |
## Im Handumdrehen gewonnen | |
Dank internationalen Geldern kann sich Sekyewa fünf Anwälte leisten, die | |
rund um die Uhr und quer durchs Land Klagen einreichen, wenn die Ämter | |
nicht auf seine Anfragen reagieren. Über 40 hat er in verschiedenen | |
Bezirken eingereicht, weitere 19 in der Hauptstadt gegen verschiedene | |
Regierungsinstitutionen. | |
Seit Beginn des Jahres hat er vier Verfahren gegen die Forstbehörde | |
angestrengt, nachdem sein Auskunftsantrag nicht wie gesetzlich vorgesehen | |
innerhalb von drei Wochen bearbeitet worden war. Er gewann zwei der vier | |
Fälle im Handumdrehen. Die Forstbehörde musste die Gerichtskosten | |
übernehmen. „Noch am selben Tag, an dem wir den zweiten Fall gewonnen | |
haben, bestellte mich der Direktor der Forstbehörde in sein Büro“, | |
berichtet Sekyewa. „Er guckte mich an und fragte, ob ich ihn verarschen | |
will.“ Der Direktor hatte keine Wahl: Er musste die Unterlagen | |
herausrücken, wohl wissend, dass ihn das den Job kosten kann. | |
Was Sekyewa als Kopien mitnahm, lieferte Beweise: Die Forstbehörde hatte | |
mehr als 3 Millionen Dollar Hilfsgelder von der Weltbank erhalten, um sich | |
gegen Waldbrände zu rüsten. Doch anstatt Löschfahrzeuge anzuschaffen, hatte | |
die Forstbehörde 300 Wassereimer und 1.400 Schaufeln erstanden. Immerhin, | |
auch 80 Schutzanzüge für Feuerwehrleute wurden erworben, doch keiner der | |
Anzüge wurde je an eine der Außenstellen verteilt. | |
Auch die 40 Wasserpumpen sind laut interner Buchhaltung nie zum Einsatz | |
gekommen. Und von den 1.400 Schaufeln fanden nur 592 Verwendung, dafür | |
hatte sich die Zahl der verteilten Eimer auf mysteriöse Art mehr als | |
verdoppelt. „Ich habe den Chef der Forstbehörde zur Rede gestellt, und | |
dieser gab sich verwundert, er hatte angeblich keine Ahnung, was von dem | |
Geld erstanden wurde“, so Sekyewa. | |
## Stetige Verschleierungen | |
Noch absurder ging es zu, als ein Online-Informationssystem eingerichtet | |
werden sollte. Doch der Internetauftritt der Behörde blieb derselbe: keine | |
Daten über geschützte Waldgebiete. „Die Forstbehörde musste zugeben, dass | |
sie gar nicht online ist, weil jemand die Gelder für den Internetanbieter | |
veruntreut hatte“ sagt Sekyewa. Hinter jeder von Sekyewas Klagen steckt | |
eine haarsträubende Geschichte. Und diese bereitet Sekyewa auf seiner | |
Webseite und in einer Broschüre so auf, dass jeder Bürger sie | |
nachvollziehen kann. | |
In Kooperation mit der Deutschen Welle Akademie trainiert er jetzt | |
ugandische Journalisten im ganzen Land, wie sie die Auskunftsplicht bei den | |
Behörden einfordern, wie sie zur Not sogar klagen. Unterdessen geht er | |
täglich weiter im Gerichtsgebäude ein und aus, um seine Verfahren | |
voranzubringen. | |
An diesem Tag, im Gerichtssaal Nummer 3, geschieht wieder einmal das, was | |
Sekyewa schon so oft erlebt hat: Der Anwalt der Forstbehörde taucht nicht | |
auf, der Richter vertagt das Verfahren auf Oktober. „Eine typische | |
Strategie, sie hoffen alle, ich gebe irgendwann auf, wenn sich die Sache zu | |
lange hinzieht“, sagt er. Doch Sekyewa gibt nicht auf. | |
10 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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