# taz.de -- Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Massaker in der Kirche | |
> Zwei Zeuginnen aus Ruanda haben Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe | |
> schwer belastet: Seine Leute hätten sie vergewaltigt und ihre Familien | |
> ermordet. | |
Bild: Onesphore Rwabukombe vor Gericht in Frankfurt. | |
FRANKFURT taz | Am Nachmittag unterbricht der Vorsitzende Richter Thomas | |
Sagebiel die Anwältin des Angeklagten: "Das ist doch jetzt völlig | |
nebensächlich. Sie sehen doch, dass der Zeugin es sehr schwer fällt, | |
darüber zu sprechen." Onesphore Rwabukombes Verteidigerin zieht die | |
Augenbrauen zusammen und schaut den Richter an. "Glauben Sie mir, daran | |
denke ich jede Sekunde", sagt Kerstin Woweries. | |
Seit 10 Uhr spricht Grace U. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt schon über | |
den 11. April 1994. Sie hat erzählt, wie die Mörder auf das Kirchengelände | |
gekommen seien, angeführt von ihren Bürgermeistern Jean-Baptiste Gatete und | |
Onesphore Rwabukombe. Sie hat berichtet, wie sie den Angeklagten habe sagen | |
hören: "Fangt mit der Arbeit an!" und wie seine Leute dann angefangen | |
hätten, Tutsi zu ermorden. Mit zitternder Stimme hat sie darüber | |
gesprochen, wie einige Männer sie zurück in das Haus schleppten, in dem sie | |
wohnte, und wie sie sie dort vergewaltigten. | |
Warum das alles geschah? Die Antwort hat Grace U. Gleich zu Beginn gegeben, | |
als der Richter sie fragte, welche ethnische Zugehörigkeit man in ihren | |
Pass gestempelt habe: "Tutsi." Die Grenzen zwischen Hutu und Tutsi zogen | |
die deutschen Kolonialherren willkürlich, als sie am Ende des 19. | |
Jahrhunderts die Region der Großen Seen unter ihre Gewalt brachten. Die | |
Viehzüchter wurden zu Tutsi, die einfachen Landwirte zu Hutu. | |
Die rassistische Politik, von den belgischen Kolonialherren nach dem Ersten | |
Weltkrieg fortgesetzt, hat Ruanda, Uganda und Burundi Jahrzehnte ethnischer | |
Gewalt beschert. Der bisherige Höhepunkt: 1994 wurden in Ruanda innerhalb | |
von 100 Tagen rund 800.000 Tutsi ermordet. | |
## Sie floh in die Kirche | |
Der Abschuss der Maschine des damaligen ruandischen Präsidenten Juvénal | |
Habyarimana am 6. April lieferte die Initialzündung für den Völkermord. | |
Wenige Stunden später wurden Oppositionelle in der Hauptstadt Kigali | |
gezielt getötet, in vielen Landesteilen blieb es zunächst jedoch ruhig. | |
Nicht aber in der Gemeinde Murambi, wo damals Grace U. lebte und wohin auch | |
Rwabukombe, damals Bürgermeister der Gemeinde Muvumba, im Laufe des | |
Bürgerkriegs mit seinen Bürgern geflohen war. Dort begann die systematische | |
Ermordung der Tutsi bereits am Morgen des 7. April. | |
Als an diesem Morgen Hutus auch das Haus plünderten, in dem Grace U. damals | |
mit ihrer Schwester lebte, floh die junge Frau in die Kirche von Kiziguro. | |
Dort suchte auch Angelique K. Schutz. Sie sagte diese Woche vor dem | |
Oberlandesgericht Frankfurt aus, dass sie aber nicht selbst dorthin | |
geflohen sei. Sie habe sich am 7. April zunächst in einem Waisenhaus | |
versteckt, dort sei sie von Verwaltern der Gemeinde Murambi mit blauen | |
Pick-Ups abgeholt und in die Kirche von Kiziguro gebracht worden. Diese | |
Aussage erhärtet den im Völkermordprozess gegen Rwabukombe bereits | |
geäußerten Verdacht, dass die Tutsi in der Kirche regelrecht gesammelt | |
wurden. | |
Auch Angelique K. sagt, wie mittlerweile sechs andere Zeugen, sie habe den | |
Angeklagten am 11. April dort gesehen. Nachdem Rwabukombe und Gatete mit | |
Soldaten, Milizionären und einfachen Bürgern auf das Kirchengelände | |
gekommen seien, habe man die Tutsi im Innenhof gesammelt. Dann sei ihnen | |
befohlen worden sich hinzulegen. Zuerst seien die Männer getötet worden, | |
dann die Kinder, zum Schluss die alten Frauen. Zwischendurch seien Mädchen | |
in die Kirche geschleppt und dort vergewaltigt worden. | |
Aneglique K. überlebte nur, weil auch sie von einem Mann, der sie | |
vergewaltigen wollte, aussortiert wurde. Einer von Rwabukombes Leuten habe | |
sie von dem Kirchengelände weggebracht. Dann habe er zu ihr gesagt: "Ich | |
habe Dich gerettet. Jetzt musst Du mich auch belohnen." Der Prozess wird am | |
6. Dezember mit der Befragung weiterer Überlebender des Kirchenmassakers | |
fortgesetzt. | |
18 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Kraft | |
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