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# taz.de -- Ruanda-Völkermordprozess: Anklage gegen Rwakumbobe reduziert
> Der ehemalige ruandische Bürgermeister wird nur noch wegen eines
> Massakers während des Völkermordes belangt, nicht mehr wegen dreien. Für
> eine Verurteilung reicht das.
Bild: Die Kirche in Kiziguro.
FRANKFURT taz | Der mutmaßliche Völkermörder Onesphore Rwabukombe muss sich
nur noch wegen des Massakers von Kiziguro vor dem Oberlandesgericht
Frankfurt verantworten. Das Gericht hat nach einer entsprechenden Anregung
der Bundesanwaltschaft die übrigen Anklagepunkte in der vergangenen Woche
fallen gelassen - darunter auch die Massaker von Kabarondo und im Ekonomat
Kibungo, bei denen während des ruandischen Völkermords 1994 jeweils mehr
als 1000 Tutsi getötet worden sein sollen.
Der Prozess gegen den ruandischen Ex-Bürgermeister läuft jetzt seit elf
Monaten. Doch bislang gibt es keine eindeutigen Beweise für die Beteiligung
Rwabukombes an diesen beiden Massakern. Die Zeugen, auf die sich die
Bundesanwaltschaft in ihrer Anklageschrift stützte, haben allesamt vor
Gericht frühere Aussagen zurückgezogen. Was bleibt, ist das Massaker von
Kiziguro. Für eine Verurteilung wegen Völkermord würde das aber immer noch
ausreichen.
Derzeit überprüft das Gericht vor allem die Aussage einer Zeugin, die
Anfang Juni Rwabukombe schwer belastet hatte. Sie sagte aus, der damalige
Bürgermeister der Gemeinde Muvumba habe seine Leute in Kiziguro mit den
Worten "Arbeitet! Arbeitet!" zum Mord an Tutsi aufgefordert. Laut ihrer
Schwester, die kürzlich in Frankfurt vernommen wurde, kann sie das aber gar
nicht erlebt haben. "Ich hatte die Tür von innen abgeschlossen und ich
hatte den Schlüssel", sagte die Zeugin. "Meine Schwester hat nur zum
Fenster hinaus geschaut.“ Von dort habe sie nicht sehen können, was im Hof
passierte."
Für den Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel scheint sich damit die Aussage
von Juni erledigt zu haben. Anscheinend habe die Zeugin "in ihrer
Erinnerung vermischt, was sie selbst gesehen hat und was sie später gehört
hat." Das heiße nicht unbedingt, dass sie gelogen habe.
## Verteidigungsstrategie unglaubwürdig
Was das für den Prozess konkret bedeutet, lässt sich nur schwer abschätzen.
Nach der Hauptbelastungszeugin haben sieben weitere Zeugen berichtet,
Rwabukombe am Tag des Massakers auf dem Kirchengelände gesehen zu haben.
Zudem haben fünf weitere Zeugen ausgesagt, sie hätten gesehen oder gehört,
wie Rwabukombe die Ermordung der Tutsi befahl.
Die Verteidigung versucht seit Monaten, die Aussagen der Opfer
grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Das Regime des heutigen ruandischen
Präsidenten Paul Kagame zwinge die Menschen regelrecht dazu, mutmaßliche
Völkermörder wissentlich falsch zu belasten. Kürzlich beantragten
Rwabukombes Anwältinnen, für diese Frage extra einen Sachverständigen aus
Belgien nach Frankfurt zu holen.
Die Bundesanwaltschaft weist diese Vorwürfe strikt zurück. Und sie hat ein
äußerst stichhaltiges Argument: Wenn Ruandas Regierung Zeugen manipulieren
wolle, habe sie auf die inhaftierten Völkermörder direkten Zugriff. Doch
fast keiner dieses Zeugen, die von Frankfurt aus per Videokonferenz
vernommen wurden, hat Rwabukombe belastet. Zudem haben zahlreiche Zeugen,
die aus Ruanda nach Frankfurt gekommen sind, versucht den Ex-Bürgermeister
in einem positiven Licht darzustellen.
Das Gericht hat über den Antrag der Verteidigung noch nicht entschieden.
Anfangs schien zumindest der Vorsitzende Richter Sagebiel für diesen
Verdacht ein offenes Ohr zu haben. Weil es bislang allerdings keinerlei
Anzeichen dafür gab, dass Ruanda versuchen könnte, den Prozess zu
manipulieren, hatte Sagebiel zuletzt zaghaft damit begonnen, die
Verteidigung in diesem Punkt in die Schranken zu weisen.
Zumal zuletzt einige Zeugen Rwabukombe als verantwortungsbewussten
Bürgermeister dargestellt haben. Eine enge Vertraute aus der
Gemeindeverwaltung von Muvumba, sagte aus, ihr Chef habe alle Bürger gleich
behandelt und keinen Unterschied zwischen Hutu und Tutsi gemacht. In der
Gemeinde habe es gar Gerüchte gegeben, Rwabukombe selbst sei Tutsi. Zudem
habe es geheißen, er sei von dem Militär unter Druck gesetzt worden. Sie
selbst hat das aber nicht persönlich erlebt. Das seien Gerüchte gewesen.
## Priester äußern sich positiv
Auch zwei katholische Priester, die 1994 als Missionare in Rwabukombes
Gemeinde arbeiteten, schilderten ihn positiv. Sie hätten - anders als
zahlreiche Zeugen - nicht mitbekommen, wie bereits kurz nach Beginn des
Bürgerkriegs 1990 Tutsi als Spione verfolgt und verhaftet worden. Auch
wollen sie nie etwas davon mitbekommen haben, dass Rwabukombe einzelne
Gemeindemitglieder mit Hilfe französischer Truppen an der Waffe ausbildete
oder das er Gewehre verteilte.
Auch sie sagten, der Bürgermeister haben keinen Unterschied zwischen Hutu
und Tutsi gemacht. Fraglich ist allerdings, wie gut sie selbst das
beurteilen können. So versuchte einer der beiden Zeugen seine Aussage damit
zu belegen, dass Rwabukombe die Tutsi bei Volksfesten eingebunden habe,
weil "ihre Folklore so anders gewesen sei, als die der Ruander".
Der andere Priester behauptete gar, der Radiosender RTLM sei zwar deutlich
gewesen, habe aber nie zum Mord an Tutsi aufgehetzt. Dabei machen
zahlreiche Menschenrechtler und Geschichtswissenschaftler die über den
Sender verbreitete Propaganda der Hutu-Extremisten für den grausamen
Verlauf des Völkermords verantwortlich, bei dem drei von vier der in Ruanda
lebenden Tutsi ermordet wurden.
Wenigstens scheint das Gericht bereit zu sein, sich für die Suche nach der
Wahrheit die nötige Zeit zu nehmen. Bis Mai sind bereits Termine angesetzt,
aber es gibt noch nicht einmal eine Andeutung, wann das Urteil fallen
könnte. In dieser Woche wird das Gericht anhand eines Computermodells den
Tatort in Kiziguro begutachten.
21 Dec 2011
## AUTOREN
Andreas Kraft
## TAGS
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
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