Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Vernehmung per Video
> Eduard G. sitzt in Ruanda im Gefägnis. Wegen Völkermord wurde er zu
> lebenslanger Haft verurteilt. In dem Prozess in Frankfurt wird er per
> Video vernommen.
Bild: Kreuze hängen am Mahnmal für den Völkermord in der Kirche Ntarama bei …
FRANKFURT taz | Der Zeuge sitzt in der rosa Häftlingskleidung in Kigali vor
dem Fernseher und wartet darauf an diesem Mittwoch im Völkermodprozess
gegen den ruandischen Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe auszusagen. Er
rollt seine Ladung zusammen. Der BKA-Beamte neben ihm versucht ihm zu
erklären, wie er sich hinsetzten soll, damit er in Frankfurt, im Saal 2 des
Oberlandesgerichts, auch gut zu erkennen ist.
Dann kommen die Richter in den Saal, nach gut einer halben Stunde haben sie
keine weitern Fragen. Denn der Zeuge Eduard G. sagt nicht viel. Zwar
arbeitete er während dem Völkermord als Conseilleir, als eine Art
Orstvorsteher, für Rwabukombe. Doch im April 1994 will er seinen Chef nicht
getroffen haben. Erst im Mai habe er den Angeklagten wiedergesehen, im
Flüchtlingslager in Tansania. Dort habe er nie mit ihm darüber gesprochen,
was im April 1994 geschehen sei. Heute sitzt Eduard G. in Ruanda im
Gefägnis. Wegen Völkermord wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.
Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel sucht nach Widersprüchen in der
Aussage: "Warum sind sie denn nicht mit der Gemeinde nach Murambi
geflohen?" Der Zeuge antwortet: "Weil ich aus Kayonza stamme, bin ich
dorthin. Meine Familie lebte dort." Aber er habe sich doch auch um seine
Bürger kümmern müssen, sagt Sagebiel. Dafür habe er ein Fahrzeug gehabt, er
sei immer mal in den Norden nach Nyagatare gefahren, um zu sehen, ob die
Bürger, die dorthin geflohen waren, auch genug Lebensmittel bekommen. "Das
war aber doch ziemlich weit", hakt Sagebiel nach. "Ich war auch Händler",
antwortet der Zeuge, "und habe auch Bier transportiert. Ich war vielleicht
drei mal die Woche dort." Rwabukombe lebte in dieser Zeit aber mit dem
Großteil seiner Gemeindemitglieder in Murambi.
Sagebiel versucht herauszufinden, warum der Zeuge verurteilt wurde. Aber
auch dazu sagt Eduard G. kaum etwas. Bei den Masskern in Kiziguro und
Kibungo, die Rwabukombe angeordnet und überwacht haben soll, sei er
jedenfalls nicht dabei gewesen. Auch sei ihm das nicht vorgeworfen worden.
Schon in der Woche zuvor haben die Richter wenig von zwei Zeugen erfahren,
die ebenfalls im Gefägnis sitzen und per Videokonferenz vernommen wurden.
Während am 9. August Emmanuel H. Rwabukombe belastete, wollte am 10. August
Celestine H. seinem früheren Chef offenbar helfen.
Als im April 1994 in Ruanda die systematische Ermordung von etwa 800.000
Tutsi begann, war Celestine H. der Assistent von Rwabukombe. Zusammen mit
dem Bürgermeister und den Bürgern der Gemeinde Muvumba war er im Frühjahr
1993 vor den Truppen der Tutsi-Rebellenarmee FPR in die Gemeinde Murambi
geflohen. Dort lebten die Gemeindemitglieder in drei riesigen
Flüchtlingslagern. In einem, so erzählt es Celestine H., lebten etwa 25.000
Menschen.
## Assistent von Rwabukombe widerspricht dem Ortsvorsteher
Am Morgen des 7. April sei er zusammen mit Rwabukombe, der laut Anklage die
Ermordung von mehr als 3700 Tutsi befohlen haben soll, in die
Flüchtlingslager gefahren, um die Menschen zu beruhigen. Nach dem Tod des
Präsidenten Juvénal Habyarimana sei eine Ausgangssperre verhängt worden.
Das Rote Kreuz habe an diesem Tag daher kein Essen verteilen können. Weil
es schon zuvor Unruhen gegeben habe, wenn die Flüchtlinge nichts zu essen
bekamen, habe Rwabukombe seine Bürger informieren wollen. Dabei habe er sie
auch aufgefordert, sich nicht in die Angelegenheiten der Menschen in
Murambi einzumischen.
Das haben schon mehrere Zeugen, die 1994 Rwabukombe nahestanden, ausgesagt.
Einem dieser Entlastungszeugen widerspricht Celestine H. nun. Im Mai hatte
der [1][Ortsvorsteher Cyprien H. behauptet], Rwabukombe habe seine Gemeinde
am ersten Tag des Völkermords zur Ruhe aufgerufen. Doch laut Celestine H.
war der Ortsvorsteher am 7. April 1994 gar nicht mit in den
Flüchtlingslagern. "Wir sind nicht zusammen dorthin", sagt Celestine H. "Er
blieb zurück."
Andere Zeugen haben in den vergangenen Monaten ausgesagt, Rwabukombe habe
die Bürger am 7. April zum Mord an Tutsi aufgestachelt, indem er ihnen etwa
befohlen habe, ihre Arbeit zu machen.
Emmanuel H. beschuldigte am 9. August Rwabukombe bei dem Massaker von
Kibungo eine Gruppe von Polizisten, Milizionären und einfachen Bürgern
angeführt zu haben, die Tutsi angriffen und töteten. Er ist der erste
Zeuge, der Rwabukombe in diesem Punkt der Anklage belastet.
## Massaker war geplant von Militär und Bürgermeistern
Er selbst, sagt Emmanuel H., habe von einem etwa 300 Meter entfernten Hügel
aus die Truppen und die Angriffswellen organisiert und dabei auch
Rwabukombe gesehen. Das Massaker sei am Tag zuvor von Militärs und
Bürgermeistern geplant worden. Bei dem Treffen sei auch Rwabukombe dabei
gewesen.
Doch Rwabukombes Anwältinnen sind skeptisch. Schließlich habe Emmanuel H.
bei anderen Verfahren Rwabukombe nie erwähnt, dafür aber zahlreiche andere
Anführer. "Ich habe immer von denen aus Byumba gesprochen", sagt Emmanuel
H. "Dazu gehörte auch Rwabukombe." Rwabukombes Gemeinde Muvumba lag in der
Präfektur Byumba.
Auch die Richter haben Zweifel an dem Zeugen. Als die BKA-Beamten ihm
während der Ermittlungen Fotos von Rwabukombe gezeigt hätten, habe er
diesen nicht erkannt. "Ich habe mich mit dem Dolmetscher nicht gut
verstanden", sagt Emmanuel H. "Womöglich hat er etwas falsch übersetzt."
Als das Gericht fragt woher er denn gewusst habe, dass Rwabukombe bei der
Planung des Massaker dabei war, holt Emmanuel H. weit aus und spricht von
einem ganz anderen Treffen. Die Richter sind irritiert und haken nach.
Schließlich sagt Emmanuel H.: "Bei dem Treffen haben sich am Anfang alle
vorgestellt. Auch Rwabukombe."
Und dann widerspricht sich Emmanuel H. schließlich selbst. Zunächst
berichtet er, dass Rwabukombe mit ihm auf dem Hügel zurückblieb, während
Milizonäre und einfache Bürger das Ekonomat, eine Lagerstätte der Kirche,
angriffen. Als Sagebiel mehrmals nachfragt, was der Zeuge denn dann mit
"anführen" meine, sagt Emmanuel H. schließlich, Rwabukombe sei mit seinen
Leuten auf das Ekonomat zumarschiert.
Die Verhandlung wird kommende Woche mit einer weiteren Videovernehmung
fortgesetzt.
19 Aug 2011
## LINKS
[1] /Ruanda-Voelkermordprozess-in-Frankfurt/!71007/
## AUTOREN
Andreas Kraft
## TAGS
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ruanda-Völkermordprozess: Anklage gegen Rwakumbobe reduziert
Der ehemalige ruandische Bürgermeister wird nur noch wegen eines Massakers
während des Völkermordes belangt, nicht mehr wegen dreien. Für eine
Verurteilung reicht das.
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Völkermord ja, aber auch Täter?
Zwischenbilanz im Prozess gegen Exbürgermeister aus Ruanda: Das Gericht
sieht Rwabukombes Schuld als erwiesen an, aber das Ausmaß ist unklar.
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Unter Leichen
Das Gericht nähert sich seit langem wieder den Anklagepunkten. Ein Landwirt
berichtet über den Angriff auf die Kirche von Kiziguro und das Auftreten
von Onesphore Rwabukombe.
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Der starke Mann von Murambi
Zur Prozess-Wiederaufnahme nach der Sommerpause kündigt der Richter an, den
vom UNO-Tribunal wegen Völkermords verurteilten Jean-Baptiste Gatete
vorladen zu wollen.
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Wie in einem schlechten Mafia-Film
"Sag den Weißen, dass ich Hunger habe!" Einige skurile und sich
widersprechende Aussagen - mehr hat die Videovernehmung im Ruanda-Prozess
nicht ergeben.
Bedrohungsängste in Ruanda: Der Feind im Innern
Seit einer Serie von Granateinschlägen geht in in der ruandischen
Hauptstadt Kigali Sicherheit über alles. Die Regierung fürchtet die
Hutu-Milizen und exilierte Tutsi-Dissidenten.
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Videovernehmung geplatzt
Die erste Vernehmung eines in Ruanda inhaftierten Zeugen durch das OLG
Frankfurt per Video ist gescheitert: Erst an der ruandischen, dann an der
deutschen Technik.
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Zeugen fürchten um ihre Sicherheit
Ein Zeuge widerspricht sich selbst in seiner erneuten Aussage im Prozess
gegen den angeklagten Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe. Er hat Angst.
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Erschöpfte Augenzeugen
Die ruandischen Zeugen im Prozess gegen Exbürgermeister Rwabukombe scheinen
immer wieder überfordert. Jetzt will die Verteidigung nach Ruanda reisen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.