# taz.de -- Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Unter Leichen | |
> Das Gericht nähert sich seit langem wieder den Anklagepunkten. Ein | |
> Landwirt berichtet über den Angriff auf die Kirche von Kiziguro und das | |
> Auftreten von Onesphore Rwabukombe. | |
Bild: Relikt aus einer grausamen Vergangenheit in Ruanda. | |
An den 11. April 1994 kann sich der 38-jährige Landwirt aus Ruanda noch gut | |
erinnern. Damals versteckte sich der Tutsi in der Kirche von Kiziguro. | |
Gegen 5 Uhr morgens hätten Interahamwe-Milizen begonnen, Steine über die | |
Kirchenmauer zu werfen. Er selbst habe sich mit etwa 1.000 anderen | |
Flüchtlingen gegen den Angriff der Hutu-Extremisten gewehrt. Gegen 7 Uhr | |
hätten sich die Milizionäre dann zurückgezogen. Doch sie sollten | |
wiederkommen. | |
Der Landwirt ist extra aus Ruanda angereist, um vor dem Frankfurter | |
Oberlandesgericht im Völkermord-Prozess gegen den ruandischen | |
Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe auszusagen. Der Zeuge trägt eine | |
gelbe Jacke, die ihm viel zu groß ist. Zwischendurch nippt er an seiner | |
Apfelschorle. Er spricht leise, meist antwortet er knapp – wie die fast | |
alle einfachen Landwirte, die bislang in dem Prozess ausgesagt haben. | |
Und er will anonym bleiben, aus Angst vor den Tätern von damals, die noch | |
immer in seiner Nachbarschaft leben. Aber er will berichten, was er selbst | |
vor 18 Jahren erleben musste. | |
Nachdem die Gendarme, die tagelang die Kirche bewacht hatten, das Tor zum | |
Kirchengelände aufschlossen, sei gegen 10 Uhr ein weißer Jeep vorgefahren. | |
Vier Männer seien ausgestiegen und auf das Kirchengelände gekommen. Einer | |
von ihnen sei Rwabukombe gewesen. Ein anderer Jean-Baptiste Gatete, der im | |
April vom UNO-Tribunal in Arusha wegen Völkermord zu lebenslanger Haft | |
verurteilt wurde. | |
## "Jetzt werden wir die Tutsi töten!" | |
Die beiden Bürgermeister hätten dann zwei Interahamwe aus der Menge zu sich | |
gerufen. Einer habe mit einer Machete auf den Boden geschlagen und gerufen: | |
"Jetzt werden wir die Tutsi töten!" Dann habe Gatete die übrigen | |
Interahamwe und die einfachen Bürger aufgefordert, ihre "Arbeit zu machen". | |
Rwabukombe habe direkt neben ihm gestanden. Doch ob auch er Befehle gegeben | |
hat, kann der 38-jährige Landwirt nicht sagen. Er habe es nicht | |
mitbekommen. | |
In dem Völkermord-Prozess ist er aber mittlerweile der dritte Zeuge, der | |
Rwabukombe bei dem Massaker in Kiziguro gesehen hat. Die zwei anderen | |
Zeugen haben zudem ausgesagt, der damalige Bürgermeister von Muvumba habe | |
auch direkt Befehle erteilt. Der 38-Jährige kann das nicht bestätigen. Er | |
sagt aber, an dem Massaker hätten sich auch Bürger und Interahamwe aus | |
Rwabukombes Gemeinde Muvumba beteiligt. Er habe sie an ihrem speziellen | |
Dialekt erkannt. Zudem stimmt seine Schilderung des Tages in den großen | |
Zügen mit den Aussagen der beiden anderen Zeugen überein. | |
Die verganenen Monate hat das Gericht ausschließlich Zeugen per | |
Videokonferenz vernommen, die heute in Ruanda im Gefängnis sitzen und | |
deshalb nicht nach Deutschland kommen können. Sie haben dem Mosaik, aus dem | |
sich die Wahrheit vor dem Frankfurter Oberlandesgericht langsam zusammen | |
setzt, höchstens kleine Splitter hinzugefügt. | |
Einer davon ist, dass Rwabukombe lange bevor der Völkermord im April 1994 | |
begann, einzelne Gemeindebewohner ausgewählt hat, um sie an der Waffe | |
ausbilden zu lassen. Oder dass er zu Beginn des Völkermords, Waffen | |
verteilt habe. Einige Zeugen haben allerdings ihre im Lauf der Emittlungen | |
gemachten, belastenden Aussagen zurückgezogen – vermutlich aus Angst vor | |
ihren Mithäftlingen. | |
## Zwischen Leichenbergen überlebt | |
An diesem Mittwoch nähert sich das Gericht nun seit Juni zum ersten Mal | |
wieder wirklich einem der Anklagepunkte. Den Landwirt haben die deutschen | |
Ermittler allerdings nicht schon vor dem Prozess befragt. Sein Name tauchte | |
erst bei der Vernehmung eines weiteren Belastungszeugen auf. Sie haben sich | |
damals in Kiziguro kennengelernt. | |
Als die Leichenberge zu groß wurden - laut dem Landwirt suchten etwa 5.000 | |
Menschen in der Kirche Schutz - wurde den beiden Männern befohlen, Leichen | |
zu einem etwa zwei Kilometer entfernten Brunnen zu schleppen und sie dort | |
hineinzuwerfen. Schließlich wurden sie selbst in den Brunnen gestoßen. | |
Mehrere Tage lagen sie lebend zwischen den Leichen, bis sie gerettet | |
wurden. | |
Nach gut fünf Stunden darf der Zeuge gehen. Er schaut die fünf Richter an: | |
"Vielen Dank für Ihren Einsatz, damit sich Ruanda auf einem guten Weg | |
entwickeln kann." | |
Die Richter wird der Prozess noch Monate beschäftigten. Momentan werden | |
weitere Zeugen aus Ruanda geladen. Fortgesetzt wird der Prozess am 25. | |
Oktober. Dann soll einer der Pfarrer von Kiziguro aussagen. | |
5 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Kraft | |
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