# taz.de -- Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Videovernehmung geplatzt | |
> Die erste Vernehmung eines in Ruanda inhaftierten Zeugen durch das OLG | |
> Frankfurt per Video ist gescheitert: Erst an der ruandischen, dann an der | |
> deutschen Technik. | |
Bild: Onesphore Rwabukombe, Ex-Bürgermeister von Muvumba, vor dem Oberlandesge… | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Vor dem Tisch, an dem sonst die Zeugen sitzen, | |
steht heute ein angeschalteter Fernseher. Zu sehen auf dem Bildschirm sind | |
zwei leere Stühle. Sie stehen in der ruandischen Hauptstadt Kigali. In | |
wenigen Minuten soll darauf ein ruandischer Zeuge Platz nehmen, um per | |
Video-Konferenz im deutschen Prozess gegen den ruandischen Ex-Bürgermeister | |
Onesphore Rwabukombe auszusagen, der für die Ermordung von mindestens 3.730 | |
Tutsi während des Völkermordes 1994 verantwortlich sein soll. | |
Das Oberlandesgericht hätte den Zeugen lieber nach Frankfurt geholt, doch | |
das Bundesjustizministerium wollte ihn nicht per Rechtshilfe laden. Denn | |
derzeit sitzt der Zeuge in Ruanda in Haft. | |
Deutschland könne daher seine Rückkehr nach Ruanda nicht garantieren, | |
teilte das Ministerium dem Gericht im April mit. Zum einen könne der Zeuge | |
Asyl beantragen. Das müsse zumindest geprüft werden. Zum anderen könne es | |
auch aus Gründen des Menschenrechts nicht möglich sein, den inhaftierten | |
Ruander zurückzuschicken. Die Haftbedingungen in Ruanda seien zu schlecht. | |
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich daher entschieden, Zeugen, die in | |
Ruanda in Haft sitzen, per Video-Konferenz zu vernehmen. Doch als der erste | |
davon an diesem Dienstag 21. Juni in Ruanda Platz nimmt, kann man lediglich | |
erkennen, dass er ein rosa-farbenes Hemd trägt, die übliche | |
Häftlingskleidung in Ruanda. | |
Sein Gesicht ist verschwommen. Statt eines flüssigen Videos sind nur | |
Standbilder zu sehen, die alle paar Sekunden wechseln. Auch der Ton kommt | |
nur mit Verzögerung in Deutschland an. | |
Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel versucht im Gespräch mit den | |
Technikern in Ruanda und Deutschland, dem Problem auf den Grund zu gehen. | |
Die Bandbreite in Ruanda sei zu schlecht, sagt ein BKA-Beamter in Ruanda. | |
Es komme lediglich eine Übertragungsgeschwindigkeit von 64 Kilobit pro | |
Sekunde zustande. | |
## Auch der Ton reicht nicht | |
In den Zeiten vor DSL-Leitungen, über die heute in der Regel das Internet | |
angewählt wird, kamen Modems, die einfach an die Telefondose angeschlossen | |
wurden, auf maximal 56 Kilobit pro Sekunde. Für bewegte Bilder reicht das | |
keinesfalls. | |
Sagebiel ist die Qualität der Verbindung verständlicherweise viel zu | |
schlecht. "Der Ton reicht keinesfalls", sagt er. "Wir brauchen auch eine | |
visuelle Wahrnehmung." Das Gericht müsse die Mimik des Zeugen wahrnehmen | |
können, um seine Glaubwürdigkeit zu beurteilen. | |
Auch der Verteidigung ist die Qualität des Videos zu schlecht. Die | |
Anwältinnen legen Widerspruch gegen die Video-Vernehmung ein. "Wir haben | |
Zweifel, ob eine Vernehmung bei der Qualität der Strafprozessordnung | |
entspricht", sagt Rwabukombes Anwältin Kersten Woweries. Sagebiel | |
unterbricht die Verhandlung. | |
In der Pause arbeiten die Techniker an dem Problem. Schließlich gelingt es | |
ihnen, die Bandbreite zu vervierfachen. Doch dann bricht die Verbindung | |
plötzlich ab. | |
## Besorgt um die Sicherheit | |
Die Techniker suchen nach dem Problem, fahren die Anlage für die Konferenz | |
runter und wieder hoch, ziehen alle Kabel heraus und stecken sie wieder | |
rein. Schließlich finden sie das Problem: Die ISDN-Anlage im Frankfurter | |
Gerichtsgebäude ist zusammengestürzt. | |
Denn weil das Land Hessen um die Sicherheit seines Intranets besorgt ist, | |
kann sich das Gericht für die Video-Konferenz nicht direkt mit dem | |
öffentlichen Internet verbinden. Stattdessen wählen die Techniker offenbar | |
über eine ISDN-Leitung die Nummer einer Berliner Firma an, die | |
Videokonferenzen anbietet. | |
Sagebiel wartet noch einige Minuten, ob die ISDN-Anlage wieder in Gang | |
kommt. Dann sagt er die erste Videovernehmung ab. Sollte es mit der | |
nächsten Video-Konferenz kommende Woche auch nicht klappen, wird das | |
Gericht wohl Konsequenzen ziehen. | |
## | |
## Verschoben wegen Malaria | |
Eine andere Möglichkeit, die inhaftierten Zeugen doch zu vernehmen, wäre | |
ja, Vertreter des Gerichts, der Bundesanwaltschaft und der Verteidigung | |
nach Ruanda zu schicken. Der Angeklagte könnte bei diesem Teil der | |
Verhandlung allerdings nicht anwesend sein. | |
Nach den technischen Pannen befragt das Gericht noch einen leibhaftig | |
anwesenden ruandischen Zeugen, der bereits vor zwei Wochen nach Deutschland | |
gekommen ist. Er konnte bislang nicht aussagen, da er nach einem | |
Malaria-Schub im Krankenhaus lag. Nun berichtet er dem Gericht von einer | |
Versammlung in einem der Flüchtlingslager, in denen Rwabukombes vor | |
Tutsi-Rebellen geflohene Gemeinde 1994 lebte. | |
Am 7. April 1994, dem ersten Tag des Genozids, habe er Süßkartoffeln auf | |
den dortigen Markt gebracht, als ein Pick-Up vorgefahren sei. Am Steuer | |
habe Rwabukombe gesessen. Von der Ladefläche aus habe der | |
Interahamwe-Milizenführer Juma die Lagerbewohner informiert, dass am Abend | |
zuvor das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana | |
abgeschossen worden sei. | |
## Tutsi beschuldigt | |
"Die Täter sind die Tutsi, die das Land angergriffen haben", habe Juma über | |
eine Lautsprecheranlage auf dem Pick-Up verkündet: "Es gibt nichts anderes, | |
als ihn zu rächen!" Anschließend seien zwei Interahamwe-Milizionäre, die | |
Rwabukombe mitgebracht habe, in dem Lager geblieben. Rwabukombe sei wieder | |
weggefahren. | |
Er selbst sei dann nach Hause gegangen, sagt der Zeuge, um nach seiner Frau | |
zu sehen. Er habe Angst um sie gehabt, weil sie Tutsi war. Von seinem Haus, | |
das etwa 800 Meter von dem Lager entfernt gelegen habe, habe er dann | |
beobachtet, wie die Hutu-Lagerbewohner losgezogen seien, um Tutsi zu töten. | |
Auch hätten ihm Tutsi, die bei ihm Zuflucht suchten, von den Morden | |
berichtet. | |
Der Prozess soll am kommenden Mittwoch mit der Vernehmung eines | |
inhaftierten Zeugen fortgesetzt werden - vorausgesetzt die Leitung nach | |
Ruanda steht. | |
22 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Kraft | |
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