# taz.de -- Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: "Sie meinen also, er lügt?" | |
> Zum ersten mal hat ein Zeuge den ruandischen Ex-Bürgermeister Onesphore | |
> Rwabukombe entlastet. Doch vielen Fragen weicht er aus. | |
Bild: Überlebende des Völkermordes an Tutsi in Ruanda. | |
FRANKFURT taz | Es ist ein seltener Moment, Onesphore Rwabukombe verteidigt | |
sich selbst. Der Völkermordprozess am Oberlandesgericht Frankfurt ist | |
gerade unterbrochen, als der Angeklagte aufsteht, um den gerade vernommenen | |
Zeugen zu begrüßen. | |
Er nimmt den Mann in den Arm, lächelt ihn an und redet dann auf ihn ein. | |
Den Richtern, die eine kurze Begrüßung erlaubt hatten, geht das zu weit. | |
Sie verbieten die Unterhaltung. "Er hat mich doch nur gefragt, wie es | |
meiner Frau und meinen Kindern geht", sagt Rwabukombe. "Da muss ich doch | |
antworten." | |
Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel befürchtet jedoch, Rwabukombe könne | |
dem Zeugen Anweisungen geben – etwa in Ruanda andere Zeugen | |
einzuschüchtern, die in Frankfurt noch vernommen werden sollen. "Es war ein | |
Fehler, das zu erlauben", sagt Sagebiel später. "Wir werden das nicht mehr | |
machen." | |
Der Zeuge, den Rwabukombe gerade so herzlich begrüßt hat, hat jahrelang für | |
den Angeklagten gearbeitet. Ab 1990 war Cyprien H. sein Consellier, als | |
Ortsvorsteher betreute er im Auftrag des Bürgermeisters einen bestimmten | |
Teil der Gemeinde Muvumba. Auch als die Gemeinde während des Bürgerkriegs | |
Richtung Süden floh, seien die Verwaltungsstrukturen aufrecht erhalten | |
worden. Selbst nach der Flucht 1994 nach Tansania, hätten er und Rwabukombe | |
dort noch die Gemeindemitglieder betreut. Der Consellier stand in Ruanda | |
zwar mehrfach wegen Beteiligung am Völkermord vor Gericht, wurde aber | |
letztendlich frei gesprochen. | |
## "Auf eigene Faust" gemordet | |
Nun sagt er aus, er sei am ersten Tag des Völkermordes mit Rwabukombe durch | |
die Flüchtlingslager gefahren. Der Bürgermeister habe seine | |
Gemeindemitglieder dazu aufgerufen, sich friedlich zu verhalten und sich | |
nicht einzumischen. Auch seien die Morde nicht von der Gemeindeverwaltung | |
angeordnet worden. Die Leute aus Muvumba, die sich an Massakern beteiligt | |
hätten, hätten dies "auf eigene Faust getan". | |
Ein anderer Zeuge hat eine einfache Erklärung, warum B. seinen | |
Bürgermeister entlastet: "Als Consellier kann er ja nichts anderes sagen", | |
sagt Jean R. "Sie meinen also, er lügt?", fragt Richter Sagebiel nach. | |
"Ja", antwortet R. Er zeichnet ein ganz anderes Bild von Rwabukombe. Der | |
Bürgermeister habe die Ausbildung von Milizen beaufsichtigt. Zudem sei am | |
ersten Tag des Völkermords nach einem Treffen mit Rwabukombe ein | |
Schulleiter in das Flüchtlingslager gekommen und habe die Menschen zur | |
Gewalt aufgestachelt. | |
Er selbst habe Rwabukombe schon 1993 bei einer Parteiveranstaltung eine | |
Rede halten hören. Der Bürgermeister habe dabei gesagt, die Flüchtlinge | |
müssten wegen der Tutsi soviel Not leiden. Bei dem Treffen sei auch der | |
Sänger Simon Bikindi aufgetreten. In einem Lied habe er gesungen: "Man muss | |
sie ausrotten." Gemeint waren damit offenbar die Tutsi. Bikindi wurde vom | |
Internationalen Ruanda-Tribunal wegen Völkermord verurteilt. Als BKA-Beamte | |
Rwabukombe 2008 festnahmen, fanden sie in seinem Auto eine CD von Bikindi. | |
## "Es roch nach Tod" | |
Auch die Bundesanwaltschaft ist daher misstrauisch. Als die Staatsanwälte | |
den Consellier vor Gericht befragen, weicht er immer wieder aus. Er will | |
augenscheinlich etwa nicht sagen, wie regelmäßig er Rwabukombe während der | |
Flucht getroffen hat. Schließlich sagt Sagebiel: "Es ist dem Zeugen ja | |
nicht gegeben zu antworten." Auch der Richter hatte den Zeugen vorher drei | |
mal nach den Lebensumständen in den Flüchtlingslagern gefragt. Erst dann | |
antwortet B., dass es oft nicht genug zu essen gab und die Menschen unter | |
Planen auf dem nackten Boden schlafen mussten. | |
Der damalige Chef der UN-Blauhelme, Roméo Dallaire, schildert die Zustände | |
in den Flüchtlingslagern in seinem Buch über den UN-Einsatz als | |
katastrophal: "Wir rochen das Lager, noch bevor wir es sahen, eine giftige | |
Mischung aus Fäkalien, Urin, Erbrochenem und Tod." | |
Die dritte Zeugin des Verhandlungstages schildert, wie der Angeklagte sie | |
1990 habe inhaftieren wollen, weil sie Tutsi ist. Ein ältere | |
Gemeindepolizist habe ihr aber geholfen zu fliehen. Rwabukombes Anwältinnen | |
stellen zahlreiche Fragen – auf der Suche nach jedem kleinen Widerspruch in | |
der Aussage der Frau. Dann kündigen sie an, kommende Woche die Aussage | |
schriftlich zu bewerten. Zudem beantragen sie, noch eine weitere Zeugin aus | |
Ruanda zu laden. Auch sie werde aussagen, dass der Angeklagte seine | |
Gemeinde zur Ruhe aufgerufen habe. | |
Der Prozess wird am 24. Mai mit der Vernehmung weiterer Zeugen aus Ruanda | |
fortgesetzt. | |
19 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Kraft | |
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