# taz.de -- Festnahme im Kongo: Ruandischer Milizenchef geschnappt | |
> Sonderermittler des UN-Völkermordtribunals setzen in einem | |
> ostkongolesischen Dorf Bernard Munyagishari fest. Er war seit 17 Jahren | |
> auf der Flucht. | |
Bild: Bei einem Massaker in Nyamata sollen 10.000 Menschen umgebracht worden. | |
KAMPALA taz | Im Dschungel des Ostkongo hatte er sich 17 Jahre lang | |
versteckt. Am Mittwoch wurde der Ruander Bernard Munyagishari in Kichanga | |
in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu festgenommen. Ein gemeinsamer | |
Suchtrupp, bestehend aus kongolesischen Soldaten und Mitarbeitern der | |
"Tracking Unit" des Ruanda-Völkermordtribunals der UNO im tansanischen | |
Arusha (ICTR), habe den Flüchtigen gefasst, gab das ICTR jetzt bekannt. | |
Der 52-jährige Munyagishari ist in Arusha wegen Genozid, Verbrechen gegen | |
die Menschlichkeit und Vergewaltigung angeklagt. Der Hutu soll während des | |
Völkermords in Ruanda 1994 in seiner Heimatstadt Gisenyi, an der Grenze zum | |
Kongo, Mitbegründer und Anführer der Interahamwe-Miliz gewesen sein, | |
Jugendorganisation der damaligen Regierungspartei MRND (Nationale | |
Republikanische Bewegung für Demokratie und Entwicklung). | |
Er soll junge Hutu rekrutiert, trainiert und ihnen befohlen haben, Tutsi in | |
Gisenyi und Umgebung systematisch zu ermorden sowie Tutsi-Frauen zu | |
vergewaltigen. Von 1992 bis 1994 war er Generalsekretär der MRND, die die | |
Ausrottung der Tutsi geplant hat. | |
Laut der 15-seitigen Anklageschrift des Tribunals nahm Munyagishari vor | |
Beginn des Massenschlachtens am 7. April 1994 an mehreren Versammlungen im | |
Parteibüro in Gisenyi teil. Diese Treffen wurden von Planungsminister | |
Augustin Ngirabatware geleitet, der die systematische Ausrottung der Tutsi | |
in Gisenyi angeordnet haben soll. Munyagishari fertigte laut Anklage Listen | |
mit Tutsi-Einwohnern an und verteilte sie an die Interahamwe. Nach diesen | |
Treffen organisierte Munyagishari Busse, um die Miliz in die Vororte auf | |
den Hügeln rund um Gisenyi zu transportieren, wo sie mit dem Töten | |
begannen. | |
## 5 Millionen Dollar Belohnung | |
Das Gericht in Arusha hatte bereits 2005 einen Haftbefehl auf Munyagishari | |
ausgestellt, der im Kongo vermutet wurde. Fünf Millionen Dollar hatte das | |
staatliche US-Programm "Rewards for Justice" als Belohnung für Hilfe bei | |
dessen Festnahme ausgeschrieben. ICTR-Chefankläger Hassan Bubacar Jallow | |
lobte jetzt die kongolesischen Behörden für deren Unterstützung bei der | |
Festnahme "trotz der Hürden, welche bei der Suche nach dem Flüchtigen in | |
dem schwierigen Terrain überwunden werden mussten". | |
Über die Umstände seiner Festnahme will das ICTR keine Angaben machen. | |
Bereits am Donnerstag wurde er von Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma in | |
Kongos Hauptstadt Kinshasa geflogen. "Dort wird er einige Tage in Gewahrsam | |
blieben, bis die kongolesische Regierung die Überstellung nach Arusha | |
geregelt hat", sagt Alfred Kwende vom ICTR-Büro in Ruandas Hauptstadt | |
Kigali der taz. Dass Munyagishari Mitglied der ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) ist, in welcher sich | |
zahlreiche Genozidtäter organisiert haben, kann Kwende nicht bestätigen. | |
Munyagishari ist einer der letzten zehn flüchtigen mutmaßlichen | |
Genozid-Täter, die in Arusha vor Gericht gestellt werden sollen. Das Mandat | |
des ICTR war vor zwei Jahren verlängert worden: Bis Ende 2012 sollen alle | |
Prozesse und Berufungsverfahren abgewickelt sein. Insgesamt hat der ICTR 55 | |
Fälle abgeschlossen, 20 sind noch im Verfahren, 9 in Berufung, und die | |
Verhandlung im Fall Jean-Bosco Uwinkindi, der 2010 in Uganda gefasst wurde, | |
steht noch aus. Ruandas Generalstaatsanwaltschaft sucht noch nach knapp 100 | |
flüchtigen mutmaßlichen Genozidtätern. | |
26 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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