# taz.de -- 9. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: So arbeitete das BKA | |
> Ein BKA-Ermittler erläutert, wie vor Murwanashyakas Festnahme die | |
> Telekommunikationsüberwachung in Deutschland ablief. Und wie danach in | |
> Ruanda Zeugen befragt wurden. | |
Bild: Straton Musoni, Vizepräsident der FDLR, in Handschellen vor dem Stuttgar… | |
STUTTGART taz | Im Vordergrund des 9. Prozesstages (6. Juni) gegen Ignace | |
Murwanashyaka und Straton Musoni, Präsident und 1. Vizepräsident der im | |
Kongo kämpfenden ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung | |
Ruandas), stand die Befragung des Kriminalhauptkommissars Steffen Packeiser | |
vom BKA zu den Ermittlungen, die teils bereits seit 2006 liefen, | |
hauptsächlich aber 2008 begannen und schließlich zur Festnahme der beiden | |
Angeklagten am 17. November 2009 führten. | |
Das BKA führte Zeugenbefragungen in Ruanda, Telekommunikationsüberwachung | |
in Deutschland und der DR Kongo sowie Finanzermittlungen in Deutschland | |
durch. Hierbei wurde offensichtlich vielerorts im Nebel gestochert, und | |
nicht immer gab es die erhofften Ergebnisse. | |
So wollten die deutschen Ermittler Murwanashyakas Satellitentelefon | |
überwachen, von dem aus er nach ihrer Mutmaßung Gespräche mit der FDLR im | |
Kongo führte. Sie brachten die Nummer des Satellitentelefons aber nicht in | |
Erfahrung, auch nicht mit Hilfe des BND. Sie überwachten daher die Telefone | |
seiner mutmaßlichen Ansprechpartner im Kongo: FDLR-Militärkommandant | |
Mudacumura, der 2. Vizepräsident Rumuli sowie der Kommandeur der Brigade | |
Nord-Kivu. | |
In den Überwachungszeiträumen 3. Februar bis 30. Juli 2009 sowie 8. Oktober | |
bis 2. Dezember 2009 ging aber kein entsprechender Anruf aus Deutschland | |
dort ein. Vier Satellitentelefone wurden schließlich bei der | |
Hausdurchsuchung im Rahmen von Murwanashyakas Festnahme gefunden, aber | |
offenbar hatte der FDLR-Präsident stattdessen über Internet telefoniert. | |
Ob die Überwachung des Internetverkehrs der Angeklagten und die anderen | |
Formen der Telekommunikationsüberwachung mehr brachten, könnte sich an | |
zukünftigen Verhandlungstagen erweisen. Offenbar schon, denn daraus | |
gewonnene Erkenntnisse dienten als Basis für die Zeugenbefragungen, die | |
nach den beiden Festnahmen am 17. November 2009 in Ruanda durchgeführt | |
wurden: in Kigali, im Demobilisierungslager Mutobo sowie in Gisenyi, der | |
Grenzstadt zum Kongo, wo Kongolesen befragt werden konnten. | |
Hierbei ging es es laut Packeiser um einzelne Übergriffe der FDLR, die | |
Kommunikation zwischen der politischen FDLR-Führung in Deutschland und der | |
militärischen FDLR-Führung im Kongo, die von Murwanashyaka mutmaßlich | |
erteilten Weisungen und die ihm mutmaßlich erstatteten Berichte aus dem | |
Feld. | |
Die Befragten bestätigten demnach, dass Murwanashyaka die letzte | |
Entscheidungsgewalt in der FDLR innehatte, dass er zu bestimmten Themen um | |
Weisung befragt wurde und diese auch erteilte, dass er häufig nach | |
Kampfhandlungen informiert wurde, dass ihm im Falle des besonders schweren | |
Massakers von Busurungi eine Aufstellung gefallener Kämpfer und erbeuteter | |
Gegenstände gemacht wurde. | |
Die Umstände dieser Zeugenbefragungen, die im Zeitraum November-Dezember | |
2009 und April-Mai 2010 stattfanden, waren erwartungsgemäß kontrovers. Die | |
Verteidigung bezweifelt, dass in allen Fällen die Identität der Befragten | |
zweifelsfrei festgestellt wurde, und nicht alle Befragungen wurden | |
videoaufgezeichnet. Den Befragungen gingen Rechtshilfeersuchen an die | |
Regierungen Ruandas und Kongos voran. | |
Die Verteidigung blieb ihrer Linie treu, dass Ermittlungen in Ruanda nur | |
innerhalb eines von Ruandas Regierung gesetzten Rahmens möglich und daher | |
nicht verwertbar seien. So wurde nach der Identität von Zeugen, Informanten | |
und Dolmetschern gefragt, nach den genauen Umständen der Befragung, auch ob | |
Zimmer möglicherweise verwanzt waren oder Befragte unter Druck gestanden | |
hätten. | |
Der BKA-Beamte verneinte all diese Fragen. Er betonte, dass die insgesamt | |
fünf Dolmetscher nicht von den ruandischen Behörden gestellt wurden, dass | |
auch die Zeugen nicht von den ruandischen Behörden benannt oder gestellt | |
wurden, dass bei Befragungen keine ruandischen Behördenvertreter anwesend | |
waren, dass den ruandischen Behörden weder Protokolle der Befragungen noch | |
mündliche Berichte zur Verfügung gestellt wurden, dass die Befragten dies | |
auch wussten und dass die Protokolle der Befragungen rückübersetzt wurden, | |
mit der Möglichkeit der Änderung, bevor sie vom Befragten, vom | |
Ermittlungsbeamten und vom Dolmetscher unterzeichnet wurden. | |
Die Verteidigung fragte daraufhin nach den Autos, Fahrern und Hotelzimmern | |
der deutschen Beamten sowie die genauen Umstände der Befragungen | |
demobilisierter FDLR-Kommandanten in Mutobo, ohne hieraus jedoch | |
kompromittierende Elemente ziehen zu können. | |
Wohl aber bestätigte das BKA, dass die Liste der zu befragenden Personen | |
vorab den ruandischen Behörden gesendet wurde, damit diese Personen | |
rechtzeitig geladen werden konnten. Im Kongo sei keine Liste erstellt | |
worden. | |
Wie bereits bei der Vernehmung des niederländischen Zeugen Hans Romkema | |
legte die Verteidigung ein auffälliges Interesse an der Identität nicht nur | |
von Zeugen, sondern auch von Informanten und Kontaktpersonen an den Tag - | |
wohl wissend, dass es für Opfer, Augenzeugen, Menschenrechtsaktivisten und | |
andere im Bereich von FDLR-Gewaltakten lebende Kongolesen oder Ruander | |
durchaus lebensgefährlich sein kann, wenn die FDLR Wind davon erhält, dass | |
sie den deutschen Ermittlern weitergeholfen haben könnten. | |
Offensichtlich möchte die Verteidigung in Zukunft nicht hinnehmen, dass ihr | |
diesbezüglich Namen vorenthalten werden. Sollte der Senat weiterhin einem | |
Zeugen so wie im Falle Romkema unter Hinweis auf die ausländische | |
Staatsangehörigkeit ein Zeugnisverweigerungsrecht zubilligen, werde man die | |
Einstellung des Verfahrens beantragen, hieß es. | |
7 Jun 2011 | |
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