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# taz.de -- 10. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Hatz auf die Ruanderin
> Es hagelt neue Anträge der Verteidigung: Ausschluss einer
> Prozessbeobachterin der ruandischen Botschaft, Ausschluss der gesamten
> Öffentlichkeit, Befangenheit der Richter.
Bild: Ignace Murwanashyaka beim Eintritt in den Gerichtssaal.
STUTTGART taz | Zum zweiten Mal in diesem Verfahren lehnen die Verteidiger
der beiden in Stuttgart angeklagten Führer der im Kongo kämpfenden
ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) den 5.
Strafsenat, vor dem die Hauptverhandlung stattfindet, wegen Befangenheit
ab. In ihrem Antrag zum Abschluss der Verhandlung am 8. Juni behaupteten
die Anwälte von Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, der Senat messe
dem Schutz angeblicher Opfer mehr Wert bei als dem Schutz der Angeklagten
und deren Angehöriger und Freunde.
Den Schutzbedarf entnimmt die Verteidigung offenbar dem Umstand, dass an
manchen Verhandlungstagen - so auch an diesem - eine Mitarbeitern der
ruandischen Botschaft als Prozessbeobachterin im Publikum sitzt. Das
Verfahren ist öffentlich und die Angeklagten sind ruandische Staatsbürger,
aber für die Anwälte ist die junge Frau die Vertreterin einer Diktatur und
versucht, Zeugen zu manipulieren. Als Beleg wurde die Behauptung der
Vorwoche angeführt, die Ruanderin habe sich mit dem niederländischen
Experten Hans Romkema unterhalten, der als Zeuge geladen war. Einer der
Anwälte hatte Romkema damals vorgehalten, er habe mit einer "dunkelhäutigen
Frau" gesprochen und sich von dieser mit "Küsschen" verabschiedet, was
Romkema dementierte.
Zuvor verlangte die Verteidigung den Ausschluss der Ruanderin aus der
Hauptverhandlung, wegen des Verdachts auf Verleitung zur Falschaussage.
Dies lehnte der Vorsitzende Richter Hettich ebenso ab wie einen Antrag, sie
als Zeugin zu vernehmen. Es kam zu erregten Szenen im Gerichtssaal, als die
Ruanderin kurz während einer Pause den Raum verließ und mehrere Anwälte ihr
hinterherrannten, um hinterher zu behaupten, sie hätte ihre Notizen in ihre
Tasche verpackt, um sie vor Beschlagnahmung zu schützen - obwohl zu diesem
Zeitpunkt die Ruanderin wieder mit ihren Notizen im Publikum saß.
Die Bundesanwälte, nebenbei von der Verteidigung der Zusammenarbeit mit
Folterstaaten bezichtigt, monierten, dass die Verteidigung für ihre
verschiedenen Behauptungen keinerlei Beweise vorlege, und verglichen den
Auftritt der Verteidigung mit einem Spionageroman.
## Die Person des Angeklagten
Einen weiteren Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Vernehmung
der zwei eigentlich an diesem Tag als Zeugen geladenen BKA-Beamten lehnte
der Senat ebenfalls ab. Eine Kommissarin und ein Polizeibeamter sagten
somit öffentlich über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten aus.
Dabei wurden im wesentlichen die bekannten Punkte der Biographien
Murwanashyakas und Musonis wiederholt, garniert mit einigen weniger
bekannten Details.
So die Nähe Murwanashyakas zur katholischen Kirche in Deutschland - während
seiner Promotion an der Uni Köln, die er im Dezember 2000 kurz vor seiner
Wahl zum FDLR-Präsidenten abschloss, war er Stipendfiat der katholischen
Hochschulgemeinde und arbeitete nebenbei bei den Kölner Franziskanern. Seit
2005 habe er von ALG II gelebt - das Jahr, in dem er nach Aussagen Romkemas
eine Viertelmillion US-Dollar von Kongos Regierung für die FDLR erhielt,
die er nicht vollständig weitergab. 1996, 2001 und 2003 habe er seinen
(ruandischen) Pass als verloren gemeldet, und es bestand der Verdacht, er
habe ihn anderen Ruandern zur Einreise zur Verfügung gestellt.
Er war Vorsitzender der Deutschland-Sektion der Partei RDR (Versammlung für
Demokratie und Rückkehr nach Ruanda), die von aus Ruanda geflohenen Hutu im
damaligen Zaire gegründete Exilpartei und Vorsitzender mit
Kontoverfügungsrecht der Vereinigung "SOS Ruanda", auf deren Konto
Zahlungseingänge mit dem Verwendungszwecke "RDR Sektion Deutschland"
eingingen. Er war Gründungsmitglied des Vereins "Akagera Rhein",
Vorstandsmitglied des "Forum Frieden und Demokratie Ruanda" und Mitglied
der "Initiative Frieden für Ruanda". Musoni war stellvertretender
Vorsitzender der RDR. Beide Angeklagten kamen lange vor dem ruandischen
Völkermord nach Deutschland: Murwanashyaka 1989, Musoni 1986, beide zu
Studienzwecken.
Die Verhandlung wird wegen der Pfingstferien am 27. Juni fortgesetzt. Dann
wird wohl zunächst der Befangenheitsantrag der Verteidigung auf der
Tagesordnung stehen. Die Verteidiger haben nach der Ablehnung ihres ersten
Befangenheitsantrags vom ersten Verhandlungstag diesmal die Namhaftmachung
der Senatsmitglieder verlangt, welche über ihren Antrag entscheiden.
9 Jun 2011
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Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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