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# taz.de -- Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: "Habt kein Erbarmen"
> Ein Landwirt hat den angeklagten Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe
> schwer belastet. Doch dem Gericht sind seine Erinnerungen nicht genau
> genug.
Bild: Überlebende des Völkermords an Tutsi in Ruanda.
FRANKFURT taz | Damian K. braucht eine Pause. Er wolle kurz auf Toilette,
übersetzt der Dolmetscher den Wunsch dem Gericht. Der Landwirt aus Ruanda
ist abgemagert, der schwarze Anzug passt nicht richtig, der Blick ist leer.
Die Richter des Oberlandesgerichts Frankfurt haben ihm gerade gut 90
Minuten lang wieder und wieder die gleichen Fragen gestellt: Was haben Sie
mit eigenen Augen gesehen? Was haben Sie selbst gehört? Wer hat was genau
gesagt? Was geschah dann?
K. hat immer wieder beteuert: Er habe vor 17 Jahren selbst gehört wie
Onesphore Rwabukombe in einem kleinen Ort der Gemeinde Murambi, die
Menschen zum Mord an Tutsi aufgerufen habe. Doch das Gericht scheint mit
der Aussage nicht zufrieden zu sein.
K. saß nach dem Völkermord, bei dem 1994 etwa 800.000 Menschen ermordet
wurden, selbst im Gefängnis. 2007 wurde er entlassen, ein Gericht hatte ihn
frei gesprochen. Wenige Wochen zuvor hatte ihn die ruandische
Staatsanwaltschaft vernommen und er hatte Rwabukombe belastet. Ruanda
ermittelte damals gegen den ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Muvumba,
der nach dem Völkermord über den Kongo nach Deutschland geflohen war. 2007
lebte er schon im Rhein-Main-Gebiet. Seit Januar steht er vor Gericht. Die
deutsche Generalbundesanwaltschaft wirft ihm vor für die Ermordung von mehr
als 3700 Menschen verantwortlich zu sein.
Die ruandische Staatsanwaltschaft hat 2007 K.s Aussage protokolliert. Zwei
Jahre später wurde er dann vom Bundeskriminalamt vernommen. Nun sucht der
Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel augenscheinlich nach Widersprüchen
zwischen den Protokollen und der Aussage des Zeugen vor Gericht. Er
verlangt von dem Zeugen immer wieder Erklärungen, hakt nach, redet ihm ins
Gewissen – fast so als wäre er der Anwalt des Angeklagten und nicht sein
Richter.
## Die Aussagen sind widersprüchlich
K. sagt, wenige Tage nach dem Abschuss der ruandischen Präsidentenmaschine
habe Rwabukombe eine Ansprache gehalten, in denen er den Zuhören vorwarf,
dass sich "nichts" tun würden. Zudem habe der Bürgermeister gesagt: "Seit
wir Muvumba verlassen haben, haben wir keinen auf dem Weg gelassen. Wenn
ihr das nicht tun könnt, werde ich meine Leute herbringen, die euch zeigen,
wie man arbeitet." Dann habe er auf das zerstörte Haus eines bereits
ermordeten Tutsi gezeigt: "So könnt ihr weitermachen. Und habt kein
Erbarmen mit Schwangeren, Frauen und Kindern."
Ob noch andere dort geredet hätten, will der Richter wissen. K. verneint.
Später hakt der Richter nach. Laut dem BKA-Protokoll habe K. doch damals
gesagt, dass noch zwei andere Männer gesprochen hätten – nämlich der
damalige Bürgermeister von Murambi und sein Vorgänger Jean-Baptiste Gatete.
"Ja, die haben beide auch so was gesagt", antwortet K. "Also hat doch
jemand anderes gesprochen?", fragt Sagebiel nach. K. antwortet: "Rwabukombe
hat die Rede gehalten. Weil die Bürger von Murambi ihn aber nicht kannten,
war Gatete an seiner Seite und hat auch kurz gesprochen."
Doch Sagebiel ist nicht zufrieden. Ihm sei die Aussagen zu widersprüchlich.
"Sie haben doch auch schon mal vor Gericht gestanden", sagt der Richter.
"Da waren Sie doch auch froh, wenn die Zeugen sich bemüht haben die
Wahrheit zu sagen. Ich will, dass Sie sich Mühe geben." K. hat bereist
mehrfach beteuert, dass er die Wahrheit sage und sich nichts ausdenke. "Ich
sage, was ich gehört habe", antwortet er jetzt wieder. Ob das Gericht ihm
glaubt, wird sich wohl erst zeigen, wenn es frühestens im Oktober das
Urteil spricht.
Der Prozess wird am 31. Mai mit weiteren Zeugen aus Ruanda fortgesetzt. Für
den 1. Juni ist zudem eine Sachverständige geladen, um die Glaubwürdigkeit
der Aussagen traumatisierter Zeugen zu beurteilen.
25 May 2011
## AUTOREN
Andreas Kraft
## TAGS
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
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Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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