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# taz.de -- Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: "Der Mann, der hier sitzt"
> Erstmals haben im Völkermord-Prozess in Frankfurt Zeugen aus Ruanda
> ausgesagt. Sie sind die ersten, die den Ex-Bürgermeister Rwabukombe
> direkt belasten.
Bild: Bilder von Opfern des Völkermords in Ruanda in einer Ausstellung in Kiga…
FRANKFURT taz | Ihren Sohn hat Consolée N. seit neun Jahren nicht mehr
gesehen. Er studiert in Belgien, sie lebt in Ruanda. Jetzt sitzt er draußen
im Gang und sie im Saal 2 des Oberlandesgerichts Frankfurt. Bevor sie ihm
endlich wieder in die Augen blicken kann, muss sie zunächst im
Völkermord-Prozess gegen den ruandischen Ex-Bürgermeister Onesphore
Rwabukombe aussagen.
Doch ob Rwabukombe 1994 wirklich die Ermordung von etwa 3.730 Menschen
befohlen hat, kann N. an diesem Mittwoch nicht sagen. Schon dreieinhalb
Jahre vorher ist sie aus Rwabukombes Gemeinde Muvumba geflohen. Als Tutsi
fühlte sie sich dort offenbar nicht mehr sicher.
Kurz nach Beginn des Bürgerkriegs im Oktober 1990 sei ihr Mann auf
Rwabukombes Anordnung hin verhaftet worden. Sie sei zu dieser Zeit in
Kigali gewesen. Ihren Mann habe sie seitdem nie wieder gesehen. Doch ob und
wie er ermordet wurde, weiß N. nicht. Ihr Sohn wurde bereits am Dienstag
dazu befragt. Doch auch er konnte nichts dazu sagen, er war damals erst
fünf Jahre alt.
Als N. im November nach Muvumba zurückkam, habe sie sich zunächst beim
Bürgermeister zurückgemeldet. Zwei Tage später habe Rwabukombe eine
Gemeindeversammlung einberufen. Er habe gefragt, wo sich die "Inyenzi"
aufhalten. Das Wort bedeutet eigentlich Kakerlake, damals wurden aber auch
Tutsi so bezeichnet. Rwabukombe habe dann gesagt, wenn die Rebellenarmee
FPR Muvumba angreife, sollten die Bewohner der ruandischen Regierungsarmee
zeigen, wo die Tutsi gerade leben. Zudem habe er einen Trupp kräftiger
Männer zusammengestellt, die er nach Tutsi suchen ließ, denen er generell
vorgeworfen habe, mit der FPR zusammenzuarbeiten.
## "Sicher hatte er Macht"
"Hatte Rwabukombe denn Macht in der Gemeinde?", fragt der Vorsitzende
Richter Thomas Sagebiel. "Sicher hatte er Macht", sagt N. Um
herauszufinden, was mit ihrem Mann geschah, hat sie offenbar mit
zahlreichen Personen gesprochen – auch mit dem Mann, der ihren Ehemann nach
der Verhaftung in das Gemeindehaus gefahren hat. Er habe ihr berichtet, er
habe gerade Sand aufgeladen, als Rwabukombe ihm befohlen habe, die Arbeit
einzustellen, um vier als Verräter verhaftete Tutsi zum Gemeindehaus zu
fahren.
Zudem habe sie mehrfach gehört, dass Rwabukombe später mit seiner Gemeinde
vor der FPR nach Murambi geflohen sei. Dort habe er während des Völkermords
auch mit Jean-Baptiste Gatete zusammengearbeitet. Gatete wurde vom
Ruanda-Tribunal der UNO Ende März wegen Völkermord zu lebenslanger Haft
verurteilt.
N. ist die zweite Zeugin, die für ihre Aussage extra aus Ruanda gekommen
ist. Am Vormittag wurde bereits Frédéric A. vernommen. Er arbeitet heute in
Kigali als Staatsanwalt. 1990 war er einfacher Ermittler. Auch er wurde
damals als Verräter verhaftet, weil in seinem Pass unter ethnischer
Zugehörigkeit Tutsi eingetragen war. Nach seiner Verhaftung sei er von
einem Kollegen in die Provinzhauptstadt Byumba gebracht worden. Dort habe
er zwischen Gefängnis, Staatsanwaltschaft und einem Militärlager auch den
Bürgermeister von Muvumba gesehen, der gerade mit einem Pickup ankam.
## Halb tot wurde er in ein Loch geworfen
"Wer war denn der Bürgermeister von Muvumba?", fragt Richter Sagebiel.
"Onesphore Rwabukombe", sagt A. und blickt in die Richtung des Angeklagten:
"Der Mann, der hier sitzt." Damals habe Rwabukombe am Tor des Militärlagers
mit Soldaten gesprochen. Diese seien dann zu ihm gekommen, sagt A., und
hätten angefangen mit Knüppeln auf ihn einzuschlagen. Dann habe Rwabukombe
das Gewehr eines Soldaten genommen, es entsichert und auf A. gezielt. "Mein
Kollege", sagt A., "hat sich dann dazwischen gestellt und Rwabukombe daran
gehindert zu schießen."
Die Soldaten hätten dann weiter auf ihn eingeschlagen und ihn schließlich
in das Militär-Lager gebracht. Nachdem man ihn halb tot geprügelt habe,
habe man ihn dort mit verbundenen Augen in ein Loch geworfen, in dem schon
weitere Gefangene waren. Manche seien schwer verletzt gewesen, andere schon
tot. Später sei er dann aus dem Loch geholt und in das Gefängnis gebracht
worden. Ende März 1991 sei er dann zusammen mit allen anderen entlassen
worden. 1992 sei er dann nach Uganda geflohen. In Ruanda habe er sich als
Tutsi nicht mehr sicher gefühlt.
"Haben Sie denn gehört, was Rwabukombe mit den Soldaten gesprochen hat?",
fragt Sagebiel. Anfangs habe er nichts verstanden, das Tor sei zu weit weg
gewesen. "Später dann schon", sagt A. "Der Bürgermeister sagte, er kenne
mich gut. Ich sei ein Inyenzi und müsse sterben."
## Sorge um Beeinflussung der Zeugen
Auch an diesem Prozesstag sorgt sich Richter Sagebiel augenscheinlich
darum, dass die Zeugen aus Ruanda von der dortigen Regierung beeinflusst
werden könnten. Kürzlich hat er den ruandischen Behörden sogar damit
gedroht, das Verfahren einzustellen, wenn Ruanda darauf bestehe, Betreuer
für die Zeugen mit nach Deutschland zu schicken.
Eine BKA-Beamtin sagte am Mittwoch jedoch aus, dass sie keine Anzeichen für
eine Beeinflussung der Zeugen sehe. Auf Nachfragen des Gerichts sagten auch
beide Zeugen, die ruandischen Behörden hätten sie nicht auf ihre Aussagen
vorbereitet. Rwabukombes Verteidigerinnen haben schon mehrfach deutlich
gemacht, dass ihre Strategie vor allem darin bestehen wird, die
Glaubwürdigkeit der direkten Belastungszeugen anzuzweifeln.
Bis Anfang Juni werden in dem Prozess etwa 15 weitere Zeugen aussagen, die
extra aus Ruanda nach Frankfurt kommen. Sie werden vom Zeugenschutz des
Bundeskriminalamts betreut. Wo genau sie untergebracht sind, wissen nicht
mal die Richter. Ab Mitte Juni sollen dann Zeugen per Video-Konferenz
vernommen werden, die derzeit in Ruanda wegen Beteiligung am Völkermord im
Gefängnis sitzen.
12 May 2011
## AUTOREN
Andreas Kraft
## TAGS
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
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Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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