# taz.de -- Ruandische Hutu-Miliz FDLR: Reden von Frieden, aufrüsten für Krieg | |
> Die Regierung verhandelt mit der ruandischen Hutu-Miliz FDLR über die | |
> Auflösung ihres Militärhauptquartiers. Ob dieses Angebot ernst ist, | |
> bleibt zu bezweifeln. | |
Bild: Kongolesische Soldaten patroullieren gegen Milizionäre der FDLR. | |
GOMA taz | Hinter verschlossenen Türen treffen sich dieser Tage im Osten | |
der Demokratischen Republik Kongo Abgesandte der Regierung, Generäle der | |
Armee und Vertreter der Monusco (UN-Stabilisierungsmission im Kongo). | |
Regelmäßig verlässt ein UN-Hubschrauber mit ihnen den Flughafen von | |
Nordkivus Provinzhauptstadt Goma, um in den Dschungel zu fliegen. Ziel: die | |
Hauptquartiere der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) in Kimua und Ntoto. Auch ein | |
Abgesandter aus Europa soll mehrfach an Bord gewesen sein. | |
Hintergrund der Gespräche ist ein Verhandlungsangebot, das die politische | |
Führung der FDLR im Dezember an Kongos Regierung in Kinshasa schickte. | |
Unterzeichnet war es von Gaston Iyamuremye, Interimspräsident der Miliz | |
seit der Verhaftung von FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka in Deutschland | |
2009. | |
Darin bietet die Miliz an, ihre Hauptquartiere in Nordkivu aufzugeben, | |
1.500 Kämpfer zu entwaffnen und mit diesen wegzuziehen, in ein neues | |
Hauptquartier in der westlichen Nachbarprovinz Maniema. Die Bedingungen: | |
Die FDLR will selbst bestimmen, wann und wo diese 1.500 Kämpfer ihre Waffen | |
abgeben. Dann aber wollen sie von der UN mit Hubschraubern oder Lastwagen | |
abgeholt und zusammen mit Frauen und Kindern nach Maniema gebracht werden. | |
## Aus solchen Angeboten wurde bisher nie etwas | |
Ein solches Angebot seitens der stärksten Rebellengruppe des Kongo wäre ein | |
Meilenstein. Doch ist es ernst gemeint? Die FDLR hat bereits mehrfach | |
solche Angebote unterbreitet – nie wurde etwas daraus. | |
Über Frieden zu reden, passt allen Akteuren ins Konzept. Im November stehen | |
im Kongo Wahlen an, und Präsident Joseph Kabila steht unter Druck, seine | |
Wahlversprechen von 2006 zu erfüllen, darunter die Befriedung des Ostens. | |
Auch der UN-Mission Monusco käme eine Selbstentwaffnung der FDLR gelegen: | |
Die ruandische Hutu-Miliz gilt als Haupthindernis für Frieden im Ostkongo. | |
In ihrer Führungsriege tummeln sich zahlreiche Täter des Völkermordes in | |
Ruanda 1994. | |
Ohne die FDLR zu zerschlagen, kann sich die UNO nicht aus dem Kongo | |
zurückziehen. Doch im Juni muss der UN-Sicherheitsrat erneut das Mandat | |
verlängern und in New York will man die 20.000 Blauhelme lieber früher als | |
später abziehen. Das UN-Demobilisierungsprogramm für die FDLR hat seit 2002 | |
knapp 10.000 Kämpfer entwaffnet und nach Ruanda zurückgebracht. Es wird | |
geschätzt, dass noch maximal 3.000 übrig sind. Wenn die 1.500 wichtigsten | |
davon ohne Waffen nach Maniema gingen, wäre die FDLR praktisch erledigt. | |
Der Umzug nach Maniema käme auch vielen FDLR-Kommandeuren gelegen, weil sie | |
dann nicht nach Ruanda gehen und sich dort womöglich für mutmaßliche | |
Mitwirkung beim Genozid verantworten müssten. Die FDLR-Führung schickte | |
bereits letztes Jahr eine Erkundungsmission nach Maniema. Dort gibt es | |
Bergwerke, die Einkommen garantieren. | |
## Die Miliz ist geschwächt, aber nicht gebrochen | |
Doch warum sollte die FDLR nach 16 Jahren Krieg jetzt die Waffen abgeben? | |
Militäroperationen von UN und Kongos Armee haben die Miliz in den letzten | |
zwei Jahren geschwächt. Doch drei Angriffe auf ihr Hauptquartier in Kimua | |
hat sie überstanden und auch Gebiete zurückerobert. Die Verhaftung der | |
politischen Führung in Deutschland und Frankreich hatte zeitweilig der | |
Kampfmoral geschadet, sie aber nicht gebrochen. | |
Auf einem FDLR-Führungstreffen im Hauptquartier im Januar wurde | |
beschlossen, die Wahl eines neuen Präsidenten als Nachfolger des in | |
Deutschland verhafteten Murwanashyaka auf 2016 zu vertagen. Das spricht | |
nicht dafür, dass die Miliz sich alsbald auflösen will. Zum neuen | |
Vizepräsidenten und Chef des Oberkommandos wurde Militärchef Sylvestre | |
Mudacumura gewählt, der als Hardliner gilt. | |
Mudacumura rekrutiert jetzt vermehrt Kongolesen. Drei von vier | |
FDLR-Bataillonen sollen aus Süd- nach Nordkivu verlegt werden. In Nordkivu | |
verlagern sich die Truppen in Richtung Grenze zu Ruanda, was Ruandas Armee | |
zum Aufmarsch veranlasst hat. Es sieht fast so aus, als rüste sich die FDLR | |
zum letzten Gefecht. Um Zeit zu gewinnen, ohne Angriffe fürchten zu müssen, | |
scheinen langwierige Verhandlungen über ein Friedensangebot genau die | |
richtige Taktik zu sein. | |
7 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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