# taz.de -- Islamisten in Nigeria: Anti-Terror mit Kollateralschäden | |
> Die Jagd auf die islamistische Boko Haram in Nigeria betrifft auch die | |
> Nachbarländer Niger, Tschad und Kamerun. Unter den Opfern sind sogar | |
> Kinder auf Koranschulen. | |
Bild: Seit Weihnachten 2011 starben über 300 Menschen im Kampf zwischen Boko H… | |
BERLIN taz | Während die islamistische Terrorgruppe Boko Haram nahezu | |
täglich neue Anschläge in Nigeria verübt, nehmen sich Nigerias Behörden im | |
Kampf gegen die Sekte vor allem Ausländer zum Ziel. 11.000 Bürger der | |
Nachbarländer Niger und Tschad seien in den vergangenen sechs Monaten im | |
Rahmen der Bekämpfung von Boko Haram ausgewiesen worden, erklärte Anfang | |
dieser Woche ein Sprecher der nigerianischen Migrationsbehörde. „Wir haben | |
die Pflicht, unser Land von diesen unerwünschten Elementen zu befreien“, so | |
Joachim Olumba. | |
Wie das in der Praxis aussieht, berichtete am Dienstag die Internationale | |
Organisation für Migration (IOM). Ein IOM-Team fand auf einer | |
Erkundungsreise gemeinsam mit der tschadischen Flüchtlingsbehörde im Dorf | |
Ngouboua 30 Kilometer von der Grenze entfernt eine Gruppe von 800 | |
Tschadern, die nach eigenen Angaben aus Nigeria über den Tschadsee geflohen | |
waren. Sie bräuchten dringend Nahrung, Wasser, medizinische Versorgung und | |
Weitertransport, so die IOM. | |
80 Prozent der Flüchtlinge seien Kinder im Alter zwischen sechs und 14 | |
Jahren, die von ihren Eltern nach Nigeria geschickt worden waren, um dort | |
Koranschulen zu besuchen; sie seien jetzt von ihren Lehrern (Marabouts) | |
begleitet. Die anderen seien christliche Familien, die zur Arbeitssuche | |
nach Nigeria gegangen waren. | |
Die Flüchtlinge berichteten, sie seien aus dem nigerianischen Dorf Douri | |
geflohen. In Douri hat es mehrfach Zusammenstöße zwischen Boko Haram und | |
dem Militär gegeben. Aus der Region sind auch zahlreiche Menschen in den | |
Norden Kameruns geflohen. Die meisten haben sich in Fotokol niedergelassen, | |
100 Kilometer vom nigerianischen Maiduguri entfernt. | |
## 200 Einwanderer verhaftet | |
So geht die Angst um, der Konflikt zwischen Boko Haram und Nigerias Staat – | |
der seit Weihnachten 2011 über 300 Tote gefordert hat – könnte die | |
Nachbarländer ergreifen. Nigerias Behörden gehen seit Monaten davon aus, | |
dass Boko Haram nur deshalb so stark ist, weil Kämpfer und Waffen aus den | |
Nachbarländern einsickern. | |
Ende Januar gab Nigerias Polizei bekannt, sie habe in Reaktion auf Angriffe | |
Boko Harams im nordnigerianischen Kano mit über 185 Toten am 20. Januar | |
zahlreiche Einwanderer aus Tschad verhaftet.„Wir haben fast 200 Angreifer | |
festgenommen und 80 Prozent davon waren Tschader, die als Söldner gekommen | |
waren“, erklärte ein Polizeisprecher damals. Zugleich hatte eine | |
UN-Kommission berichtet, Boko Haram habe Verbindungen zu islamistischen | |
„Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ (AQMI) sowie Zugang zu libyschen | |
Rüstungsbeständen. | |
Besonders hart getroffen ist Niger, das ohnehin in einer ungemütlichen | |
Position ist – Libyen im Norden, Nigeria im Süden. Ein Großteil der | |
nigrischen Bevölkerung lebt nahe der Grenze zu Nigeria. Nigerianische | |
Großhändler, meist Muslime, kaufen in Niger Vieh und Kamele und bringen | |
dafür Lebensmittel. Doch nach Überzeugung der Behörden beider Länder suchen | |
auch Aktivisten von Boko Haram immer wieder Schutz in Niger. | |
So ist zeitweise die Grenze geschlossen worden, der Fernhandel kam zum | |
Erliegen und die Lebensmittelpreise im Süden Nigers sind stark angestiegen | |
– in einer Zeit, in der ohnehin eine neue Hungersnot befürchtet wird und | |
zahlreiche Menschen aus Mali auf der Flucht vor dem neuen Bürgerkrieg dort | |
nach Niger kommen. Anfang Februar nahmen die Behörden im nigrischen Diffa | |
15 mutmaßliche Boko-Haram-Sympathisanten fest und beschuldigten sie, | |
Anschläge vorzubereiten. | |
1 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Kamerun | |
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