# taz.de -- Franzosen aus Kamerun entführt: Islamisten weiten Krieg aus | |
> Mit der Verschleppung von sieben französischen Touristen in Kamerun | |
> befinden sich jetzt 15 Franzosen in Afrika in islamistischer Geiselhaft. | |
Bild: Immer besser international vernetzt: Boko-Haram-Führer Shekau in einer V… | |
BERLIN taz | Der Waza-Nationalpark voller Elefanten, Giraffen und Antilopen | |
im äußersten Norden Kameruns an der Grenze zu Nigeria ist ein touristischer | |
Geheimtipp: Lediglich 3.000 Menschen besuchen ihn jedes Jahr. Für sieben | |
von ihnen ist der Park jetzt zum Verhängnis geworden: Die sieben Franzosen, | |
darunter vier Kinder, wurden in Dabanga nahe der Grenze verschleppt. | |
Nun ist eine multinationale Suchoperation mit Hubschraubern im Gange, und | |
Frankreichs Krieg gegen islamistischen Terror in Afrika, der das Land | |
bereits nach Mali führte, hat eine neue Front. | |
Die Entführung war öffentlich. Eine nigerianische Nachrichtenwebseite | |
zitiert einen kamerunischen Augenzeugen: „Das Auto der sieben Franzosen | |
steckte bei Dabanga im Sand fest. Eine Gruppe bewaffneter Männer kam auf | |
Motorrädern an und zwang die Europäer mit vorgehaltener Waffe, ihr Auto zu | |
verlassen. Sie wurden weggebracht, obwohl eine Menschenmenge zuschaute. | |
Niemand konnte ihnen helfen, weil die Kidnapper schwer bewaffnet waren.“ | |
Französische Stellen reagierten widersprüchlich. Erst machte | |
Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian die nigerianische Islamistengruppe | |
Boko Haram verantwortlich, später hieß es, man wisse nicht, wer die | |
Entführer seien. Le Drian schloss auch jeden Zusammenhang mit Frankreichs | |
Mali-Feldzug aus. | |
Der wird aber anderswo durchaus gesehen. „Sieben Franzosen in Kamerun | |
verschleppt: Boko Haram beteiligt sich am Krieg in Mali“, titelte die | |
algerische Zeitung Le Temps. | |
## Boko Haram beteiligt sich am Krieg in Mali | |
In Burkina Faso stellte L‘Observateur Paalga unter der Überschrift | |
„Französische Geiseln in Afrika: Die Liste wird länger“ die Frage: „Mal | |
sehen, welche Folgen diese neue Entwicklung auf die Operationen im | |
malischen Norden haben wird - beschleunigt sie den bereits angekündigten | |
Rückzug der Truppen der Trikolore, die sich aus dem malischen Sand | |
herausziehen wollen, um nicht festzufahren?“ | |
Wie zur Bestätigung betonte Minister Le Drian in Paris am Mittwoch, | |
Frankreich werde binnen Wochen aus Mali abziehen: „Es gibt keinen Grund für | |
uns, zu bleiben“. | |
Mit den neuen Geiselnahmen steigt die Zahl der in Afrika festgehaltenen | |
Franzosen auf 15. Und erst am Wochenende wurden im Norden Nigerias vier | |
Libanesen, ein Brite, ein Grieche und ein Italiener beim Überfall auf eine | |
Baustelle der libanesischen Firma Setaco entführt. Die islamistische Gruppe | |
„Ansaru“ bekannte sich dazu am Montag. | |
## Avantgarde für den Schutz der Muslime in Schwarzafrika | |
Laut einer Analyse des US-Thinktanks „Jamestown Foundation“ entstand | |
Ansaru, nachdem Nigerias Armee im Juli 2009 das Hauptquartier Boko Harams | |
in der Millionenstadt Maiduguri stürmte und rund 1000 Menschen tötete, | |
darunter Boko-Haram-Führer Muhammad Yusuf. Dessen Stellvertreter Abu Shekau | |
übernahm die Führung, aber ein Teil der Gruppe spaltete sich als | |
„Avantgarde für den Schutz der Muslime in Schwarzafrika“ (Jama‘atu Ansar… | |
Muslimina fi Biladis Sudan, abgekürzt Ansaru) ab. | |
Ansaru knüpfte Kontakte zur algerischen „al-Qaida im Islamischen Maghreb“ | |
(AQMI) und der malischen „Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika“ | |
(Mujao) - die beiden Gruppen, die in Nordmali bis zum Einmarsch Frankreichs | |
herrschten. Ansaru tötete im Januar zwei Offiziere bei einem Überfall auf | |
das nigerianische Armeekontingent, das gerade nach Mali aufbrechen sollte. | |
„Während Boko Haram sich auf Nigerias Innenpolitik konzentriert, scheint | |
Ansaru einen internationaleren Fokus zu haben“, schrieb am Dienstag der | |
ehemalige US-Botschafter in Nigeria, John Campbell, in seinem Blog. | |
Als einen Führer von Ansaru nennt das US-Außenministerium Khalid | |
al-Barnawi, der aus Niger stammen soll. Er und der in Algerien von al-Qaida | |
ausgebildete Nigerianer Adam Kambar seien für die Verschleppung von | |
Franzosen aus Niger nach Mali verantwortlich. | |
## Kameruns Norden als Rückzugsgebiet | |
Zu Boko Harams Führung wiederum gehört der Kameruner Mamman Nur. Er soll | |
nach nigerianischen Medienberichten inzwischen eine eigene Fraktion leiten. | |
Shekau selbst soll sich aber ebenfalls zeitweise nach Kamerun zurückgezogen | |
haben. Dass Kameruns Norden zum Rückzugsgebiet islamistischer Kämpfer wird, | |
führte schon mehrfach zu Militäroperationen und Genzschließungen. | |
Erst im Dezember 2012 verhafteten Kameruns Sicherheitskräfte 31 mutmaßliche | |
Boko-Haram-Kämpfer. „Die Mandara-Berge an der nigerianisch-kamerunischen | |
Grenze, wo die Staatsmacht schwach und Schmuggel allgegenwärtig ist, sind | |
ideal als Versorgungsroute, Versteck und Aufmarschgebiet“, schreibt das | |
Terrorismuszentrum der US-Militärakademie West Point in einer neuen | |
Analyse. | |
Frankreich hat nun allen seinen Staatsbürgern im Norden Kameruns geraten, | |
die Region zu verlassen. Auch vor Grenzregionen des Nachbarn Tschad wird | |
gewarnt. „Die Grenzregionen von Niger, dem Süden Libyens, Sudans und der | |
Zentralafrikanischen Republik ebenso wie die Region des Tschadsees“ listet | |
das Außenministerium in Paris seit Mittwoch offiziell als „rote Zone“. | |
20 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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