# taz.de -- Nigeria steuert auf den Abgrund zu: Präsident Goodluck im Pech | |
> Islamistenterror, Preiserhöhungen: Nigerias Präsident Goodluck Jonathan | |
> gerät in die Kritik. Ihm wird nicht mehr zugetraut, den Terror in den | |
> Griff zu bekommen. | |
Bild: Bombenanschlag vor einer christlichen Kirche in Suleja. | |
ABUJA taz | Goodluck Jonathan wirkt manchmal fast ein wenig gelangweilt, | |
immer aber sehr gelassen, wenn er sich der Öffentlichkeit präsentiert. | |
Dabei hat Nigerias Präsident, der erst letztes Jahr mit absoluter Mehrheit | |
gewählt wurde, noch nie so viel Kritik erfahren wie im Moment. Nigeria am | |
Rande des Abgrunds, Nigeria vor einem Bürgerkrieg, Kampf der Religionen in | |
Nigeria: So lauten seit ein paar Wochen die Schlagzeilen, ab und zu mit | |
kräftig Spott und Häme gespickt. | |
Immer weniger Nigerianer trauen Jonathan zu, die Probleme des afrikanischen | |
Riesen auch nur ansatzweise zu lösen. Die größte Schwierigkeit heißt | |
derzeit Boko Haram, die islamistische Sekte, die seit Monaten mit Angriffen | |
und Anschlägen demonstriert, wie viel Macht sie hat und wie gut sie | |
Nordnigeria in Schrecken versetzen kann. | |
Erst am Montag starben zwischen acht und 30 Menschen bei einem Angriff von | |
Boko Haram auf einen Markt in der Stadt Maiduguri im Nordosten des Landes | |
und einem darauf folgenden Schusswechsel mit Soldaten. | |
"Viele Menschen haben das Gefühl, der Präsident habe gar keine Ahnung, wie | |
er mit diesem Terror umgehen soll. Es hat lange gedauert, bis er überhaupt | |
erste Maßnahmen ergriffen hat", sagt Clement Nwankwo, | |
zivilgesellschaftlicher Aktivist und Leiter des "Zentrums für Politik- und | |
Rechtsberatung" in Abuja. | |
Zwar versuche die Regierung seit einigen Wochen verstärkt, durch | |
Verhaftungen und - meist nutzlose - Polizeikontrollen den Terror zu | |
bekämpfen. All das hätte, so findet Nwankwo, jedoch schon viel früher | |
geschehen müssen. | |
## Ohne Geld läuft nichts | |
Ein nigerianischer Präsident ist laut Verfassung eigentlich mit viel Macht | |
ausgestattet. Er ist Oberkommandierender der Streitkräfte, Staatsoberhaupt | |
und Regierungschef in einer Person. So lautet die Theorie. Doch wer in | |
Nigeria Präsident werden will, braucht viel Geld, ein weitreichendes | |
Beziehungsgeflecht sowie wohlhabende und einflussreiche Unterstützer. | |
"Ein gewählter Präsident ist seiner Klientel verpflichtet und kann nicht | |
mehr so frei agieren, wie er gerne möchte", analysiert Klaus Pähler, der | |
das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Abuja leitet. | |
Vielleicht kann der Präsident deshalb gegen Boko Haram auch nicht so | |
vorgehen, wie es nötig wäre. Denn es gibt Vermutungen, dass die | |
Hintermänner durchaus bekannt sind, doch der Regierung die Hände gebunden | |
sind. | |
## Mächtige Strippenzieher | |
Hinter der Gruppe sollen mächtige Männer stecken, die die Politik - etwa im | |
Rahmen von Wahlkämpfen - mitfinanzieren. | |
Allerdings ist Boko Haram nur eins der vielen Probleme Nigerias derzeit. | |
"Es gibt keine klare Richtung, wohin sich die Wirtschaft entwickeln soll", | |
sagt Nwankwo. So wurde Anfang Januar die Abschaffung der Benzinsubvention | |
mit einem einwöchigen Generalstreik und Demonstrationen quittiert. | |
Ökonomisch betrachtet, machte die Entscheidung zwar Sinn, doch der | |
Zeitpunkt war völlig falsch gewählt. Mittlerweile hat sich der Preis zwar | |
auf 97 Naira für einen Liter Benzin - knapp 50 Euro-Cent - eingependelt, | |
und die Wogen haben sich geglättet. | |
Seit ein paar Tagen ist aber im Gespräch, den Strompreis um bis zu 88 | |
Prozent zu erhöhen. Davon aber werden vermutlich längst nicht so viele | |
Menschen betroffen sein. Denn das Stromnetz ist so marode, dass es je nach | |
Region tage- oder wochenlang zusammenbricht. | |
22 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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