# taz.de -- Leipziger Musikclub IFZ schließt: Hypezig ist vorbei | |
> Der Leipziger Club „Institut fuer Zukunft“ verkündet kurz nach seinem | |
> zehnten Geburtstag die Schließung – aus finanziellen und politischen | |
> Gründen. | |
Bild: Auch während der Coronoazeit geschlossen: Eingungstür des IfZ in leipzig | |
Es sind drei Tage Begegnung, Ekstase, Ausgelassensein. Ein Wiedersehen mit | |
alten Bekannten und Freund*innen und ein Aufeinandertreffen von | |
Generationen: Noch im April feierte der [1][Leipziger Club Institut fuer | |
Zukunft (IfZ)] zum zehnjährigen Bestehen mit Punkkonzert, Clubnacht und | |
Day-Rave das, wofür der Club bei seiner Gründung antrat: „Another sound is | |
possible“. Ein Sound, der die [2][Leipziger Clublandschaft] immens prägen | |
sollte. | |
Doch Ende Mai, nur wenige Wochen nach dem zehnten Geburtstag, steht fest: | |
Das Institut für Zukunft muss schließen. Bis Ende des Jahres wird der Club | |
in seiner aktuell bestehenden Form noch Veranstaltungen machen, danach | |
heißt es Goodbye Zukunft. | |
2014 eröffnete eine Gruppe Mittzwanziger den Club mit dem Ziel, etwas Neues | |
zu schaffen: Nichtkommerziell, diskriminierungsfrei und basisdemokratisch – | |
so weit das als Unternehmen eben möglich ist. Das IfZ war der erste | |
Leipziger Club mit Safer Clubbing und Awarenesskonzept und leistete | |
Pionierarbeit in Sachen Empowerment von FLINTA an den Decks. Vom | |
Musikmagazin Groove wurde der Club unter die beliebtesten Deutschlands | |
gevotet, vom Bundeskulturministerium mehrfach mit dem „Applaus Award“ für | |
Livespielstätten ausgezeichnet – im Jahr 2018 sogar auf Platz 1. | |
## Ein Raum der Selbstverwirklichung | |
Mit dem Institut fuer Zukunft verabschiedet sich ein Ort, der für Leipzig, | |
Ostdeutschland und die internationale Clubkultur von großer Bedeutung war. | |
Neben den Partys gab es zahlreiche Lesungen, Podiumsdiskussionen und | |
Workshops, die vor allem vom inzwischen aufgelösten hauseigenen Verein | |
„Kulturraum e. V.“ (KreV) umgesetzt wurden. In die Stadt wirkte der Club | |
nicht nur als Magnet für Raver, sondern auch als kulturpolitischer Akteur: | |
So waren Vertreter*innen des IfZ 2018 maßgeblich an der Abschaffung der | |
Sperrstunde in Leipzig beteiligt. Und während der Coronapandemie | |
beherbergte der Club kurzerhand Testzentrum und Impfstation. | |
Für viele wurde das IfZ zum Herzensort, der Potenzial zu Entfaltung und | |
Empowerment bot. Auch für Luisa. Sie kam als Gästin in den Club, | |
entwickelte sich zum DJ weiter und ist nun für die Öffentlichkeitsarbeit | |
festangestellt. „Ich habe hier meine Leidenschaft für Clubkultur entdeckt“, | |
sagt sie. Sie habe im IfZ Konzepte entwickeln und verwirklichen und so auch | |
anderen Nachwuchsmusiker*innen eine Bühne bieten können. „Dieser Raum | |
der Selbstverwirklichung bricht mit der Schließung weg.“ | |
Wie kann es sein, dass ein so erfolgreicher und kulturell reicher Ort | |
schließen muss? | |
Es gibt viele Antworten auf diese Frage. Eine davon ist simpel: Das Geld | |
fehlt. „Ob Corona, Inflation, interne Konflikte oder das Sterben der | |
Clublandschaft – die letzten Jahre haben uns vor wahnsinnig viele | |
Herausforderungen gestellt“, sagt Gründungsmitglied und Geschäftsführer | |
Franz Thiem. „Am Ende stehen wir vor einer finanziellen Situation, die uns | |
keine Wahl lässt.“ | |
Von den Einbußen der Pandemie hat sich der Club nie richtig erholt, | |
insbesondere die anstehenden Rückzahlungen der staatlichen Coronahilfen | |
stellen eine große Herausforderung dar. Hinzu kommen Inflation und eine | |
gesamtgesellschaftliche Krise, in der zwar die Preise für sämtliche | |
Ausgaben steigen, die Einkommen der Gäst*innen aber nicht. „17 Euro | |
Eintritt – das können sich viele schlichtweg nicht mehr regelmäßig | |
leisten“, so Thiem. Die Utopie einer Clubkultur, die nach Freiheit, | |
Antidiskriminierung und Kollektivität strebt, wird von der kapitalistischen | |
Realität eingeholt. | |
## Der Druck der Positionierung | |
Aber neben dem finanziellen Druck sind es auch politische Gründe, die das | |
IfZ zunehmend in Bedrängnis gebracht haben. Insbesondere nach dem 7. | |
Oktober stieg international der Druck auf Kulturinstitutionen, sich | |
eindeutig zur Israel-Palästina-Debatte zu positionieren. Im Falle des IfZ | |
stieß die Positionierungsfrage auf eine uralte linke Debatte: Positioniert | |
man sich solidarisch mit Israel oder mit Palästina? Geht vielleicht sogar | |
beides? Oder aber: Positioniert man sich gar nicht? | |
„Wir haben uns bemüht, einen Mittelweg zu finden und Raum für alle Menschen | |
zu bieten – auch jene, die von Rassismus und/oder Antisemitismus betroffen | |
sind“, sagt Thiem. „Aber wir können nicht auflösen, worüber sich andere | |
seit Jahrzehnten streiten.“ Intern wurde immer wieder um eine Einigung | |
gerungen. Es gab Stimmen, die sich für eine internationale Szene und damit | |
pro-palästinensischen Positionen gegenüber öffnen wollten – und Stimmen, | |
die das vehement ablehnten. Thiem sagt: „Der Versuch, Positionen zu | |
verbinden und Widersprüche auszuhalten, ist gescheitert.“ | |
Analog dazu veränderte sich auch die Leipziger Clubszene und mit ihr die | |
Positionierungen: War Leipzigs Linke lange von israelsolidarischer Haltung | |
dominiert, wurden zunehmend auch internationale und (post-)migrantische | |
Stimmen laut, die sich palästinasolidarisch positionierten. Auch im Club: | |
Die Ansprüche der Gäst*innen veränderten sich, immer mehr forderten auch | |
BIPOC in der vormals von weißer Hegemonie geprägten Clubszene Leipzigs | |
ihren Raum und ihre Positionen ein. | |
Lokal wie international wird in der Clubkultur [3][mehr denn je über die | |
Frage nach politischer Positionierung gesprochen], werden | |
Kulturinstitutionen gecancelt oder [4][Veranstaltungen boykottiert]. Im | |
Falle des Institut fuer Zukunft führte das dazu, dass sowohl | |
pro-palästinensische als auch pro-israelische Akteure den Club hinaus | |
boykottierten – mit Strahlkraft weit über Leipzig hinaus und Konsequenzen, | |
die sich auf die Wirtschaftlichkeit des Clubs auswirkten. Die Folge: | |
Musiker*innen sagten ihre Gigs ab, Gäst*innen blieben weg, der Laden | |
geriet international in Verruf. | |
## Der Hype ist vorbei | |
Die Schließung reiht sich ein in eine Gesamtentwicklung der Stadt: Die | |
einstige Utopie des Leipzig, in dem alles möglich und mit wenig Geld | |
umsetzbar ist, ist der Aufwertung zu einer gehypten Metropole gewichen, in | |
der Mietpreise steigen, Flächen verbaut werden und Freiräume verschwinden. | |
Allein in diesem Jahr mussten zwei weitere Leipziger Clubs ihre Türen | |
schließen: Der traditionsreiche Techno-Club Distillery und das | |
experimentell-elektronische Clubprojekt Mjut. Im Falle der Distillery wird | |
es einen neuen Standort geben – im Falle des Mjut bespielen neue Betreiber | |
den alten Ort. | |
Und beim Institut fuer Zukunft? | |
„Wir können dazu aktuell noch nichts sagen“, so Thiem. Erst einmal stehe im | |
Vordergrund, mit den letzten Monaten einen guten Abschied mit den vielen | |
Wegbegleiter*innen zu finden. | |
29 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Mina Brucht | |
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