# taz.de -- Historische Partykultur in Leipzig: Hüften schwingen wie in der DDR | |
> Viele der Leipziger Bars gibt es schon seit Jahrzehnten. Dabei war das | |
> Feiern unter dem Sozialismus nicht immer einfach. | |
Bild: Seit fast 40 Jahren wird in der Moritzbastei getanzt und gefeiert | |
LEIPZIG taz | Wer cool sein will, zieht nach Leipzig. Sagen manche. Und | |
geht dann auf die „Karli“ oder ins Institut für Zukunft (IfZ), um zu | |
feiern. Vor 30 Jahren war das undenkbar, niemand sprach in Leipzig von | |
Weggehkultur. Ein richtiges Partyleben gab es zu DDR-Zeiten nicht. Das | |
hatte einen einfachen Grund: Im Arbeiter-und-Bauern-Staat musste ein | |
Großteil der Bevölkerung früh raus. Schichtbeginn war meist um sechs. Da | |
blieb wenig Spielraum für ausgedehnte Zechgelage. | |
Die meisten Kneipen schlossen spätestens um 23 Uhr. Wer sich bis dahin | |
nicht betrank, ging nüchtern ins Bett. Andere Bedingungen, andere | |
Erwartungen. Studierende oder „Privilegierte“, deren Schicht später begann, | |
verlagerten dann das Abendprogramm ins Private. Wenn man Glück hatte, gab | |
es einen „Bekannten“, der irgendwo in der Stadt eine Hausparty | |
veranstaltete. | |
Olaf Walter war einer dieser „Bekannten“. Er, der vor 15 Jahren die | |
Szenekneipen „Besser Leben“ und danach das „Noch Besser Leben“ gründet… | |
lud schon zu DDR-Zeiten regelmäßig zum geselligen Umtrunk in seine | |
Dachgeschosswohnung im Leipziger Zentrum. Meistens standen diese Feiern | |
unter einem Motto: „Man hat sich immer ein bisschen Mühe gegeben, wenn man | |
eingeladen hat. Von der Qualität des Alkohols war leider nicht so viel zu | |
erwarten, deswegen wollten wir das durch unsere Kreativität wettmachen.“ | |
Auf einem alten Foto sind Leute mit Gasmasken und Bierflaschen zu sehen. | |
Ein anderes dokumentiert eine Wohnung, deren Boden mit zerknülltem | |
Zeitungspapier bedeckt ist. Das dritte Foto zeigt den heute 53-jährigen | |
Olaf Walter mit Monokel. „Wir lebten ja in einem Arbeiter-und-Bauern-Staat. | |
Da war diese intellektuelle Attitüde eine wunderbare Sache.“ | |
Abseits der Hauspartykultur bestanden kaum Alternativen. „Clubbing“ war | |
noch nicht erfunden. Wer in die 1979 von Studierenden gegründete | |
Moritzbastei wollte, musste sich rechtzeitig um ein Ticket kümmern. Spontan | |
kam man nirgendwo rein. Gäste, die eine Eintrittskarte ergattern konnten, | |
erwartete meist ein spezielles Abendprogramm. Die Bands und DJs – damals | |
bekannt als „Schallplattenunterhalter“ – bedurften der offiziellen | |
Einstufung staatlicher Kommissionen. | |
In erster Linie aber ging es ums gesellige Beisammensein. „Wenn hinterher | |
alle zur Musik rumgehopst sind, dann war das zwar erfreulich, aber nicht | |
das primäre Ziel“, erinnert sich Walter. Mit gemischten Gefühlen denkt er | |
zurück an seine „wilden Jahre“ in der DDR: „Es war eine ziemlich blöde | |
Zeit, da man in seiner Freiheit eingeschränkt war. Da muss man sich nichts | |
vormachen. Aber Herrgott, wir waren jung, wir waren verliebt.“ Er überlegt | |
kurz und schiebt hinterher: „Es war eigentlich auch eine geile Zeit.“ | |
13 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Francis Kahwe Mohammady | |
## TAGS | |
Schwerpunkt taz Leipzig | |
DDR | |
Saufen | |
Party | |
Protest | |
Schwerpunkt taz Leipzig | |
Mauerfall | |
Kampnagel | |
Homosexualität | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zwang zur nächtlichen Ruhe: Pause für die Partykultur | |
Leipzig hat lange mit seiner liberalen Haltung gegenüber Nachtclubs | |
geworben. Doch eine Sperrstunde für das IfZ markiert einen Kurswechsel. | |
20. Geburtstag von „Monika Enterprise“: Punkige Vögel, hypnotische Sequenz… | |
Das Label der Musikerin und Managerin Gudrun Gut wird 20. Auf dem Album | |
„Monika Werkstatt“ gibt sie dem Nachwuchs den Vorzug. | |
Tanzstück auf Kampnagel: Zottelwesen tanzt nicht | |
Der französische Choreograf Christian Rizzo bezieht sich ohne Nostalgie in | |
„Le syndrome Ian“ auf die Klubkultur der späten 70er | |
Erinnerungen ans Berliner Nachtleben: Das Feiern auf Papier | |
Die Zeit scheint gerade gut für Bücher mit Erinnerungen an die Partykultur. | |
Mit „Nachtleben Berlin“ wird noch einmal opulent nachgelegt. | |
Homotaz Freundschaft: Auf den Kopf gestellt | |
Als Hetero mit Heteros tanzen? Geht schon, macht aber nicht so viel Spaß. | |
Die schwule Partykultur ist populär – und ist seit langem Lernort für | |
Heteros. |