# taz.de -- Laptop-Lernen in Corona-Zeiten: Abgehängte Schüler | |
> Ärmeren Schülern fehlt die digitale Infrastruktur, um zu Hause lernen zu | |
> können. In Hamburg haben weder Schul- noch Sozialbehörde eine Lösung. | |
Bild: Kleiner Bildschirm, keine Tastatur: Smartphones allein sind keine gute Vo… | |
HAMBURG taz | Seit einer Woche sind Hamburgs [1][Schulen dicht], und das | |
soll bis zum 19. April so bleiben. Während Mittelschichtseltern in den | |
letzten Tagen noch alles dran setzten, um ihre Kinder mit Laptops und | |
Druckern für den Heimunterricht auszustatten, fehlt Kindern ärmerer | |
Familien oft diese digitale Infrastruktur. „Es droht jetzt eine | |
Zwei-Klassen-Beschulung“, warnt eine Schulsozialarbeiterin im Gespräch mit | |
der taz. | |
Sie betreue Schüler, die Anfang Mai Prüfungen für den Ersten und den | |
Mittleren Schulabschluss schreiben müssen. Viele hätten nur Smartphones mit | |
wenig Datenvolumen, auf denen sie nicht mal eine PDF-Datei öffnen können. | |
„Es ist anstrengend, auf diesen kleinen Bildschirmen zu arbeiten. Die | |
schreiben darauf ihre Hausarbeiten ohne Tastatur.“ Das dauere lange und sei | |
schlecht für die Augen. Auch einen Drucker hätten diese Schüler nicht zu | |
Hause. | |
Sie kenne auch Familien, in denen sich drei Kinder ein Laptop teilen | |
müssen. „In der jetzigen Krise wäre es wichtig, dass jeder Schüler einen | |
eigenen PC hat. Schulbehörde und Sozialbehörde sollten dafür spontan Mittel | |
frei machen“, fordert die Schulsozialarbeiterin, die nicht mit Namen in der | |
Zeitung stehen möchte. | |
Immerhin gibt es [2][Gerichtsurteile aus anderen Ländern], wonach ein PC | |
mit Drucker und Software im Wert von 600 Euro zum Bedarf eines Schülers | |
gehört, die Jobcenter dies also bewilligen müssten. | |
## Kein Drucker in der Unterkunft | |
Auch Simone Will von der Organisation Kids Welcome, die bis zur Coronakrise | |
Spielzeiten für Kinder in Unterkünften anbot, sieht Probleme. „Ich bekomme | |
Rückmeldung von vielen ehrenamtlichen Helfern, dass es für Kinder und | |
Eltern schwer ist.“ Nötig wären Muttersprachler, die den Eltern das | |
Homeschooling vermitteln. Auch räche sich, dass nicht flächendeckend | |
stabiles WLAN eingeführt wurde. Denn die Lehrer-Mails verbrauchten oft viel | |
teures Datenvolumen, auch Skypen mit Lehrern sei „schwierig“. | |
Laut Susanne Schwendkte, Sprecherin des Landesbetriebes Fördern und Wohnen, | |
leben 6.390 Schulkinder in Unterkünften. Jede Familie sei ein eigener | |
Haushalt, ob die Laptops, Schreibtische, Drucker oder WLAN besitzen, | |
erfasse man nicht. Nach Berichten der Kollegen vor Ort hätten die meisten | |
mobiles WLAN oder Sticks. Aber Eltern wendeten sich an die | |
Unterkunftsleitung, wenn etwas ausgedruckt werden müsse. Dann bitte man die | |
Schule, dem Kind die Aufgaben anders zukommen zu lassen. | |
Die Linke Sabine Boeddinghaus hat auch gehört, das Laptops fehlen. Hier | |
müssten Gelder des Digitalpakts „ad hoc“ ausgeschüttet werden, fordert si… | |
Was etwas ernüchternd ist: Hamburg bekommt zwar 128 Millionen Euro aus dem | |
Digitalpakt des Bundes, aber die helfen nun wenig. „Wir sind nicht in der | |
Lage, 250.000 Schüler digital auszustatten“, sagt Schulbehördensprecher | |
Peter Albrecht. | |
Die Digitalisierungsstrategie setzt darauf, die Schulen mit WLAN | |
auszustatten und die Kinder eigene Geräte mitbringen zu lassen. Zwar sollen | |
die Schulen 30.000 Tabletts und Laptops bekommen, um die an Kinder zu | |
verleihen. Doch auch dafür wurde das Geld erst vor Kurzem bewilligt. Einen | |
Überblick, wie viele Schüler zu Hause Geräte haben, hat die Behörde nicht. | |
Albrecht sagt, jede Schule müsse gucken, wie ihre Schüler lernen, hier sei | |
„Kreativität und Pragmatismus“ nötig. Die Schule Alter Teichweg habe | |
Honorarkräfte eingesetzt, um Papiere zu den Schülern zu bringen. Jedes Kind | |
aus Digitalpakt-Mitteln mit einen Endgerät auszustatten, wäre gar nicht | |
zulässig. Schon die 30.000 habe Hamburg hineinverhandelt. | |
## Eltern müssen Ersatzlehrer spielen | |
Als der Digitalpakt verhandelt wurde, gab es allerdings auch noch keine | |
Corona-Krise. Sozialarbeiter fordern nun, die Stadt sollte die Jobcenter | |
anweisen, Anträge für Schul-Laptops zu bewilligen. Eine Klage gegen einen | |
negativen Bescheid würde voraussichtlich gewonnen. | |
Sozialbehördensprecher Martin Helfrich indes sagt, diese Anschaffung sei | |
„vom Regelsatz abzudecken“, werde also nicht bewilligt. Die Schüler müsst… | |
zudem durch „die Infrastruktur der Schule“ versorgt werden. | |
Unterdessen beklagt Maik Findeisen von der Gruppe Parentsmagazin, dass | |
derzeit die Eltern Ersatzlehrer spielen müssen und „sehr im Stress“ sind. | |
„Die Lehrer überschlagen sich mit Aufgaben, weil der Schulsenator sagt, der | |
Unterricht geht normal weiter.“ Die Kinder bekämen zu viele Mails mit | |
Aufgaben, die unkoordiniert einträfen, teils noch um 23 Uhr. „Das ist alles | |
sehr oldschool“, sagt der Vater. „Da ist nichts interaktiv.“ Es räche si… | |
dass Hamburg keine Online-Lernplattform hat, wo Schüler sich einloggen | |
können, wie im Saarland oder Köln. Nötig wäre auf jeden Fall, die Prüfungen | |
zu verschieben. | |
23 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Schulsenator-wirbt-fuer-Schulbesuch/!5668857/ | |
[2] https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2426/ | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Digitalpakt | |
Schule | |
Digitales Lernen | |
Hamburg | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Digitalpakt | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Digitales Lernen | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Unterricht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Lockerungen in Schleswig-Holstein: Öffnung von Kitas und Grundschulen | |
In Schleswig-Holstein können wieder alle Kinder in die Kita, und ab 8. Juni | |
auch zur Grundschule. Bremen will dem folgen. GEW sieht das kritisch. | |
Fernuntericht in Corona-Pandemie: Für Arme reicht analog | |
Hamburger Schüler erhalten das Geld aus Laptop-Programm des Bundes nicht | |
selbst. Stattdessen kauft die Behörde Geräte und verleiht sie – das dauert. | |
Kinderstimmen zur Corona-Pandemie: „Angst habe ich nicht“ | |
Der Kampf gegen das Virus hat das öffentliche Leben zum Stillstand | |
gebracht. Wie gehen Kinder mit den Einschränkungen um? | |
Isolation wegen Schulschließungen: Vernachlässigte Kinder | |
Wissenschaftler fordern, in der Krise die Kinder besser zu schützen. Wie | |
ist Hamburg diesbezüglich aufgestellt? | |
Vater zu Regeln für Heim-Unterricht: „Video-Chats sind Eingriff in Privatsph… | |
Eine Hamburger Schule forderte, während der Coronakrise Skype-Accounts für | |
die Kinder anzulegen. Maik Findeisen schaltete Datenschutzbeauftragten ein. | |
Lernen von zu Hause: Sofatutor für alle | |
Die Schulen sollen verstärkt Lernprogramme nutzen. Die | |
BildungsministerInnen von Bund und Ländern stellen dafür 100 Millionen Euro | |
bereit. | |
Lernen zu Hause: Das Schul-Experiment | |
Jahrelang war digitales Lernen für Lehrer:innen und Schüler:innen ein | |
Randthema. Corona ändert das. Alle lernen digital. Geht das? | |
Schulsenator wirbt für Schulbesuch: Verstörung nach Videobotschaft | |
Hamburgs Schulsenator erklärt per Video, wenn Kindern langweilig sei, | |
könnten sie zur Schule gehen. Darüber sind Gewerkschaften und | |
Elternvertreter irritiert. | |
Digitalisierter Unterricht in Hamburg: Smartphones werden Lehrmittel | |
Hamburg startet eine digitale Lernplattform, für deren Nutzung Schüler ab | |
10 Jahren Smartphones einsetzen sollen. Manche Eltern sind damit gar nicht | |
glücklich. |