Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Laibach mit neuem Album: Im musikalischen Schlachtengemälde
> Ganz zart klingen die slowenischen Industrialpioniere Laibach auf dem
> Album „Spectre“. Eine neues Buch nimmt die Gruppe zum Tourstart unter die
> Lupe.
Bild: Mehr Mythos als Verstörungspotential: Mina Spiler und Milan Fras vom Mus…
Das geht ja flott los, mit einem munteren Pfeifen. Als ob man gleich mit
dem ersten Titel des neuen Laibach-Albums in einen musikalischen Wandertag
hineingeraten wäre. Raus aufs Land. Klingt fast nach Country, fröhlich wird
die Trommel geschlagen, heißa. Wirklich hübsch. „The Whistleblowers“ nennt
sich das Lied.
Und das sollen jetzt Laibach sein, die slowenischen Stiefelrocker, zuletzt
mit dem Soundtrack zu der Naziklamotte „Iron Sky“ auffällig geworden? Es
ist nun nicht wirklich so, dass man tatsächlich darauf gewartet hätte, sich
die Welt mal so richtig von Laibach erklären zu lassen. Selbst wenn man bei
den Propagandaabteilungen pflichtgemäß dieser Auffassung ist.
Erstmals, heißt es in der Pressemitteilung der Plattenfirma, soll es bei
Laibach politisch auf den Punkt zugehen und nicht mehr im Nebel der
Zweideutigkeiten gestochert werden. Nichts weniger als der „Übergang vom
Abstrakten zum Konkreten“ ist mit dem neuen Album „Spectre“ versprochen.
Doch natürlich handelt es sich nur wieder um eine Desinformationskampagne,
möchte man nicht gleich so arglose Liedzeilen wie „If you wanna change the
world / You’d better do it with a thrill“, wie es Laibach in „Americana“
singen, als Handlungsanweisung verstehen.
Das wäre nun auch ein echter Witz. Laibach, die Meister der doppelzüngigen
Paradoxie und der semiotischen Verwirrspiele, auf Eindeutigkeiten
festnageln zu wollen.
Die Band, die mal mit einem sybillinischen „wir sind genauso Faschisten,
wie Hitler ein Maler war“ den Faschismusvorwurf konterte, der Laibach die
ersten Jahre treu begleitete. Allein schon der Name: mit dem deutschen
Namen für Ljubljana machte die Band 1980 im ehemaligen Jugoslawien gleich
mal eine Krawallansage.
## Soundtrack der „bewaffneten Invasion“
So denkt man bei „The Whistleblowers“, wie es einem der Titel vorschreibt,
natürlich erst mal an eine Würdigung der Snowdens dieser Welt, um zum
Schluss des Liedes mit seiner unerbittlichen Trommel doch in einem
musikalischen Schlachtengemälde zu landen, das Laibachs Musik zu eben dem
großartigen Soundtrack macht „für eine bewaffnete Invasion in ein kleines,
neutrales Land“, wie ein Kritiker das auch wieder für „Spectre“ beschrie…
Ist alles da: der Discorock-Krawumm mit dräuenden Chören und
Horngeschmetter.
Die Rhythmen peitschen, die Musik zuckt. Die Fanfaren, die Pauken, der
Pomp. Schwulst und Härte. Halt der klassische Stiefelschritt Laibachs. Nur
dass dabei der Sängerin Mina Spiler reichlich Raum gegönnt wird auf
„Spectre“ und Milan Fras mit seiner Feldherrenstimme mal etwas milder
grummelt.
Überhaupt hat man den Laibach’schen Stahlgewitterrock schon forscher
gehört. Träge klingt es manchmal auf „Spectre“, an sich selbst ermüdet. …
Dienst nach den Vorschriften, die man sich mal gemacht hat.
## Laibach: eigentlich ein Mythos
Wie Kraftwerk sind Laibach, die Industrialpioniere und Musikstrategen mit
Kunsthintergrund, eigentlich ein Mythos. Gelegentlich noch praktizierend,
dabei vor allem auf sich selbst und seine Geschichtlichkeit schauend. Das
einstige Verstörungspotenzial ist aufgerieben, man hat es von der
Aufregerband aus Jugoslawien zu einem der prominentesten Kulturexporte
Sloweniens geschafft.
Längst abgeschlossen ist der Prozess der eigenen Kunstwerdung, die man auch
noch mal detailliert in dem jetzt auf Deutsch erscheinenden Buch des
Kulturtheoretikers Alexei Monroe nachlesen kann, „Laibach und NSK. Die
Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör“, das entschieden eine
wissenschaftliche Erkundung des Phänomens Laibach sein will.
## Alexei Monroe: "Laibach und NSK"
Letztlich wird deren Arbeit dabei als „eine Art von mystifizierender
Demystifikation durch eine Art (re-)konstruktiver Dekonstruktion“ erklärt.
Tja. Irgendwie Aufklärung mit antiaufklärerischen Mitteln.
Die Ergründung der Beziehung zwischen Kunst und Ideologie sei das Leitthema
Laibachs, „einschließlich der gesellschaftlichen Medien ’Nation‘ und
’Staat‘“, schreibt Monroe. Und das geht auch ein paar Nummern kleiner,
nicht Nation, nicht Staat und nicht die „Whistleblowers“, sondern direkt
beim Konsumenten angesetzt, der letztlich doch auch so ein
„gesellschaftliches Medium“ ist mit seinen Hörgewohnheiten, die er mit
„Spectre“ noch einmal selbst hinterfragen darf.
„Spectre“, eine neuerliche musikalische Versuchsanordnung, wie viel an
Reichsparteitagsstimmung, Wagnerpomp und Überwältigungsgestik es denn bitte
schön noch sein darf.
Eine echte Aufgabe könnten sich Laibach aber schon mal wieder stellen.
Schön und schlüssig wäre ein Album der Recyclingspezialisten mit
Coverversionen von Rammstein (die alles von Laibach gelernt haben). Um auch
diesen Regelkreis mal zu schließen.
14 Mar 2014
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
Jugoslawien
Schwerpunkt Stadtland
Nordkorea
Crowdfunding
Staat
Slowenien
Transmediale
House
Dean Blunt
Techno
## ARTIKEL ZUM THEMA
Laibach-Musical in Berlin: Böses Wummern
Laibach machen eine martialische Musik. Aus Prinzip. Ob sie sich in
Kriegszeiten anders anhört? Im Berliner Hebbel-Theater konnte man das
prüfen.
Laibach in Nordkorea: „Dem Bösen den letzten Nerv rauben“
Die Ästhetisierung des Hässlichen ist ein Hauptanliegen von Laibach. Ist
ihr Auftritt in Nordkorea doppelbödig – oder nur eine Inszenierung?
Crowdfunding-B-Movie „Kung Fury“: 80er-Nazi-Karate-Dino-Trash
Ein Cop auf Zeitreise: „Kung Fury“ versammelt in 30 Minuten möglichst viele
Klischees und Anspielungen auf Action-Filme der 80er-Jahre.
Slowenisches Musikkollektiv Laibach: „Wir leben im permanenten Krieg“
Laibach im Kollektivinterview über Provokation in einer unilateralen Welt,
das postmoderne Scheitern Jugoslawiens und die Utopie eines neuen Europas.
Sloweniens Ministerpräsidentin: Alenka Bratusek schmeisst hin
Sie wurde von der Spitze der Partei Positives Slowenien gefegt. Nun gibt
sie nach nur 13 Monaten auch das Amt der Regierungschefin ab. Neuwahlen
sind wahrscheinlich.
Festival Club Transmediale in Berlin: Ans Unbewusste rühren
„Wie habt ihr diesen Klang gemacht?“, wird das britische Duo Cyclobe oft
gefragt. Am Donnerstag gibt es eines seiner raren Konzerte in Berlin.
Neue Tendenzen im House: Ausflüge ins weiße Rauschen
Wenn die Klangästhetik von Industrial mit im Spiel ist, wird es zwingend
auf dem Dancefloor. Ein Überblick über die wichtigsten Produzenten 2013.
Dean Blunt im Konzert: Unbedingter Wille zum Experiment
Auf der Bühne der Berghain Kantine in Berlin zeigt sich der britische
Künstler Dean Blunt von seiner düsteren Seite. Einfache Gesten sind bei ihm
bedeutsam.
Techno von Cabaret Voltaire: Kopfstoß für Mussolini
Das Trio Cabaret Voltaire kombinierte schon Anfang der 80er Tonband-Cut-ups
mit Maschinen-Funk. Jetzt kommt ihr prähistorischer Techno wieder.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.