Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Laibach-Musical in Berlin: Böses Wummern
> Laibach machen eine martialische Musik. Aus Prinzip. Ob sie sich in
> Kriegszeiten anders anhört? Im Berliner Hebbel-Theater konnte man das
> prüfen.
Bild: Auf der Suche nach dem Volk: Laibach im Hebbel-Theater
Es soll hier mal um experimentelles Hören gehen mit der Frage, ob man die
gleiche Musik, zu unterschiedlichen Zeiten wahrgenommen, überhaupt gleich
hört. Und damit zu Laibach, den [1][slowenischen Industrialpionieren],
deren Musik, wie ein Kollege das mal so hübsch geschrieben hat, sich
bestens eigne als Soundtrack „für eine bewaffnete Invasion in ein kleines,
neutrales Land“.
Und wumm. So schnell wird aus einer saloppen Formulierung ein böser Strick.
Denn diese Invasion in das kleine neutrale Land gibt es gerade ja. Der
Krieg. In der Ukraine die blutige Wirklichkeit. Und hierzulande wird er,
der Krieg – die veränderten Zeiten – überhaupt erst wieder gedacht.
Dieser Tage spielten Laibach im Berliner Hebbel-Theater, und während das
Publikum noch seine Plätze einnahm, war im Saal ein böses Wummern zu hören.
Das sollte wohl zeigen, dass man hier nicht in eine Gemütlichkeitszone
eingecheckt hatte, nur weil über dem Abend als Gattungsbezeichnung „ein
Musical“ stand. Der komplette Titel: „Wir sind das Volk – ein Musical“,…
im Theater [2][in einer Wiederaufnahme] zu erleben war.
## Die Texte von Heiner Müller
Der Text zum Musical wurde aus den Schriften von Heiner Müller geklaubt,
dem 1995 verstorbenen Dramatiker und Zyniker mit DDR-Vita, und aus
Müller-Material. Dazu wurde man im Saal rundum projiziert mit Bildern
beworfen, Hakenkreuze, Stacheldraht und die Namen der Konzentrationslager,
dass einem die Moral von der Geschicht’ gleich klar war. Kann eine überaus
grausame Instanz sein, das Volk.
Und dazu eben die Musik von Laibach, der Überwältigungsrock einer Band, die
schon aus Prinzip mit dem Feuer spielt, seit sie 1980 im damaligen
Jugoslawien die Arbeit aufnahm. Auffällig geworden sind Laibach zum
Beispiel mit einer recht getreuen Übersetzung des Queen-Hits „One Vision“.
Übersetzt wurde ins Deutsche. Tätersprache. Da heißt es in der zur
[3][„Geburt einer Nation“] geformten Vision: „Ein Fleisch, ein Blut/ Ein
wahrer Glaube …“ Treu begleitete die Band die ersten Jahre der
Faschismusvorwurf.
Auf der Bühne fehlte Milan Fras Corona-infiziert, der Laibach-Frontmann,
der schon ein gewichtiges Argument ist, auf ein Laibach-Konzert zu gehen.
## Mit Feldherrenstimme
Seine grummelnde Feldherrenstimme wurde von der Konserve eingespielt, seine
Silhouette auf den Bühnenhintergrund projiziert, wo er fast wie eine
Darth-Vader-hafte Erscheinung wirkte. Man hörte das beherzte
Landsknechtgetrommel und den musikalisch marschierenden Stiefelschritt für
Stahlgewitter, den man sich mit dem ganzen Pathos und dem Heroischen ja
doch auch immer wieder als Versuchsanordnung gönnte, wie viel an
Reichsparteitagsstimmung und Überwältigungsgestik es bitte schön sein darf.
Aber es ist eben auch in dieser Denkübung ein anderes Marschieren, wenn da
fern am Horizont Geschützdonner zu hören ist. Das Pathos: bitterer. Der
(letztlich der Aufklärung verpflichtete) Zynismus: ausgestellter.
Und man mag sich täuschen: Aber war in dem Pathos und dem ganzen Stampf
nicht auch ein Schmerz zu hören?
1 Apr 2022
## LINKS
[1] /Laibach-mit-neuem-Album/!5046810
[2] /Laibach-Musical-im-HAU-Berlin/!5659410
[3] https://www.youtube.com/watch?v=ZZAD7W3M4zc
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Kolumne Großraumdisco
Laibach
Heiner Müller
Musical
Laibach
Schwerpunkt Stadtland
Haus der Kulturen der Welt
Staat
Jugoslawien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kontroverse um Laibach in der Ukraine: Doch keine Eurovision?
Die slowenische Kunstgruppe Laibach wollte Ende März in Kiew spielen. Nach
ukrainischen Protesten wurde das Vorhaben auf Eis gelegt.
Musikberieselung am Bahnsteig: Geigenalarm am U-Bahn-Gleis
Die Berliner Verkehrsbetriebe setzen neuerdings auf klassische Musik in
vier Bahnhöfen. Das Warten soll so angenehmer sein. Ist das der einzige
Zweck?
Berliner Festival „Krieg singen“: Bisschen Bombast, viel Kontrast
Dissonant-theatralisch eröffneten Laibach, Andreas Ammer, FM Einheit und
Alexander Hacke das Festival zum Verhältnis von Krieg und Musik.
Slowenisches Musikkollektiv Laibach: „Wir leben im permanenten Krieg“
Laibach im Kollektivinterview über Provokation in einer unilateralen Welt,
das postmoderne Scheitern Jugoslawiens und die Utopie eines neuen Europas.
Laibach mit neuem Album: Im musikalischen Schlachtengemälde
Ganz zart klingen die slowenischen Industrialpioniere Laibach auf dem Album
„Spectre“. Eine neues Buch nimmt die Gruppe zum Tourstart unter die Lupe.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.