# taz.de -- Berliner Festival „Krieg singen“: Bisschen Bombast, viel Kontra… | |
> Dissonant-theatralisch eröffneten Laibach, Andreas Ammer, FM Einheit und | |
> Alexander Hacke das Festival zum Verhältnis von Krieg und Musik. | |
Bild: Boten einen Stilmix aus kitschigem Synthie-Pop und Progressive Bombast: L… | |
„In den finsteren Zeiten/Wird da auch gesungen werden?/ Da wird auch | |
gesungen werden./Von den finsteren Zeiten.“: Bertolt Brechts Zeilen stehen | |
am Anfang von Michael Bensons Dokumentarfilm „Predictions of Fire“ (1996) | |
über das slowenische Kollektivunternehmen Neue Slowenische Kunst (NSK), | |
dessen musikalischer Arm Laibach am Donnerstagabend ein durchaus | |
fulminantes Konzert in Berlin gab. | |
Die 1980 im noch bestehenden Jugoslawien gegründete Band, die sich nie als | |
schablonenhaft dissident verstand, hat die gewaltsame Christianisierung der | |
letzten slowenischen Heiden, den Partisanenwiderstand im Zweiten Weltkrieg | |
und die jugoslawischen Zerfallskriege thematisiert. | |
Fast ist es etwas zu folgerichtig, eine Band wie Laibach zu einer | |
Veranstaltungsreihe zum Verhältnis von Krieg und Musik einzuladen. Die im | |
Vorfeld aufkeimende Befürchtung, die Performancekünstler seien eine zu | |
sichere Bank, wussten sie zu zerstreuen. | |
## Gelungene Momente | |
In den gelungenen Momenten des Abends hat man Laibach lange nicht mehr so | |
dissonant-theatralisch erlebt wie auf diesem Konzert. Zu Beginn spielten | |
sie Teile aus dem Opernfragment „Olav Trygvason“ des norwegischen | |
Komponisten Edvard Grieg. 20 Minuten dauerte das, in dem eigentümlichen | |
Stilmix aus kitschigem Synthie-Pop und Progressive Bombast, dessen sich | |
Laibach mittlerweile bedient. Im weiteren Verlauf des Konzerts waren einige | |
Neuerungen zu bemerken. | |
So, wie er sein Instrument bearbeitete, ist dem Keyboarder und Pianisten | |
ein gründliches Studium des US-Freejazz-Hämmerers Cecil Taylor zu | |
unterstellen. Die einstmals militaristisch anmutende Strenge Laibach’scher | |
Konzerte ist einem beinahe mainstreamigen Rockhabitus gewichen. Beinahe! | |
Der Mittelteil der Darbietung irritierte; Absicht darf vermutet werden. | |
Nach einer 15-minütigen Pause spielten sie ihre Interpretationen aus | |
Richard Rodgers’ und Oscar Hammersteins Musical „The Sound of Music“. Der | |
Kitschfaktor, die Skurrilität der Vorlagen bildeten einen deutlichen | |
Kontrast zum Thema des Abends, doch ist das ein Beispiel für die | |
diabolische Dialektik Laibachs. In Zeiten der Gewalt kann der Gesang süß | |
sein. | |
Mit diesem Programmteil gastierten sie im August 2015 in Pjöngjang. Was | |
kontrovers diskutiert wurde. Die ebenfalls im Vorfeld aufkeimende | |
Befürchtung, Laibach würden in Trachten auftreten, in denen sie in der | |
nordkoreanischen Hauptstadt auftraten und sich fotografieren ließen, | |
stellte sich als unbegründet heraus. Das wäre dann doch zu viel Exotismus | |
gewesen. Stattdessen war im Abspann des multimedialen Konzerts der Trailer | |
einer demnächst erscheinenden Dokumentation zu sehen, der nahelegte, dass | |
ihr Aufenthalt in Nordkorea nicht gänzlich reibungslos verlief. | |
## Atmosphäre eines minimalistischen Versuchslabors | |
Die eigentliche Eröffnung von „Krieg singen“ oblag dem Münchner | |
Hörspielautor Andreas Ammer und den Einstürzende-Neubauten-Mitgliedern FM | |
Einheit und Alexander Hacke, die die ersten beiden Teile des 1996 für den | |
Bayerischen Rundfunk produzierten Hörspiels „Deutsche Krieger“ – „Kais… | |
Wilhelm Overdrive“ und „Adolf Hitler Enterprise“ – darboten. Dieser | |
Programmpunkt geriet deutlich experimenteller als der Auftritt von Laibach. | |
Ammer, Einheit und Hacke präsentierten, aufgestockt um eine kleine Band, | |
eine deutlich rockistisch-rhythmische Neuversion des Hörstücks. Einheit | |
bespielte Stahlspiralen und Baumaterialien, während Hacke in einer Art | |
Hardrockmodus agierte. Wie auch bei Laibach war die Lichtshow integraler | |
Bestandteil des Auftritts, nur geriet sie wesentlich puristischer. Wo die | |
Slowenen auf die große Geste setzten, war die Atmosphäre hier die eines | |
minimalistischen Versuchslabors, in dem ein Selbstexperiment mit | |
erschreckenden Resultaten stattfand. Nicht lange, und es stellte sich der | |
alte Industrialeffekt des schuldigen Vergnügens ein. Immer dann, wenn man | |
sich beim leichten Mitwippen ertappte, wurde einem klar, wozu man sich da | |
bewegte. | |
Zu den Radioaufnahmen der offenkundigen Irrsinnigkeiten zweier politischer | |
Verbrecher, gekoppelt mit zeitgenössischen Tondokumenten: „Jeder Schuss ein | |
Russ’, jeder Stoß ein Franzos’ “, „Nun, Volk, steh auf, und Sturm, | |
brichlos!“ Man erinnerte sich unweigerlich an eine Aufnahme Alexander | |
Hackes aus dem August 1992, dem Monat, als in Rostock-Lichtenhagen der | |
rechtsradikale Mob wütete und in Sarajevo die Nationalbibliothek brannte. | |
Hacke, nachzuhören auf dem Album „Sweat“ von Die Haut, montierte Bertolt | |
Brechts Gedicht „Zum Freitod des Flüchtlings W. B.“, Walter Benjamin, mit | |
einer Aufnahme Karl Liebknechts: „Krieg dem Krieg“. | |
15 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Robert Mießner | |
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