# taz.de -- Kriegsverbrechen in Sudan: Fliegt Bashir nach Den Haag? | |
> Sudan stellt in Aussicht, den Haftbefehl des Internationalen | |
> Strafgerichtshofs gegen Exdiktator Bashir zu erfüllen. Was das heißt, | |
> bleibt offen. | |
Bild: Könnte bald vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stehen:… | |
NAIROBI taz | Sudan hat die Tür geöffnet für das Erscheinen von | |
Ex-Militärdiktator Omar Hassan al-Bashir vor dem Internationalen | |
Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag. Seit 2009 gibt es gegen Bashir einen | |
[1][ICC-Haftbefehl] wegen Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen | |
die Menschlichkeit in der westsudanesischen Region Darfur. Bashir hatte den | |
immer abgelehnt – aber im vergangenen April wurde er gestürzt. | |
Der Durchbruch jetzt kam während der [2][Verhandlungen zwischen Sudans | |
neuer Übergangsregierung und sudanesischen Rebellengruppen]. Sie sprechen | |
seit vorigem Jahr über die Beilegung der diversen bewaffneten Konflikte im | |
Land und führen derzeit Gespräche in Südsudans Hauptstadt Juba. | |
Schon bei den monatelangen Verhandlungen nach Bashirs Sturz zwischen der | |
Protestbewegung auf der Straße und dem Militär über die [3][Bildung einer | |
Übergangsregierung] hatten die Zivilisten gefordert, dass Bashir an den ICC | |
überstellt werden sollte. Aber die Militärs sprachen sich dagegen aus. | |
Schließlich hatten die Militärs, bevor sie den Präsidenten absetzten, unter | |
ihm gedient und waren mehr oder weniger [4][selbst am Bürgerkrieg in Darfur | |
beteiligt]. | |
Doch willigten sie ein, Bashir in Haft zu nehmen und wegen Korruption vor | |
Gericht zu stellen – im Dezember wurde er in Sudans Hauptstadt Khartum | |
[5][zu zwei Jahren Haft verurteilt]. Eine Überstellung nach Den Haag war | |
damals noch nicht in Sicht. | |
Am Dienstagnachmittag aber erklärte ein sudanesischer Regierungsvertreter | |
in Juba: „Wir sind uns einig geworden, dass jeder, gegen den ein Haftbefehl | |
existiert, vor dem ICC erscheinen soll.“ Bashir wurde nicht ausdrücklich | |
mit Namen genannt. Es geht insgesamt um fünf Personen. Neben Bashir ist es | |
der ehemalige Innen- und Kriegsminister Abdelrahim Muhammed Hussein und der | |
Ex-Sicherheitschef Ahmed Haroun. | |
Diese drei sitzen momentan im Gefängnis in der Hauptstadt Khartum. Auch | |
gesucht sind Ali Kuschaib, der ehemalige Leiter der gefürchteten | |
Reitermiliz Dschandschawid, und der Darfur-Rebellenführer Abdullah Banda, | |
von dem keiner weiß, wo er sich aufhält. | |
## Bashir nach Den Haag – oder ICC-Richter nach Khartum? | |
Die kryptische Erklärung der Regierung sorgt nun für Verwirrung. Nach | |
Angaben von Behördenvertretern, die nicht autorisiert sind, mit den Medien | |
zu sprechen, wird Bashir jetzt nicht gleich in ein Flugzeug nach Den Haag | |
gesetzt werden. Es gibt Vorschläge, einen gemischten Gerichtshof der | |
sudanesischen Justiz und des ICC Khartum zu errichten oder einen | |
ICC-Prozess im Sudan selbst zu führen. | |
Dazu kommt, dass Sudan das Rom-Statut des ICC nicht ratifiziert hat. Das | |
ist nach Angaben des ICC kein Problem, um ein Verfahren zu starten, aber | |
der Strafgerichtshof will noch nicht auf die Erklärung aus Juba reagieren, | |
solange er nicht offiziell von Sudans Regierung informiert worden ist. | |
Das Schicksal Bashirs gehört zur Verhandlungsmasse bei den Besprechungen | |
der Regierung mit Rebellen aus Darfur, den [6][Nuba-Bergen] und dem | |
Bundesstaat Blue Nile. Diese teils seit Jahrzehnten kämpfenden Gruppen | |
scheinen bereit zu sein, im Tausch für die Überstellung Bashirs und der | |
anderen an den ICC ihre Forderungen nach Unabhängigkeit fallenzulassen. | |
Auch fordern sie mehr Einfluss auf die Beschlüsse der neuen sudanesischen | |
Regierung. | |
## Sudans Generäle sind immer noch mächtig | |
Wenn Sudans Militärs jetzt doch einverstanden ist, Bashir dem ICC zu | |
überlassen, hat das womöglich mit der katastrophalen wirtschaftlichen Lage | |
des Landes zu tun. Die Wirtschaft liegt nach Jahren der Misswirtschaft am | |
Boden, und weil die US-Sanktionen noch immer nicht völlig gestrichen sind, | |
kann Sudan dringend nötiges Geld nicht bei Institutionen wie Weltbank und | |
Internationaler Währungsfonds (IWF) leihen. | |
Die Sanktionen wurden einst verhängt, weil Sudan unter Bashir den | |
internationalen Terrorismus unterstützte – so konnte der ehemalige | |
Al-Qaida-Chef Osama bin Laden jahrelang ungestört in Sudan leben. Die neue | |
Regierung versucht auf verschiedene Weisen, die internationale Gemeinschaft | |
davon zu überzeugen, dass Sudan einen Neustart gemacht hat. Obwohl die Welt | |
bewundernd zuschaute, wie die Massenprotestbewegung auf der Straße die | |
Militärs zwang, die Macht zu teilen, traut vor allem der Westen den | |
Generälen noch nicht, die weiterhin sehr großen Einfluss haben. | |
Zwei der wichtigsten Militärs, [7][Abdel Fattah al-Burhan] und [8][Mohammed | |
Hamdan Daglo], sind Vorsitzender beziehungsweise Vizevorsitzender des | |
Souveränen Rats, der höchsten Macht im Land. Sie dienten beiden bereits | |
unter Bashir. Daglo, besser bekannt unter seinen Spitznamen Hametti, | |
kommandiert die [9][Rapid Support Forces (RSF)] – ein sehr gut | |
organisierter, aber berüchtigter Teil der Armee, der aus der | |
Dschandschawid-Miliz in Darfur hervorging und damit für grobe Verstöße der | |
Menschenrechte verantwortlich ist, die die Haftbefehle des ICC begründen. | |
Hametti gilt momentan als der mächtigste Mann in Sudan. Die Frage ist, ob | |
er wirklich zulassen wird, dass sein ehemaliger Chef Bashir an den ICC | |
ausgeliefert wird, wo er einiges zu erzählen hätte über das Benehmen von | |
Hametti und seiner RSF in Darfur. | |
12 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.icc-cpi.int/darfur/albashir | |
[2] /Friedensprozess-im-Sudan/!5635733/ | |
[3] /Neue-Regierung-im-Sudan/!5621057/ | |
[4] /Konflikt-in-Sudan/!5598277/ | |
[5] /Sudans-Ex-Praesident-al-Bashir/!5650525 | |
[6] /!5111388/ | |
[7] /Sudan-im-Wandel/!5617403/ | |
[8] /Proteste-im-Sudan/!5596961/ | |
[9] /EU-Fluechtlingspolitik-im-Sudan/!5355404/ | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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