| # taz.de -- Krieg in Sudan: Ungewisser Zufluchtsort am Nil | |
| > Tausende Menschen fliehen vor dem Krieg nach Wad Madani, 150 Kilometer | |
| > südlich von Khartum. Dort steigen die Preise für Grundnahrungsmittel | |
| > rapide. | |
| Bild: Atempause in der Wüste: Menschen bei einer Raststätte 100 Kilometer nor… | |
| Berlin taz | Mohamed sitzt auf einem Hocker im Schatten der Palmen. Er | |
| zeigt mir die Umgebung per Videotelefon, das Gespräch wurde am Montag | |
| geführt. Vor ihm steht eine Shisha, die ein Freund von ihm gerade raucht. | |
| Zwischen ihnen steht Tee auf einem kleinen Plastiktisch. „Siehst du das?“, | |
| fragt Mohamed begeistert. „Alles hier ist so schön! Wir sitzen draußen im | |
| Freien und trinken Tee! Ich kann die Vögel singen hören!“ Mohamed ist am | |
| vergangenen Freitag nach Wad Madani gekommen. | |
| Eigentlich war es der erste Tag des Zuckerfests, mit dem Muslim:innen | |
| weltweit das Ende des Fastenmonats Ramadan feiern. Doch wie für viele | |
| andere [1][Menschen im Sudan] fiel das Fest für ihn in diesem Jahr aus. | |
| Stattdessen floh er aus der Hauptstadt Khartum, in der trotz einer | |
| 72-stündigen Waffenruhe weiter gekämpft wird. | |
| Wad Madani ist eine schöne Stadt, durchzogen vom Blauen Nil, umgeben von | |
| Baumwollfeldern und landwirtschaftlichen Betrieben. Die Stadt mit circa | |
| 350.000 Einwohner:innen gilt als eher konservativ und verschlafen. Die | |
| Menschen kennen sich hier, neue Gesichter fallen auf. So war das zumindest | |
| bis vor Kurzem. Bevor Tausende von Menschen in die Stadt kamen, auf der | |
| Flucht vor dem Krieg in Khartum. | |
| Denn Wad Madani ist die Hauptstadt des Bundesstaates al-Dschazira im | |
| süd-östlichen Zentrum des Landes. Al-Dschazira grenzt im Süden an Khartum. | |
| Von dort bis nach Wad Madani sind es etwa 150 Kilometer. Seit Tagen fliehen | |
| die Menschen aus der Hauptstadt nach al-Dschazira, viele kommen bis nach | |
| Wad Madani. Sie sind mit dem dem Auto, mit Bussen oder zu Fuß unterwegs. | |
| „Es ist wie ein großer Umzug“, berichtet Mohamed, der mit Freunden aus | |
| Khartum geflohen ist: „Überall sind Busse. In einer Reihe fahren sie aus | |
| Khartum in die anderen Staaten. Und viele Menschen gehen zu Fuß, wirklich | |
| viele!“ | |
| ## Derzeit wird eine Schule vorbereitet | |
| Wer Familie in Wad Madani oder anderen Orten des Bundesstaates hat, flieht | |
| dorthin. Doch auch viele Menschen ohne Verwandte kommen in die Stadt. Die | |
| Einwohner:innen öffnen dafür ihre Häuser, unvermietete Wohnungen werden | |
| bereitgestellt. Derzeit wird eine Schule vorbereitet, in der Menschen | |
| aufgenommen werden sollen. | |
| Für viele Menschen ist es ein erster Zufluchtsort. „Ich fühle mich hier | |
| sicher nach den Nächten des Terrors und den lauten Geräuschen der | |
| Schusswaffen und Luftwaffen“, sagt Mohamed Osman, der ebenfalls aus Khartum | |
| geflohen ist. Viele nutzen den Ort um sich zu erholen, sich zu sortieren | |
| und zu planen, wie es weitergeht. So ist die Stadt zum Durchzugsort | |
| geworden. | |
| Einige möchten an das Rote Meer nach Port Sudan, um dann von dort mit dem | |
| Schiff nach Saudi-Arabien überzusetzen. Andere planen von hier ihre | |
| Weiterreise nach Äthiopien oder Südsudan. Auch Ägypten ist ein Wunschziel | |
| vieler, doch das zu erreichen wird immer schwieriger. Zwar sind die Grenzen | |
| noch offen, aber seit Beginn des Krieges haben sich die Preise für alles | |
| vervielfacht, vor allem für den öffentlichen Transport. | |
| ## Das Busticket kostet das sechsfache | |
| Hatte ein Ticket mit dem Bus von Khartum nach Madani zuvor 5.000 | |
| sudanesische Pfund gekostet, das sind ungefähr 7,50 Euro, kostet es | |
| mittlerweile das Sechsfache: 30.000 Pfund. Die Kosten für den Bus an die | |
| ägyptische Grenze sollen nun bei über 160.000 Pfund liegen, das sind über | |
| 250 Euro. Das können sich nur wenige Menschen leisten in einem Land, in dem | |
| das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen bei 1,25 Dollar am Tag liegt. | |
| Auch psychisch haben die Menschen zu kämpfen. „Ich bin traurig und es tut | |
| mir leid für mein Land. Ich fühle mich hilflos“, sagt Marwan, der mit | |
| seiner Familie nach Wad Madani gekommen ist. Schlimmer aber sei es für | |
| seine Eltern: „Sie sind traurig, dass sie das Haus verlassen mussten.“ | |
| Eigentlich möchten sie Sudan nicht verlassen, aber sie sehen [2][kein Ende | |
| der Kämpfe] in Sicht. Sie überlegen deshalb, sich auf den Weg nach Ägypten | |
| zu machen. | |
| Gehen oder bleiben? | |
| „Ich habe Angst davor, dass Internationale eingreifen. Dann haben wir einen | |
| Bürgerkrieg. Das kennen wir von anderen Ländern “, erklärt Marwan, der | |
| befürchtet, dass sich der Krieg zu einem regionalen Konflikt ausweitet. | |
| Deshalb stellen sich die Menschen in Khartum die Frage: Gehen oder bleiben? | |
| Zu gehen bedeutet eine Flucht ins Ungewisse: Wie sollen sie sich ein neues | |
| Leben aufbauen? Wie sollen sie sich finanzieren? Zu bleiben ist jedoch | |
| ebenso unsicher. | |
| Denn nicht nur die Transportkosten steigen rapide. In Wad Madani wird das | |
| Leben immer teurer. Laut der Norwegischen Flüchtlingshilfe sind die Preise | |
| für Grundnahrungsmittel um 40 bis 100 Prozent gestiegen. Und schon jetzt | |
| gibt es eine Benzinknappheit. Benzin wird deshalb teuer auf dem | |
| Schwarzmarkt verkauft. Viele Banken haben mittlerweile landesweit | |
| geschlossen, es gibt immer weniger Bargeld im Land. Durch die ständigen | |
| Internetstörungen ist auch das Bezahlen mit Onlinefunktionen schwierig. | |
| „Die Supermarktregale sind schon halb leer. Und wir wissen, wir können | |
| nichts von den anderen Bundesstaaten importieren. Wenn der Vorrat alle ist, | |
| dann gibt es eine Hungersnot“, beschreibt eine Anwohnerin [3][die Lage vor | |
| Ort.] Es ist nur eine Frage der Zeit bis sich eine Versorgungskrise | |
| einstellt. | |
| Mohamed Osman möchte Sudan nicht verlassen: „Ich liebe mein Land, und ich | |
| will lieber hier sterben, als weiter zu fliehen.“ Er hat aber noch | |
| Hoffnung. Für ihn liegt es jetzt an der internationalen Gemeinschaft so | |
| schnell wie möglich zu helfen. „Ich wünsche mir ernsthafte Versuche, die | |
| Konfliktpartner zur Verhandlung zu bringen und eine friedliche Lösung zu | |
| finden.“ | |
| 25 Apr 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Saskia Jaschek | |
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