| # taz.de -- Konflikt Armenien und Aserbaidschan: 3,5 Kilometer zu weit | |
| > Armenien wirft Aserbaidschan vor, auf sein Gebiet vorzurücken. Nach dem | |
| > Krieg um Bergkarabach droht eine neue Eskalation. | |
| Bild: Auf der Hut: armenischer Soldat in der Region Bergkarabach im Januar 2021 | |
| Berlin taz | „Gebt wenigsten den Hirten Waffen, damit sie ihre Dörfer | |
| verteidigen können“, sagt Taguhi Tovmasjan, eine der wenigen unabhängigen | |
| Abgeordneten im armenischen Parlament. Die Regierung habe die Bevölkerung | |
| im Stich gelassen und könne sie nicht schützen. | |
| Seit dem 12. Mai wirft Armenien dem Nachbarn Aserbaidschan | |
| Grenzverletzungen vor. Jerewan behauptet, dass die aserbaidschanischen | |
| Truppen die Staatsgrenze zu Armenien in der südlichen Provinz Sjunik | |
| überschritten hätten und 3,5 Kilometer auf armenisches Gebiet vorgerückt | |
| seien. Derzeit befinden sich etwa 250 aserbaidschanische Soldaten auf | |
| armenischem Territorium. Es ist die größte Eskalation, seit Armenien und | |
| Aserbaidschan ihren jüngsten [1][Krieg um die Region Bergkarabach] am 10. | |
| November vergangenen Jahres für beendet erklärt haben. | |
| „Das ist inakzeptabel und ein Eingriff in die Souveränität Armeniens“, | |
| sagte der geschäftsführende Regierungschef [2][Nikol Paschinjan] am 17. Mai | |
| bei einer Sondersitzung des armenischen Sicherheitsrats. | |
| Mittlerweile haben aserbaidschanische Streitkräfte zwei weitere armenische | |
| Posten in der westlichen Provinz Gegharkunik eingenommen. Aserbaidschan hat | |
| das dementiert. In Baku hieß es, es handele sich um „Grenzanpassungen“. Die | |
| Grenzposten hätten Positionen in den Bezirken besetzt, die seit dem Ende | |
| des Kriegs zu Aserbaidschan gehörten, erklärte das Außenministerium in | |
| Baku. | |
| ## Nicht auf Russland zählen | |
| Armenien hat unterdessen um Unterstützung bei der Organisation des Vertrags | |
| über kollektive Sicherheit (OVKH) gebeten – ein Militärbündnis unter | |
| Führung Russlands, dem Armenien seit 1992 angehört. Weitere Mitglieder sind | |
| Belarus, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan. Zudem haben | |
| Russland und Armenien mehrere bilaterale Verteidigungsabkommen | |
| abgeschlossen. | |
| Die einzige [3][russische Militärbasis im Südkaukasus] befindet sich im | |
| armenischen Gjumri, wo etwa 5.000 Soldaten stationiert sind. Während des | |
| Kriegs in Bergkarabach griff das Bündnis nicht zugunsten Armeniens ein. | |
| Doch das wäre jetzt möglich, weil die Grenzen der Republik Armenien | |
| verletzt wurden. | |
| Über die neue Eskalation ist Russlands Präsident Wladimir Putin im Bilde. | |
| Doch Pashinjan habe Putin bislang nicht um Hilfe gebeten, erklärte Putins | |
| Sprecher Dmitry Peskov der Zeitung Moskowski Komsomolez. | |
| In Armenien zeigen sich Experten skeptisch. „Die seit Tagen andauernde | |
| Untätigkeit Moskaus könnte ein Beweis dafür sein, dass Baku die Zustimmung | |
| des Kremls erhalten hat“, sagt der Politologe Stepan Grigorjan, Leiter des | |
| Zentrums für Globalisierung und regionale Zusammenarbeit in Jerewan. | |
| Grigorjan gilt als Kremlkritiker. Er ist überzeugt davon, dass Moskau | |
| versuche, seine Präsenz in der Region und in Armenien sicherzustellen. „In | |
| Baku hat man verstanden, dass wir in Armenien isoliert sind und dass unser | |
| Sicherheitssystem mit Russland nicht funktioniert.“ | |
| ## Macron betont „territoriale Integrität“ | |
| Darüber hinaus verfolgten einige Mitgliedsstaaten, etwa Belarus, eine | |
| proaserbaidschanische Politik. Lukaschenko habe mehrmals seine Loyalität | |
| gegenüber dem aserbaidschanischen Staatschef Ilham Alijev erklärt. | |
| Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hingegen betonte „die territoriale | |
| Integrität Armeniens“ sowie „die Notwendigkeit eines sofortigen Abzugs der | |
| aserbaidschanischen Truppen aus armenischem Gebiet“, wie der Élysée-Palast | |
| am 13. Mai mitteilte. In Frankreich lebt, nach Russland, mit 500.000 bis | |
| 600.000 Einwohnern die zweitgrößte Diaspora in Europa. Auch die | |
| US-Regierung erwartet, „dass Aserbaidschan sofort alle Kräfte zurückzieht | |
| und weitere Provokationen einstellt“. | |
| Zumindest einige politische Parteien wollen sich diese Einlassungen zunutze | |
| machen. Dazu gehört auch die Initiative National-demokratische Front, die | |
| einen prowestlichen Kurs fährt. Sie hofft, bei der vorgezogenen | |
| Parlamentswahl am 20. Juni bei den Wähler*innen punkten zu können. | |
| 17 May 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tigran Petrosyan | |
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