# taz.de -- Kompromissvorschlag im Denkmalstreit: Erinnerung ist Pflicht | |
> Das von den Nazis verursachte Leid in Ostmitteleuropa ist bisher kaum | |
> thematisiert worden. Ein Kompromiss im Denkmalstreit könnte das ändern. | |
Bild: Eine der von den Nazis zerstörten Städte Ostmitteleuropas: Minsk 1943 | |
Geschichte wird gemacht – oder eben nicht. Die Nazi-Besetzung Europas | |
erhielt einen höchst unterschiedlichen Stellenwert in der | |
Erinnerungspolitik in Ost und West. Die Qualen der US-Amerikaner, Franzosen | |
und Briten wurden in der BRD gewürdigt, die der Sowjetsoldaten in der DDR. | |
Wenig erfuhren beide Seiten Deutschlands hingegen über die [1][Besetzung | |
Ostmitteleuropas]. Wer weiß schon von den Tausenden verbrannter Dörfer in | |
Weißrussland, wer kennt die KZs in Serbien und die Mordstätten zwischen | |
Riga und Thessaloniki? | |
Das wird sich jetzt endlich ändern. Der nun gemeinsam vom Deutschen | |
Polen-Institut und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas | |
entwickelte Vorschlag zur Einrichtung eines Denkmals und eines | |
Dokumentationszentrums hat alle Chancen, akzeptiert zu werden. Historiker | |
haben einen fein ziselierten Kompromiss gefunden, der eine Konkurrenz der | |
Opfernationen verhindern will. | |
Am Beginn der Debatte stand [2][ein „Polen-Denkmal“. Damit sollte an das | |
besondere Leid erinnert werden]. Zugleich barg dieser Vorschlag die Gefahr, | |
dass sich andere Nationen zurückgesetzt gefühlt hätten, würde man ihnen | |
kein Denkmal setzen. Damit drohte eine Denkmalinflation und die | |
Renationalisierung von Geschichte, eine Rückbesinnung einzig auf die | |
„eigenen“ Opfer und letztlich eine Verschleierung der Politik der Nazis, | |
denen die Angehörigen all dieser Nationen als lebensunwürdig galten. | |
Der Gegenvorschlag, ein Dokumentationszentrums zu ergänzen, vermeidet diese | |
Form der Historisierung. Der jetzige Kompromiss birgt freilich auch Tücken. | |
Soll das Denkmal ausschließlich Polen gewidmet sein? Bei dieser Frage | |
lassen die Initiatoren viel Raum für Interpretationen. Die weitere | |
Diskussion kann auch fruchtbar sein. Am Ende wird hoffentlich ein neues | |
Ensemble in der Mitte Berlins stehen, das mehr ist als ein | |
Kranzabwurfplatz. | |
Man mag einwenden, dass das alles viel zu spät kommt. [3][Die Täter sind | |
längst verstorben.] Die Erinnerung an ihre Opfer aber ist ein | |
Verpflichtung, auch 75 Jahre danach. | |
11 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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