# taz.de -- Urteil gegen Wächter im KZ-Stutthof: Zwei Jahre Haft auf Bewährung | |
> Ein 93-jähriger ehemaliger KZ-Wachmann wurde in Hamburg verurteilt. Er | |
> habe Beihilfe zum Mord an 5.232 Menschen geleistet, so die Richter. | |
Bild: Zwei Jahre auf Bewährung für den ehemaligen Wachmann | |
HAMBURG dpa/afp | Das Landgericht Hamburg hat einen ehemaligen SS-Wachmann | |
im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig zu zwei Jahren Jugendstrafe auf | |
Bewährung verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der | |
93-Jährige in den Jahren 1944 und 1945 mehrere Monate als Jugendlicher zur | |
Wachmannschaft des Konzentrationslagers Stutthof gehört hatte. Er habe sich | |
damit der Beihilfe zum Mord in 5.232 Fällen und versuchten Mord in einem | |
Fall schuldig gemacht. Der Prozess fand nach Jugendstrafrecht statt, weil | |
der Mann zu Beginn der Tatzeit im Jahr 1944 [1][erst 17 Jahre alt war]. | |
„Wie konnten Sie sich bloß an das Grauen gewöhnen?“, fragte die vorsitzen… | |
Richterin Anne Meier-Göring den 93-Jährigen bei der Urteilsbegründung. Die | |
Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von drei Jahren Haft beantragt, | |
die Verteidigung [2][Freispruch gefordert]. | |
Bereits zum Auftakt des Prozesses im Oktober vergangenen Jahres hatte der | |
93-Jährige bestätigt, dass er von August 1944 bis April 1945 Wachdienst in | |
dem Lager bei Danzig verrichtet hatte. Er hatte betont, dass er nicht | |
freiwillig Wachmann wurde. Als Wehrmachtssoldat sei er wegen eines | |
Herzfehlers nicht frontdienstfähig gewesen und in das Lager abkommandiert | |
worden. In seinem letzten Wort vor Gericht hatte er die Überlebenden und | |
Hinterbliebenen der KZ-Opfer um Entschuldigung gebeten. | |
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren während der Dienstzeit des | |
Angeklagten mindestens 5.230 Gefangene ermordet worden. 30 wurden in einer | |
geheimen Genickschussanlage im Krematorium des Lagers getötet. Mindestens | |
200 wurden in der Gaskammer und in einem verschlossenen Eisenbahnwaggon mit | |
Zyklon B umgebracht. Wenigstens 5.000 Menschen starben in Folge der | |
lebensfeindlichen Bedingungen im sogenannten Judenlager von Stutthof. | |
## Wohl einer der letzten NS-Prozesse | |
An dem Prozess waren rund 40 Nebenkläger beteiligt, unter ihnen 35 | |
Überlebende des Konzentrationslagers. Vier von ihnen hatten persönlich im | |
Gerichtssaal ausgesagt, zwei waren über eine Videoschaltung angehört | |
worden. Sie hatten von täglichen Misshandlungen wie Schlägen und | |
stundenlangen Appellen, Hinrichtungen sowie von Hunger und einer | |
Fleckfieber-Epidemie berichtet. | |
Mit dem Urteil geht vorerst einer der letzten NS-Prozesse zu Ende. Ein | |
weiteres Verfahren gegen einen anderen ehemaligen Wachmann in Stutthof | |
könnte vor dem Landgericht Wuppertal beginnen. Vor der Jugendstrafkammer | |
wurde Mitte Juli ein 95 Jahre alter Mann angeklagt, wie ein Sprecher des | |
Gerichts sagte. Es steht aber noch ein Gutachten zur Verhandlungsfähigkeit | |
des Angeklagten aus. | |
Nach Angaben der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in | |
Ludwigsburg führen die deutschen Staatsanwaltschaften insgesamt noch 14 | |
Ermittlungsverfahren wegen Verbrechen in Konzentrationslagern. Offen seien | |
drei Verfahren zu Buchenwald bei der Staatsanwaltschaft Erfurt und acht zu | |
Sachsenhausen bei der Anklagebehörde in Neuruppin. Zudem beschäftige das | |
Lager Mauthausen mit jeweils einem Verfahren die Staatsanwaltschaften | |
München I und Berlin. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe gegen | |
eine ehemalige Schreibkraft im KZ Stutthof. | |
23 Jul 2020 | |
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