# taz.de -- Nachkommen von NS-Verfolgten: Ehelich, unehelich, unerheblich | |
> Das Verfassungsgericht ermöglicht die Einbürgerung der unehelichen | |
> Tochter eines jüdischen Emigranten. Zuvor war ihr das verweigert worden. | |
Bild: Entscheid des Bundesverfassungsgerichts: Nachkommen von NS-Verfolgten mü… | |
FREIBURG taz | Uneheliche Kinder, die [1][Nachfahren von NS-Verfolgten] | |
sind, dürfen bei Einbürgerungsentscheidungen nicht diskriminiert werden. | |
Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem an diesem | |
Mittwoch veröffentlichten Beschluss. | |
Konkret ging es um den Fall einer Frau, die 1967 in den USA geboren wurde. | |
Sie zog im Jahr 2013 nach Deutschland und nahm in Frankfurt am Main eine | |
Wohnung. Parallel dazu beantragte sie die Einbürgerung. Ihr Vater sei als | |
Jude während der NS-Zeit aus Deutschland in die USA geflohen. Die Nazis | |
hätten ihm 1938 die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. | |
Die Frau berief sich auf das Grundgesetz, wo scheinbar eindeutig geregelt | |
ist: „Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 | |
und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen | |
oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf | |
Antrag wieder einzubürgern“ (Artikel 116 Absatz 2). | |
Doch das zuständige Bundesverwaltungsamt lehnte den Einbürgerungsantrag der | |
Frau ab. Auch ohne die Ausbürgerung ihres Vaters hätte sie nicht deutsche | |
Staatsbürgerin werden können. Denn sie sei als uneheliches Kind geboren | |
worden. Und 1967 sah das deutsche Reichs- und Staatsbürgerschaftsgesetz | |
(RuStAg) noch vor, dass uneheliche Kinder automatisch die | |
Staatsbürgerschaft der Mutter erhalten, nicht aber die des Vaters. Ihre | |
Mutter war jedoch US-Amerikanerin, nur der Vater war (ausgebürgerter) | |
Deutscher. | |
## „Offensichtlich“ begründet | |
Gegen die verweigerte Einbürgerung klagte die Frau vor den deutschen | |
Verwaltungsgerichten. Doch sie hatte weder beim Verwaltungsgericht Köln | |
noch beim Oberverwaltungsgericht Münster Erfolg. Erst das | |
Bundesverfassungsgericht gab ihr nun Recht. Eine mit drei Richtern besetzte | |
Kammer erklärte ihre Verfassungsbeschwerde für „offensichtlich“ begründe… | |
Die Verfassungsrichter argumentierten, dass Artikel 116 ausdrücklich auch | |
die Wiedereinbürgerung von „Abkömmlingen“, also von Kindern und Enkeln | |
vorsehe. Das Grundgesetz enthalte keine Beschränkung auf „eheliche“ Kinder. | |
Dass zum Zeitpunkt der Geburt die nichteheliche Tochter eines deutschen | |
Vaters von diesem keine deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt bekommen | |
konnte, widerspreche der Werteordnung des Grundgesetzes gleich doppelt. | |
Zum einen enthalte diese Regelung eine Diskriminierung von nichtehelichen | |
Kindern gegenüber ehelichen Kindern. Das Grundgesetz verspricht den | |
nichtehelichen Kindern aber die „gleichen Bedingungen“ wie den ehelichen | |
Kindern (Artikel 6 Absatz 5). Außerdem enthalte die alte Regelung auch eine | |
nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Geschlechter, hier also von | |
Müttern und Vätern. | |
Zudem müsse Artikel 116 so ausgelegt werden, dass er seinen Sinn und Zweck, | |
die „Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts im Bereich des | |
Staatsangehörigkeitsrechts“, am besten erfüllen könne. Aus all diesen | |
Gründen hob das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Entscheidungen auf. | |
Die Frau hat nun einen Anspruch darauf, eingebürgert zu werden. | |
Anfang 2019 hatte die taz ausführlich über Fälle berichtet, bei denen die | |
Einbürgerung der Nachkommen von NS-Verfolgten [2][an ähnlichen Hindernissen | |
scheiterte]. Damals ging es vor allem um jüdische Mütter, die im englischen | |
Exil einen ausländischen Mann heirateten und so auch ohne Ausbürgerung die | |
deutsche Staatsbürgerschaft verloren hätten. Da es auch bei diesen Fällen | |
um geschlechtsdiskriminierende Regeln ging, dürfte nun auch für die | |
Nachfahren dieser Mütter die Einbürgerung leichter werden. | |
17 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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