| # taz.de -- Kommentar Journalismus und Fakezitate: Fälschen für Europa | |
| > Der Schriftsteller Menasse hat jahrelang Zitate eines EU-Kommissionschefs | |
| > gefälscht, um Propaganda für ein vereintes Europa zu betreiben. | |
| Bild: Hat Zitate des 1. EU-Kommissionspräsidenten Hallstein gefälscht: der ö… | |
| Nun also Robert Menasse. Nur wenige Wochen nach Claas Relotius haben | |
| liberale Linke und Medien ihren nächsten Fälschungsfall. Der | |
| österreichische Schriftsteller hat über Jahre hinweg Zitate des ersten | |
| EWG-Kommissionschefs gefälscht, die Menasses [1][Vision der Vereinigten | |
| Staaten] von Europa besser legtimierten. Sogar eine Antrittsrede von | |
| Hallstein in Auschwitz hat Menasse erfunden. | |
| In beiden Fällen haben die Sicherungsmechanismen versagt. Im [2][Fall | |
| Relotius] musste sein Kollege Juan Moreno auf eigene Faust recherchieren, | |
| weil seine Chefs zunächst Relotius und nicht ihm glaubten. Bei Menasse ist | |
| das Versagen noch eklatanter: Der Historiker Heinrich August Winkler | |
| begründete schon im Oktober 2017 in einem Spiegel-Essay, warum er die | |
| Hallstein-Zitate für falsch hielt. Niemand reagierte. Weder Menasse noch | |
| seine zeitweilige [3][Co-Autorin Ulrike Guérot,] weder der „Spiegel“ selbst | |
| noch andere Medien oder andere Institutionen im Kulturbetrieb. | |
| Menasse hielt weiter Lesungen, schrieb Essays, nahm Ehrungen entgegen, ohne | |
| dass er auf die falschen Zitate angesprochen wurde. Weite Teile des | |
| linksliberalen Betriebs fühlen sich derzeit im Kulturkampf gegen Rechts – | |
| seine Antennen sind darauf gerichtet, rassistische Äußerungen von | |
| Provinzverwaltungen aufzuspüren. Fälschungen im eigenen Lager erkennen sie | |
| nicht. | |
| Ebenso wie Relotius' hat auch Menasse das Schwarz-Weiß-Denken des | |
| Kulturkampfs bedient. Bei Menasse ist es die Position, dass die | |
| Nationalstaaten obsolet seien und die Vereinigten Staaten von Europa kommen | |
| müssten. Erst das hat den Österreicher in Deutschland richtig bekannt | |
| gemacht. | |
| Dabei hat gerade diese sich selbst als pro-europäisch verstehende Position | |
| etwas sehr Deutsches: Es ist die Sehnsucht nach absoluten Lösungen statt | |
| mühsam Kompromisse auszuhandeln oder sich durchzumogeln. Und es ist | |
| zugleich eine Bewältigung der deutschen und österreichischen Geschichte: | |
| Weil Deutschland (und Österreich) mit Auschwitz ein einmaliges Verbrechen | |
| in der europäischen Geschichte begangen haben, sollen auch alle anderen | |
| ihre Nationalstaatlichkeit aufgeben. In Deutschland hat man nur wenig | |
| Verständnis dafür, dass Länder, die einmal Opfer der deutschen Geschichte | |
| wurden, schon wieder anders denken als man selbst. | |
| Kann man etwas aus dem Fall Menasse lernen? Zumindest soviel: Es tut der | |
| liberalen Linken nicht gut, in Schwarz-Weiß-Mustern zu denken. Die fehlende | |
| Lust an differenziertem Denken führt auch zum Verlust, offenkundige | |
| Fälschungen zu erkennen oder wahrzunehmen. Menasse selbst fühlte sich | |
| berufen, Auschwitz für seine politischen Vorstellungen zu | |
| instrumentalisieren und Zitate zu erfinden – und dies auch noch als | |
| legitimes Mittel zu rechtfertigen. Dabei gewinnt man politisch so nichts: | |
| Der FPÖ wird es von jetzt an eine Freude sein, Menasse als Fälscher | |
| vorzuführen. | |
| 3 Jan 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Reeh | |
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