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# taz.de -- Schriftsteller erfand Politiker-Zitate: Wie der Fall Menasse ins Ro…
> Der Schriftsteller Robert Menasse wird für seinen Einsatz für Europa
> gefeiert. Nun kommt heraus: Er hat Zitate in nichtfiktionalen Texten
> gefälscht.
Bild: „Denkraum des Möglichen eröffnet“: Autor Robert Menasse
BERLIN taz | „Ich schenke mir jetzt ein Glas auf die Zerstörung der
europäischen Idee ein. Trinken Sie mit?“ So beendete am Mittwoch [1][Robert
Menasse] eine E-Mail an die taz. Wir hatten den österreichischen
Schriftsteller gefragt, ob er ein Zitat von Walter Hallstein in seinem
Essay in der taz vom Juni 2018 belegen könnte. Konnte er. Aber dennoch
steckt Menasse jetzt in Schwierigkeiten. Eine Reihe von Hallstein-Zitaten,
die Menasse in anderen Publikationen verwendete, [2][sind gefälscht]. Sogar
eine Antrittsrede von Hallstein als erstem Kommissionschef der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1958 in Auschwitz soll Menasse erfunden
haben.
Eigentlich ist der Skandal seit Längerem öffentlich: Der Historiker
Heinrich August Winkler hatte in einem Essay im Spiegel im Oktober 2017 die
Echtheit der Hallstein-Zitate bezweifelt. Menasse, der seit Längerem die
Idee der Vereinigten Staaten von Europa und das Ende der Nationalstaaten
befürwortet, hatte Hallstein in zahlreichen Essays und Vorträgen als
Kronzeugen angeführt. Ein Teil der Texte hatte Menasse zusammen mit der
Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot verfasst. „Die Abschaffung der
Nation ist die europäische Idee“, sollte der CDU-Politiker gesagt haben.
Ebenso: „Das Ziel des europäischen Einigungsprozesses ist die Überwindung
der Nationalstaaten.“ Und: „Ziel ist und bleibt die Überwindung der Nation
und die Organisation eines nachnationalen Europa.“
Winkler schrieb im Spiegel, in den Reden und Schriften Hallsteins seien
diese Aussagen nicht zu finden. Und ergänzte spöttisch, „die Lesart vom
post-nationalen EU-Vorkämpfer Hallstein dürfte eine Legende, oder, anders
gewendet, Ausfluss einer post-faktischen Geschichtsbetrachtung sein“. Fake
News von links. Doch Winklers Essay blieb lange ohne Resonanz. Menasse
reiste weiter zu Vorträgen, gab Interviews und nahm in Aachen den
Walter-Hasenclever-Literaturpreis entgegen.
Erst vor Weihnachten, kurz nachdem die Fälschungen von Spiegel-Reporter
Claas Relotius aufflogen, kam die Debatte um Menasse ins Rollen. In der
Welt griff Ansgar Graw den Fall auf. Der Redakteur hatte ein gefälschtes
Hallstein-Zitat von Menasse ungeprüft übernommen. Winkler rief bei ihm an
und fragte nach der Quelle. Graw kontaktierte Menasse, der daraufhin
freimütig die falschen Zitate einräumte – und rechtfertigte: „Die Quelle
(Römische Rede) ist korrekt. Der Sinn ist korrekt. Die Wahrheit ist
belegbar. Die These ist fruchtbar. Was fehlt, ist das Geringste: das
Wortwörtliche.“ Er habe „eine Diskussion provoziert und einen Denkraum des
Möglichen eröffnet, den es vorher nicht gab, einfach dadurch, dass ich eine
Autorität zu meinem Kronzeugen erklärt habe, der nichts dagegen gehabt
hätte“. Ulrike Guérot sagte kurz darauf in der Welt, sie habe zu einem
gemeinsamen Artikel mit Menasse Teile beigetragen und die Zitate im Teil
Menasses nicht nachgesehen. Im Nachhinein sei es „dumm gewesen, das nicht
zu überprüfen“.
Am 2. Januar legte Patrick Bahners in der FAZ nach. Er hatte mit
Hans-Joachim Lang gesprochen, ein Experte für die Geschichte der
NS-Medizinverbrechen. Laut Lang hatte Menasse auf einem Vortrag in Tübingen
im Dezember 2017 erwähnt, dass Hallstein seine Antrittsrede als EWG-Chef in
Auschwitz hielt. Lang ließ sich den Band „Europäische Reden“ Hallsteins a…
der Universitätsbibliothek kommen. Dort war sie nicht verzeichnet. Es gibt
sie wohl nicht – und sie wäre auch ungewöhnlich gewesen: Hätte der oberste
Beamte der EWG seine Antrittsrede ausgerechnet in der Volksrepublik Polen
gehalten? Auschwitz als Gründungsmythos der EU passt perfekt in die
Argumentation Menasses eines postnationalen Europa, das die Grenzen
überwinden muss, um Frieden und Menschenrechte zu sichern.
Am 18. Januar wollte Malu Dreyer (SPD) Menasse in Mainz die
Carl-Zuckmayer-Medaille verleihen. Menasse trete „für Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie“ ein, äußerte die rheinland-pfälzische Landeschefin, als sie
die Preisverleihung im August bekanntgab. Der Preisträger erhält neben der
Medaille auch ein 30-Liter-Fass Nackenheimer Wein, der Lieblingswein
Zuckmayers. Die Staatskanzlei will jetzt die Verleihung der Medaille prüfen
und das Gespräch mit Menasse suchen.
3 Jan 2019
## LINKS
[1] /Buchpreistraeger-Robert-Menasse/!5452725
[2] /Kommentar-Journalismus-und-Fakezitate/!5562629
## AUTOREN
Martin Reeh
## TAGS
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