| # taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Danke, Faktenprüfer | |
| > In der „Spiegel“-Affäre kamen Faktenfinder schlecht weg. Der Fall Menasse | |
| > zeigt, wie wichtig es ist, dass es sie gibt: Menschen, die nachschlagen. | |
| Bild: Druckprüfung in einer Maschinenfabrik in Heidelberg – so manch anderes… | |
| Sie sind schwer zu finden. Ihr Lebensraum ist ein Schreibtisch, von dem aus | |
| sie stumm das prüfen, was andere für wahr halten. Weil sie erst einmal | |
| nichts glauben, sind sie hungrig nach Fakten, Quellen und Beweisen. Am | |
| besten alles schriftlich und schwarz auf weiß: die Faktenfinder. | |
| Bislang kannte kaum jemand diese Spezies der Wahrheitssucher, denn | |
| gemeinhin ist sie unsichtbar. Meist hinterlässt sie keine Spuren, da sie | |
| alle Fehler aus den Texten der Journalisten entfernt hat. | |
| Leider hat sich jüngst gezeigt, dass ihr immer nur dann besondere Ehre | |
| zuteil wird, wenn Fehler in Texten auftauchen, die schon gedruckt sind. | |
| Wenn gar ganze Geschichten erfunden waren und es niemand gemerkt hat. Die | |
| Mitarbeiter der Spiegel-Dokumentation haben dieses Problem. All die Male, | |
| als sie dafür sorgten, dass alles stimmte, wäre niemand auf die Idee | |
| gekommen, ihnen dafür einen Preis zu verleihen. Doch als im Zuge [1][der | |
| Relotius-Affäre] herauskam, dass sie mehrfach versagt hatten, waren sie | |
| plötzlich in aller Munde. 2018 endete schlecht für Faktenfinder. | |
| 2019 aber beginnt gut für sie. [2][Mit dem Fall Robert Menasse]. Der | |
| Schriftsteller hat mehrfach in nichtliterarischen Äußerungen eine Rede des | |
| einstigen EWG-Kommissionsvorsitzenden Walter Hallstein zusammenfantasiert. | |
| Berauscht von der Autorität des Literaten, haben gewiss viele dessen | |
| Behauptungen einfach weitergetragen. Nicht so der Historiker Heinrich | |
| August Winkler. Er machte sich die Arbeit, mal nachzuschlagen. Er prüfte | |
| die Rede mit seinen kritischen Historikeraugen und deckte die Fälschung im | |
| Spiegel auf. | |
| Die emphatische Europa-Rede von Hallstein ist zu schön, um wahr zu sein. | |
| Wir wollten es glauben. Dass der ehemalige Kommissionspräsident die | |
| Notwendigkeit einer europäischen Einigung mit einer pathetischen Rede in | |
| Auschwitz begründete, passte für viele enthusiastische Proeuropäer einfach | |
| zu gut ins Bild. Wie toll, dass es noch Leute gibt, die erst mal nichts | |
| glauben, auch wenn es gut klingt. | |
| Dieses nüchterne Nachprüfen macht einen selten weltberühmt, hat aber die | |
| Macht, eine ganze Medien- oder Literaturbranche in Schockstarre zu | |
| versetzen. Der kritische Blick ist die mächtigste Waffe der Faktenprüfer. | |
| Das Schöne daran: Jeder, der erst mal nicht alles glaubt, kann zum | |
| Faktenprüfer werden. Sie werden dringend gebraucht. | |
| 4 Jan 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Faelschungsskandal-beim-Spiegel/!5560301 | |
| [2] /Autor-Robert-Menasse-erfand-Zitate/!5560165 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Kowalski | |
| ## TAGS | |
| Claas Relotius | |
| Robert Menasse | |
| Eurozentrismus | |
| Robert Menasse | |
| Robert Menasse | |
| Journalismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kolumne Schlagloch: Weiße Dramaturgien | |
| Der Fall Relotius ist der Vorhof des Verbrechens. Wenn sich der europäische | |
| Blick auf andere Kulturen richtet, werden gern Legenden erzählt. | |
| Politologin über gefälschte Menasse-Zitate: „Ich habe die Quellen nie über… | |
| Robert Menasse erhält am Freitag die Zuckmayer-Medaille des Landes | |
| Rheinland-Pfalz. Auch Ulrike Guérot hat mit falschen Zitaten der EU-Gründer | |
| gearbeitet. | |
| Schriftsteller erfand Politiker-Zitate: Wie der Fall Menasse ins Rollen kam | |
| Der Schriftsteller Robert Menasse wird für seinen Einsatz für Europa | |
| gefeiert. Nun kommt heraus: Er hat Zitate in nichtfiktionalen Texten | |
| gefälscht. | |
| Fälschungsskandal beim „Spiegel“: Die Wahrheiten des Relotius | |
| Ein preisgekrönter Autor soll beim „Spiegel“ mehrere Geschichten erfunden | |
| haben. Es ist einer der größten Skandale im deutschen Journalismus. |