# taz.de -- Kolumne Öko: Bio hat Besseres verdient | |
> Der Bio-Sektor wächst in ganz Europa. Die entsprechende EU-Verordnung ist | |
> längst überholt. Deshalb bastelt die Kommission jetzt an neuen Regeln. | |
Bild: Welche Möhre ist bio und welche nicht? Die EU-Kommission überarbeitet d… | |
Das nasskalte graue Brüsseler Herbstwetter steht derzeit im Kontrast zu den | |
heißen Wortgefechten, die sich die Protagonisten um den | |
Kommissionsvorschlag zur Revision der Bioverordnung liefern. Man könne auf | |
einem toten Pferd nicht reiten, behaupten die einen, andere sagen, man | |
könne tote Pferde nicht satteln. Beides stimmt. Nur handelt es sich bei den | |
Vorschlägen nicht um Pferde, weder tote noch lebendige. | |
Wahr ist: Der Anfang des Jahres von der vorherigen Kommission | |
verabschiedete Vorschlag hat den Sektor gründlich aufgescheucht. Das hat | |
auch gute Seiten. Es hat in der Biolandwirtschaft in den vergangenen Jahren | |
eine so rasante Entwicklung gegeben, dass der gesetzliche Rahmen | |
nachgearbeitet werden muss. Der Spiegel schrieb, dass die Branche zum Opfer | |
des eigenen Erfolgs geworden sei. | |
Das ist insoweit richtig, als die Biolandwirtschaft in der EU im | |
Durchschnitt jedes Jahr um 9 Prozent wächst. Damit ist Bio eindeutig der am | |
schnellsten wachsende Sektor der Landwirtschaft in der EU. War es noch vor | |
wenigen Jahren ein Nischenprodukt, gibt es Bio heute an jeder Ecke. Das ist | |
gut so. Aber das Regelwerk, die europaweit gültige Bioverordnung, das seit | |
1992 schrittweise zum gegenwärtigen Stand entwickelt worden ist, wird | |
manchen Herausforderungen nicht mehr gerecht. | |
## Wieviel Rückstände sind erlaubt? | |
In welche Richtung soll der Rechtsrahmen angepasst werden? Diese schwierige | |
Aufgabe haben nun die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Institutionen: | |
Die Kommission hat mit dem Vorschlag einige Ideen auf den Tisch gelegt – | |
allerdings nicht behauptet, dass diese für jetzt und immer der Weisheit | |
letzter Schluss sind. | |
Wir haben eine Vielzahl schwieriger Abwägungen zu treffen. Um ein paar | |
(wirklich schwierige) Beispiele zu nennen: Die Frage der Pestizide. Ihr | |
Einsatz ist in der Biolandwirtschaft natürlich (das ist völlig unstreitig) | |
verboten. Was aber, wenn doch Rückstände in Biolebensmitteln gefunden | |
werden? Unter welchen Bedingungen darf ein solches Produkt weiter als „Bio“ | |
verkauft werden? Und wenn nicht, wie kann dem Biobauern der entgangene | |
Gewinn ersetzt werden – und durch wen? | |
Ein anderes Beispiel: Die EU importiert enorme Mengen an Bioprodukten aus | |
aller Welt. Ist es in Ordnung, dass private Zertifizierer in den | |
Drittländern diese weiterhin einzeln als gleichwertig zu EU-Bio einstufen | |
dürfen – oder sollten importierte Bioprodukte im Grundsatz stets am | |
EU-Standard gemessen werden? | |
## Kontrollen werden erneuert | |
Weiterer Streitpunkt: Muss ein seit Jahrzehnten solide wirtschaftender | |
Biobetrieb jedes Jahr kontrolliert werden? Oder sollten die Kontrollen mit | |
Hilfe einer Risikoanalyse dort stattfinden, wo die Fehler am | |
wahrscheinlichsten sind? | |
Zu Ausnahmegenehmigungen für das Verbot der Anbindehaltung von Kühen und | |
dem Einsatz von konventionellem Saatgut: Wie stellen wir sicher, dass diese | |
tatsächlich Ausnahmen bleiben, wer entscheidet darüber? Und wie viel | |
Flexibilität sollen die Mitgliedstaaten dabei haben? | |
Keine einfachen Fragen, und ich weiß, dass es dazu auch keine einfachen | |
Antworten gibt. Dazu ist die Biolandwirtschaft zu vielfältig. Entscheidend | |
ist Folgendes: In den kommenden Monaten werden der Rat, also die | |
Mitgliedsstaaten, und das frisch gewählte Europäische Parlament gemeinsam | |
zu einer Einigung kommen müssen. Hierzu sind Mut, Kreativität und | |
Engagement gefragt. | |
## Einfacher Rahmen | |
Ich will dieser Herausforderung nicht aus dem Weg gehen. Dazu liegt mir die | |
europäische Biolandwirtschaft zu sehr am Herzen. Der Vorschlag der neuen | |
Bioverordnung ist kein Pferd. Er ist ein Gesetzgebungsvorschlag. Nun liegt | |
es an allen Beteiligten, den bestmöglichen Kompromiss zu finden. | |
Auch ich bin selbstverständlich bereit, für eine Einigung Zugeständnisse zu | |
machen. Mir persönlich geht es nämlich im Kern darum, einen verlässlichen, | |
aber möglichst einfachen Rahmen für die nachhaltige Weiterentwicklung und | |
die Stärkung der Biolandwirtschaft in der EU zu finden. Das ist das | |
Mindeste, was Europas Verbraucher und Biolandwirte verdient haben. | |
13 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Phil Hogan | |
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