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# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Knusper, knusper, Knäuschen
> Die Hexenverfolgung ist seit dem Mittelalter vorbei? Falsch. Es gibt sie
> immer noch, und es gibt auch Hexen. Sie sind unrasiert.
Bild: Vollmond. Nicht im Bild: Betty Baziana (weil unsichtbar).
Quizfrage! Was glauben Sie, wann in Deutschland das letzte Mal Opfer von
Hexenverfolgung rehabilitiert wurden? Nun ja: vor drei Wochen. [1][In
Gelnhausen, in Hessen]. Das Mal davor war im April in Bamberg, da soll es
jetzt eine Gedenktafel geben. Und davor in Rottweil. Da hat die Stadt in
Baden-Württemberg die Opfer der Hexenprozesse [2][“sozialethisch-moralisch
rehabilitiert“].
Da kommen die jetzt natürlich sehr früh drauf, so ein paar Jahrhunderte
später.
Wenn man „Hexenverbrennung“ im Internet sucht, ergänzt Google: „… im
Mittelalter“. Das denkt man so, dass das im Mittelalter war. Die
allermeisten Hexenverbrennungen fanden aber in der frühen Neuzeit statt, in
der Zeit der Renaissance und zu Beginn der Aufklärung, von der man
eigentlich eher so das Bild hat, dass die Leute da plötzlich irgendwie
frisch im Kopf wurden.
In der Schule habe ich nichts über Hexenverfolgung gelernt. Thematisch
waren wir wohl am nächsten dran, als wir auf Französisch Harry Potter lesen
mussten (“Ari Pottär“).
Ich hätte sogar einen persönlichen Bezug gehabt zum Thema. Eine der größten
Kränkungen meiner Jugend war, als meine Eltern mir erklärten, woher mein
Name kommt. Meine ganze katholische Kindheit war ich der festen Überzeugung
gewesen, nach einer Heiligen benannt zu sein. Bis ich erfuhr, dass ich nach
der Margarita aus Bulgakows „Meister und Margarita“ benannt bin, und das
ist, nun ja, eine Frau, die zur Hexe wird. Musste ich erst mal verarbeiten.
Oder vielleicht bin ich noch dabei.
Warum sagt man heute immer noch „Hexenverfolgung“? Ohne Anführungszeichen,
so, als hätte es wirklich mal Hexen gegeben. Das waren aber keine Hexen,
die da gefoltert und getötet wurden. Meistens waren es Frauen, die aus dem
Rahmen fielen. Zehntausende. Frauen, bei denen man nicht wusste, wovon sie
lebten. Frauen ohne Ehemann. Fast immer arme Frauen. Alte Frauen. Hebammen
auch, und Frauen, die sich mit Verhütung oder Abtreibung auskannten.
Frauen, die sexuell in irgendeiner Weise auffielen. Prostituierte.
Störrische, fluchende Frauen.
Silvia Federici erklärt in „[3][Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper
und die ursprüngliche Akkumulation]“ den Zusammenhang zwischen
Hexenverfolgung und der Entstehung des Kapitalismus. (Ich empfehle das.)
Ich war gerade dabei, es zu lesen, als mir [4][ein Text] aus der Baseler
Zeitung in die Hände fiel, der erklärt, warum die Freundin von Alexis
Tsipras eine „linke Hexe“ ist. Betty Baziana sei eine ungepflegte,
militante, feministische Kommunistin, die „Alexis im Griff“ hat, weil sie
„die wahre Macht der Frau erkannt hat und sie auch gelegentlich als
Tauschware einsetzt: Sex.“
Nun ist Verbrennen als Strafe heute selbst in der Schweiz nicht mehr en
vogue. Es muss reichen, Baziana als unrasiert und herrisch zu bezeichnen.
Mehr Horror geht eh kaum.
Die Welt hatte [5][so was Ähnliches] auch schon geschrieben. Erster Satz:
„Am liebsten wäre Betty Baziana wohl unsichtbar geblieben.“
Na, na, na! Seid euch mal nicht zu sicher, liebe Hexenjäger. Wenn sie so
magic ist, wie ihr schreibt, dann kann sie sich ganz bestimmt auch
unsichtbar machen. Und wer weiß, wo sie gerade steckt. Hu huu!
2 Jul 2015
## LINKS
[1] http://www.gnz.de/artikelansicht01/noticias/129292/region+gelnhausen/heftig…
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung#Deutschland
[3] http://www.mandelbaum.de/books/806/7439
[4] http://bazonline.ch/ausland/europa/Frau-Tsipras-oder-die-Moeglichkeiten-ein…
[5] http://www.welt.de/wirtschaft/article142776127/Wie-sehr-wird-Tsipras-von-di…
## AUTOREN
Margarete Stokowski
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