# taz.de -- Klimastreik von Fridays und Verdi: Öffis for Future | |
> Der Streik von Verdi und Fridays bringt am Freitag Tausende auf die | |
> Straße. Und lenkt von einem Problem ab: dem Spalt in der Klimabewegung. | |
Bild: „Wir fahren zusammen“-Demonstration am 1. März in Frankfurt am Main | |
HANNOVER taz | Alles steht still am Freitagmittag. Dort, wo „Fridays for | |
Future“ für Mobilität demonstriert, fährt kein Bus und keine Bahn. Auch am | |
Vortag schon nicht – wer aus dem Umland zur Demo in die Stadt kommen will, | |
muss das wohl oder übel mit dem Auto tun. | |
Es ist ein Novum: [1][Die Klimaschützer*innen streiken gemeinsam mit | |
den Nahverkehrsbeschäftigten.] Schon 2020 kooperierte „Fridays for Future“ | |
erstmals mit der Gewerkschaft Verdi. [2][Beide demonstrieren für den | |
ÖPNV-Ausbau und faire Arbeitsbedingungen.] Das Ziel lautet: eine sozial | |
gerechte Verkehrswende. Konkret fordern sie 16 Milliarden Euro mehr pro | |
Jahr von Bund und Ländern bis 2030. | |
In Hannover folgten laut Polizei 1.800 Menschen bei sonnigem | |
Frühlingswetter dem Aufruf. Bundesweit gingen in 117 Städten laut | |
Veranstalter*innen Tausende auf die Straße. Auch in Hamburg, Berlin, | |
Frankfurt oder Stuttgart blieben öffentliche Verkehrsmittel in den Depots. | |
Unzweifelhaft: Frühere Protestaktionen der Fridays haben mehr Leute auf die | |
Straße gezogen. Dennoch ist der Ausstand gemeinsam mit Verdi ein Anlass, | |
überhaupt mal wieder in den Nachrichten aufzutauchen. Das Klimathema hat | |
durch die Konflikte in Israel und in der Ukraine stark an Zugkraft | |
verloren. Ob das Bündnis mit der Gewerkschaft den Klimaaktivist*innen | |
neuen Zulauf bringt, muss sich noch zeigen. | |
[3][„Um die Klimaziele im Verkehr einzuhalten, muss der ÖPNV in den | |
nächsten Jahren massiv ausgebaut werden“], erklärt „Fridays“-Sprecherin | |
Pauline Brünger den Schulterschluss. Das könne nicht gelingen, wenn wegen | |
schlechter Arbeitsbedingungen niemand mehr die Busse und Bahnen fährt oder | |
in der Werkstatt repariert. „Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht | |
anders scheint: Wir haben ein gemeinsames Interesse mit den Beschäftigten.“ | |
## CDU: Belastungen durch Streiks | |
Kritik am Streik kommt von der Vorsitzenden der Mittelstands- und | |
Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU). Sie moniert in der Rheinischen | |
Post: „Wenn es Fridays for Future wirklich um das Klima gehen würde, | |
müssten sie alles daransetzen, dass der ÖPNV läuft.“ Diese Dauerstreiks | |
stellten Arbeitnehmer und Mittelstand vor enorme Belastungen. Die | |
Klimaaktivist*innen wiederum finden den Vorwurf absurd. | |
Die Kampagne „Wir fahren zusammen“ hätte gezeigt, wie Klimaschutzmaßnahmen | |
das Leben von uns allen besser machen können. „Und wir haben Unterstützung | |
für ökologische Anliegen an Orten gewonnen, die sich nicht schon | |
selbstverständlich als Teil der Klimabewegung sehen“, meint Pauline | |
Brünger. | |
Das sieht auch Wissenschaftler Lennart Schürmann so, der am Zentrum für | |
Zivilgesellschaftsforschung in Berlin zu politischem Protest forscht. Damit | |
Bewegungen Aufmerksamkeit erzeugen, müssten sie sich immer wieder neu | |
erfinden. „Fridays for Future setzt auf Masse – und auf positive Signale, | |
ob im Kampf gegen Rechtsextremismus oder für gute Arbeitsbedingungen“, | |
findet er. Die Forschung zeige, dass große Proteste bei | |
Politiker*innen deutlich überzeugender wirken. „Der gemeinsame Konsens | |
mit Verdi bewegt nun erneut viele Menschen. Hier werden Klimakrise und die | |
soziale Frage zusammengedacht.“ | |
Ein Nebeneffekt: „Damit schaffen sie es auch, von der Problematik der | |
Positionierung der Bewegung in Bezug auf den Israel-Gaza-Krieg abzulenken“, | |
sagt der Protestforscher. Der Nahostkonflikt polarisiere zwar durch alle | |
Gesellschaftsgruppen hindurch. Insbesondere die deutsche und die | |
internationale Bewegung von „Fridays for Future“ würden aber als gespalten | |
wahrgenommen. | |
Erster „Fridays“-Streik seit Hamas-Attacke | |
Worauf Schürmann anspielt: [4][Über den Konflikt haben sich Teile der | |
Klimabewegung tief zerworfen.] „Fridays“-Begründerin Greta Thunberg tritt | |
wiederholt mit einseitig Palästina-freundlichen Aussagen auf. Die deutsche | |
Sektion wiederum distanziert sich vehement, weist jeden | |
Antisemitismus-Vorwurf von sich. Der „Fridays“-Doppelstreik mit Verdi ist | |
der erste seit der Eskalation des Gaza-Krieges. | |
Aktivistin Brünger teilt dazu auf Nachfrage mit: „Wir sind seit dem Angriff | |
der Hamas im Austausch mit Aktivist*innen und internationalen | |
FFF-Gruppen und beraten über mögliche zukünftige Form von Zusammenarbeit.“ | |
Die Gespräche mit den Beschäftigten in den Bus- und Bahnbetrieben liefen | |
aber schon deutlich länger. In Hannover sind ohnehin keinerlei Symbole zum | |
Nahostkonflikt zu sehen. | |
Bahnfahrer Stefan Müller lobt den Zusammenschluss. Der Gewerkschafter | |
berichtet auch von Vorbehalten einiger Kolleg*innen, bei denen „Fridays for | |
Future“ zunächst nicht auf Gegenliebe gestoßen sei. Diese hätten sich aber | |
meist schnell ausräumen lassen: Niemand wolle den Menschen das Auto | |
wegnehmen. Dass sich tatsächlich etwas an den Arbeitsbedingungen ändert, | |
sieht er pessimistisch. Aufgrund der Kosten hätten sich viele politisch | |
Verantwortliche schon wieder von der Verkehrswende verabschiedet. | |
„Egal ob wir auf der Stadt oder auf dem Land wohnen, wir alle wollen uns | |
verlässlich und klimafreundlich von A nach B bewegen können“, resümiert | |
Brünger. Der Staat müsse mehr Geld investieren, um Infrastruktur in der | |
Stadt und auf dem Land zu verbessern. Nach dieser Lesart nach ist der | |
Stillstand vom Freitag zu verkraften – damit sich in Zukunft mehr bewegt | |
auf Bus- und Bahnspuren. | |
1 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Situation-der-Klimabewegung/!5993085 | |
[2] /Buendnis-von-Fridays-for-Future-und-Verdi/!5993196 | |
[3] /Fridays-for-Future-orientiert-sich-neu/!5985785 | |
[4] /Klimaaktivistin-protestiert-in-Leipzig/!5988013 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Arnhold | |
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