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# taz.de -- Klimaschützer*innen unter Druck: Repressionen nehmen global zu
> Die Bundesrepublik verfolgt Aktivist*innen für ihre Proteste. Woanders
> ist es nicht besser. Die Bewegung reagiert mit Knastschulungen und
> Beratung.
Bild: Die Handschellen klicken immer schneller zu: Aktivist*in in Berlin Spanda…
Hamburg taz | Knapp eine Million Euro – auf diesen Betrag kommt man, wenn
man die Geldstrafen, die [1][gegen Aktivist*innen der Letzten
Generation bislang ergangen sind], zusammenrechnet. Hinzu kommen mehrere
hundert Tage Gefängnis, die sie bisher absitzen mussten – meist als
Präventivhaft, also ohne, dass sie verurteilt wurden.
Allein die Staatsanwaltschaft des Landes Berlin hat schon mehr als 3.700
Verfahren gegen die Letzte Generation geführt. Bundesweit dürften es
insgesamt bislang um die 5.000 Verfahren sein – weitere kommen Woche für
Woche hinzu. Das schwerste strafrechtliche Instrument, das die
Bundesrepublik jemals gegen Klimaschützer*innen eingesetzt hat, trifft
die Letzte Generation seit dem vergangenem Jahr: die [2][Ermittlungen wegen
des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die
Staatsanwaltschaften München und Neuruppin].
Menschen- und Umweltrechtsorganisationen wie Amnesty International und
Green Legal Impact kritisieren schon seit Monaten, dass demokratische
Teilhabe und Grundrechte auch in Deutschland beschnitten werden – vor allem
[3][Klimaaktivist*innen seien von zunehmender Repression betroffen].
Die rechtliche Grundlage dafür bieten die in den vergangenen Jahren
verschärften Polizeigesetze der Länder und des Bundes. Aber auch der
politische Druck und – infolgedessen – der Verfolgungswillen der Behörden
sind gestiegen. Ob wirklich eine Anzeige kommt, wenn Protestierende auf der
Straße festgenommen werden, war früher nicht immer ausgemacht. Heute ist
das anders. Und wo früher der Rahmen des möglichen Strafmaßes oft nicht
ausgeschöpft wurde, sehen sich Aktivist*innen heute schnell mit
Maximalforderungen konfrontiert.
Auch die Bewegung hat ihren Umgang mit den staatlichen Repressionen
verändert. Anhänger*innen von Extinction Rebellion und der Letzten
Generation versuchen in der Regel erst gar nicht, sich der Strafverfolgung
zu entziehen, sondern sie für sich zu nutzen. Auch das erklärt die hohe
Zahl an Verfahren gegen Aktivist*innen. Doch sie gehen nicht unvorbereitet
in Strafprozesse oder Gefängnisaufenthalte: Die Bewegung reagiert mit
Workshops und Unterstützungsangeboten auf die verschärften Strafen.
## Lernziel Mentale Stärke
Holger Isabelle Jänicke hat Gefängnistrainings entwickelt, die sich
speziell an die Letzte Generation richten. „Das A und O sind mentale Stärke
und ein gutes Unterstützernetzwerk“, sagt Jänicke. Er*sie selbst saß mal
neun Monate lang im Knast, Anfang der 1980er war das, nach Blockaden gegen
den Raketenstützpunkt Mutlangen in Baden-Württemberg. Nach der Freilassung
habe Jänicke angefangen, Interessierten beizubringen, wie die
Kommunikation im Knast funktioniert, wie die Tage ablaufen und welche
Rechte Insassen haben. Nach ein paar Jahren hörte Jänicke auf, weil er*sie
nicht mehr auf dem aktuellen Stand war, weil sich auch Knastabläufe über
die Jahre verändern.
2022 musste Jänicke erneut ins Gefängnis – eine Protestaktion auf einem
Militärflugplatz im rheinland-pfälzischen Büchel brachte ihm*ihr 90
Tagessätze, die er*sie in 30-tägiger Ersatzfreiheitsstrafe absaß. „Das war
nervig“, sagt Jänicke, „aber jetzt kann ich wieder was dazu sagen.“ Die
Trainings seien Monate im Voraus ausgebucht.
## Global verbreitet
Immer härteres staatliches Durchgreifen gegen Klimaaktivist*innen ist
nicht nur ein deutsches Phänomen. Line Niedeggen hat sich auf Hilfe für
Protestierende spezialisiert, die davon betroffen sind – aber global. Dafür
hat sie die [4][Organisation Climate Activist Defenders gegründet]. „Wir
sehen, dass die Repression weltweit zunimmt“, sagt sie. Besonders schlimm
sei es derzeit in Uganda, Pakistan, Indien oder Kolumbien. Nicht immer sei
dabei jedoch klar, ob jemand im Rahmen eines Klima- oder eines anderen
Konflikts Opfer staatlicher oder paramilitärischer Gewalt geworden sei.
Immerhin habe sich die Sensibilität für das Thema Klimaschutz und damit
einhergehende Repressionen erhöht. [5][Indigene Bauern oder Teile der
Landbevölkerung etwa, die ihre Grundstücke gegen umweltschädliche Projekte
oder Landraub verteidigen], wurden früher nicht der Klimabewegung
zugerechnet – heute hingegen schon. Auch Menschenrechtsorganisationen
wie Front Line Defenders oder Amnesty International, die eigentlich wenig
zum Thema Klimaaktivismus arbeiteten, bekämen derzeit immer mehr
Unterstützungsanfragen von Klimaaktivist*innen, sagt Niedeggen.
[6][Climate Activist Defenders] berät Klimaaktivist*innen in
rechtlichen Fragen und bürokratischen Prozessen, hilft finanziell, schult
Betroffene in Sachen digitale Sicherheit und vermittelt Kontakte zu lokalen
Netzwerken auf der ganzen Welt. Von [7][indigenen Gemeinschaften, die
weltweit am stärksten von Klimarepressionen] betroffen seien, könnten
Aktivist*innen in Europa viel lernen, so Niedeggen. Und: „Das
Wichtigste ist in jedem Fall, Betroffene nicht mit den Folgen allein zu
lassen.“
1 Mar 2024
## LINKS
[1] /Raphael-Thelen-ueber-Aktivismus/!5992672
[2] /Ist-die-Letzte-Generation-kriminell/!5975511
[3] /Bericht-von-Amnesty-International/!5961355
[4] https://climateactivistdefenders.org/
[5] /Streit-um-Guyana-Essequibo/!5991174
[6] https://climateactivistdefenders.org/
[7] /Alternative-Nobelpreise-2023/!5963046
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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