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# taz.de -- Kirche beharrt auf Sonder-Arbeitsrecht: Nur wer glaubt, kann richti…
> Bremens Evangelische Kirche setzt auf Diskriminierung: Selbst Putz-Jobs
> und Kartoffelschälstellen vergibt sie nur an Christenmenschen.
Bild: Auch aufgeklärte Kinder lernen in der Kita, auf den Weihnachtsmann zu wa…
BREMEN taz | Fromme Wünsche stehen viele im rot-grünen Bremer
Koalitionsvertrag von 2015. „Wir wollen kein ‚Zwei-Klassen-Arbeitsrecht‘
für Beschäftigte der Kirchen“, lautet einer davon. Von der Verwirklichung
sind Rote und Grüne indes nach drei Jahren weit weg: Die evangelischen
Gemeinden stellen selbst technisches Personal nur ein, wenn es in einer
christlichen Kirche organisiert ist.
Und auch der Landesverband evangelischer Kitas, verlangt das in seinen 25
aktuellen Ausschreibungen von sämtlichen Beschäftigten: „Religionsbezogene
Anforderungen für Arbeitsplätze in Kirche und Diakonie sind weiterhin
zulässig“, teilt die Bremische Evangelische Kirche (BEK) ihre Auffassung
mit. „Für uns ist klar, dass kein säkulares Gericht entscheiden kann, wann
ein Arbeitsplatz so verkündigungsnah ist, dass wir als Arbeitgeber religiös
bedingte Anforderungen stellen dürfen.“
Das könnte womöglich die Andachtsübung Kita-Putzen als weltlich auffassen.
Richtig wischen können aber nur Getaufte. So heißt es in einer
Stellenanzeige, mit der für einen Kindergarten in evangelischer
Trägerschaft „eine Raumpflegerin/ ein Raumpfleger“ für mit „3,75
Wochenstunden, davon 2,25 Wochenstunden befristet“ gesucht wird:
„Einstellungsvoraussetzung ist die Zugehörigkeit zu einer christlichen
Kirche, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehört.“
„Mittelalterliches Hörigkeitsdenken“ [1][nennt das Herbert Thomsen vom
Forum Säkulares Bremen]: „Das gehört abgeschafft.“ Er sehe darin einen
neuerlichen Beleg, dass „Bekundungen zu Vielfältigkeit und Toleranz, die
die Kirchenleitung immer wieder herausstellt, hohle Versprechungen“ sind.
Er hält solche Stellenausschreibungen für rechtswidrig.
## Überraschte Politik
Tatsächlich dürfen Religionsgemeinschaften bei der Einstellungspolitik
Glaubensfreie mitunter ausschließen. Diese Diskriminierung ist aber nur
zulässig, sofern ein „direkter Zusammenhang“ von Bekenntnis und Tätigkeit
vorliegt, hat der Europäische Gerichtshof im September [2][entschieden].
Ein solcher Zusammenhang könne sich ergeben, wenn sie mit einem Beitrag zum
Verkündigungsauftrag verbunden sei.
Bloß glaubt halt die BEK, die Grenze ganz allein zu kennen: „Für uns ist
klar, dass eine Erzieherin in einer evangelischen Kita weiter Mitglied
einer christlichen Kirche sein muss“, sagt die Kirchensprecherin Sabine
Hatscher. Das [3][sieht das Säkulare Forum anders]: „Es darf nicht sein,
dass die Kirchen zwar staatliches Geld nehmen, sich bei der Frage von
zeitgemäßen Arbeitnehmer*innenrechten aber wegducken“, argumentiert
Thomsen. Immerhin sind auch die kirchlichen Kitas vor allem staatlich
finanziert. Thomsen: „Auch die Abgeordneten sind hier gefordert.“
Die sind überrascht von der kirchlichen Praxis: „Ich erfahre durch Ihre
Anfrage erstmals von diesen Stellenausschreibungen“, räumt der Vorsitzende
der SPD-Fraktion, Björn Tschöpe, ein. „Ich war davon ausgegangen, dass die
BEK das EuGh-Urteil umsetzt.“ Das sei hier nicht der Fall, sagt der Jurist.
„Wenn man evangelischer Pastor ist, muss man auch Protestant sein; aber für
alles, was darunter ist, muss gelten, dass Arbeitnehmerrechte keine
Glaubensfrage sind.“
## Kirche verletzt Mindeststandards
Auch die Linksfraktion hält solche Stellenausschreibungen für grob
rechtswidrig und politisch unhaltbar. „Wir erwarten, dass sich
Bürgermeister Carsten Sieling umgehend mit der Kirche zusammensetzt, damit
solche Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
[4][unterbleiben]“, sagt Fraktionschefin Kristina Vogt.
Wenn sich etwas bewegen soll, wird die Intervention des Senators für
Kirchenfragen wohl nötig sein. Denn Kindersenatorin Claudia Bogedan (SPD)
hält sich für „nicht zuständig“, so deren Sprecherin: „Für die Einhal…
des AGG ist jeder Arbeitgeber selbst verantwortlich“.
Dabei [5][schreibt das Bremer Vergabegesetz vor], dass die von Land oder
Stadt engagierten Dienstleister nicht nur Tarif- sondern auch
Sozialstandards zu erfüllen haben. Dazu gehören diverse von der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) formulierte Übereinkommen gegen
Zwangsarbeit, Kinderarbeit und „Diskriminierung in Beschäftigung und
Beruf“. Darunter ist auch „jede Unterscheidung, Ausschließung oder
Bevorzugung“ zu verstehen, die auf Grund des Glaubens oder der politischen
Meinung geschieht. Es hat in Deutschland seit 1961 [6][Gesetzeskraft].
Wahr ist: Für die Wohlfahrtspflege greift das Vergabegesetz nicht. Das
Sozialgesetzbuch garantiert freien Trägern einen hohen Grad von Autonomie
bei der Selbstorganisation. Selbst Minimalstandards hier zu verankern wäre
juristisch sehr kompliziert. Und zudem hat sich Bremen einigermaßen
abhängig gemacht von der evangelischen Kirche. Fielen deren 4.700
Kita-Plätze weg, wäre es nix mit Erfüllung des Rechtsanspruchs. Thomsen
hält das Risiko eines Konflikts dennoch für beherrschbar: „Die würden sich
das aber auch nicht entgehen lassen“, sagt er. „Das ist deren bestes
Missionierungsinstrument.“
## Das grünes Herz schlägt nur für Gott
Bloß: Um die Arbeitnehmerrechte durchzusetzen, müsste die
Auseinandersetzung geführt werden. Und mindestens die Grünen tun das
Gegenteil: Deren kinder- und religionspolitischer Sprecher Matthias
Güldner, nebenbei im Beirat des evangelischen Bildungswerks engagiert, hält
das Vorgehen der BEK für unproblematisch. „Das ist für mich keine
Diskriminierung“, behauptet er. Schließlich könne es ja „im Sinne der uns
vor allem wichtigen Vielfalt und interkulturellen Öffnung“ durch
„Ausnahmeregeln“ ermöglicht werden, „dass Menschen ohne oder mit anderen
Religionszugehörigkeiten ihren Weg in Einrichtungen der Evangelischen
Kirche finden“ – Gnadenrecht statt Rechtsanspruch.
Die einschlägigen Passagen im Koalitionsvertrag jedenfalls will Güldner nur
als Forderung nach gleicher Bezahlung und Tarifen verstanden wissen. Dabei
benennt der ausdrücklich die gesamte „arbeitsrechtliche Situation
kirchlicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ als Handlungsfeld und
formuliert das Ziel diese „insbesondere in nicht verkündungsnahen Bereichen
an die außerhalb der kirchlichen Einflusssphäre geltenden
arbeitsrechtlichen Bedingungen anzugleichen“. Die ist dort unter anderem
dadurch gekennzeichnet, dass das Grundrecht auf Glaubensfreiheit
uneingeschränkt gilt. Aber auch über das hat Güldner eine andere
Auffassung: „Wir Grünen“, teilt er mit „respektieren das Recht der
Religionsgemeinschaften auf kirchliche Selbstbestimmung als ein
wesentliches Grundrecht unserer Verfassung.“
30 Nov 2018
## LINKS
[1] /!5538547/
[2] http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=205521&a…
[3] http://www.forumsaekularesbremen.de/
[4] https://www.gesetze-im-internet.de/agg/
[5] https://www.transparenz.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen2014_tp.c.10…
[6] https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__//*%5B@attr_id='bgbl261s00…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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